Kann ein grüner Politiker anhaltenden Beifall von Unternehmern bekommen? Was vor wenigen Jahren wegen ideologischer Gegensätze als undenkbar galt, hat Robert Habeck, neuer Bundesvorsitzender der Grünen und scheidender Umweltminister Schleswig-Holsteins, beim Wirtschaftsempfang der Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven geschafft.
Selten hat es ein Vertreter der Wirtschaft so deutlich ausgesprochen wie der Präses der Handelskammer Bremen, Harald Emigholz. „Nach meiner Meinung ist die in der jüngeren Vergangenheit um sich greifende Verantwortungslosigkeit mancher Unternehmen und ihrer Manager eine Ursache für das schwindende Ansehen des Unternehmertums und unserer sozialen Marktwirtschaft“, appellierte Emigholz an die rund 500 Teilnehmer des diesjährigen Wirtschaftsempfangs der Kammer, den Begriff des ehrbaren Kaufmanns wieder stärker mit Leben zu füllen.
„Verantwortungsvolles Wirtschaften kann etwa ein Treiber für Innovation sein, zum Beispiel bei der effizienten Nutzung natürlicher Ressourcen, bei der Produktgestaltung oder auch als Basis neuer Geschäftsideen“, ergänzte der Präses: „Wir sollten Wert darauf legen, dass gerade unsere wichtigsten ungeschriebenen Werte wieder mit neuem Leben erfüllt werden. Fleiß, Toleranz, Ehrlichkeit und Achtung vor den Mitmenschen – und dem politischen Gegner.“
Denkwürdige Veranstaltung
Vielleicht waren es diese deutlichen Worte, die den traditionellen Empfang zu einer denkwürdigen Veranstaltung werden ließen. Denn Emigholz ebnete Robert Habeck als Gastredner des Abends damit den Weg zu einer Rede, die viele der Teilnehmer verblüfft haben dürfte und deswegen zu anhaltendem Beifall bewegte. Habeck selbst betont immer wieder gerne, dass er lieber mit Leuten diskutiert, die ihn wahrscheinlich nicht wählen, als mit den eigenen Parteifreunden.
In der früheren Lagerhalle des ehemaligen Kellogg’s-Werkes in Bremen dürfte die Zahl der Wähler Habecks überschaubar gewesen sein, doch je länger die Rede des Gastes dauerte, desto mehr schienen die politischen Gegensätze zu schwinden. Für das Miteinander sind in schwierigen Zeiten wie jetzt klare Werte und Regeln erforderlich – das war eine der zentralen Botschaften Habecks, die durchaus mit den Worten des Kammer-Präses harmonierten. „Die alten Gegensätze ,richtig – falsch‘ führen uns bei dem Wandel, den wir derzeit erleben, nicht weiter“, betonte Habeck. In Zeiten des Klimawandels und gravierender gesellschaftlicher Veränderungen sei es nicht mehr die Frage, nach rechts oder nach links zu gehen: „Wir müssen uns damit beschäftigen, welche Technik wir nutzen wollen und wie wir sie einsetzen.“
Wandel als Chance zu neuen Entwicklungen
Offenkundig gehört Habeck zu den grünen (Wirtschafts-)Politikern, die Wandel nicht als Rolle rückwärts betrachten, sondern als Chance zu neuen Entwicklungen. Dass sich Bremen und Bremerhaven allen Krisen zum Trotz immer wieder neu erfunden haben, schätze er besonders an den beiden Städten: „Wirtschaft ist immer im Wandel. Das ist hier besonders deutlich zu sehen.“ Einen Wandel fordert Habeck allerdings auch in der Politik: „Es fehlt an Entschiedenheit und an Verlässlichkeit, wir brauchen eine Politik, die gestaltungswillig ist“, appellierte er.
Gemeinsame Ziele
Der Blick in die Zukunft offenbarte dann die größte Gemeinsamkeit mit den Unternehmern. Denn auf die eigene rhetorische Frage, wer Deutschland künftig sein wolle, antwortete Habeck zum Ende seines Beitrages ähnlich wie der Kammerpräses zu Beginn des Abends: Das Deutschland von morgen ist für ihn eine liberale, faire, soziale Demokratie und Marktwirtschaft: „Alte Gegensätze führen uns nicht weiter, wir müssen die Zukunft umarmen.“ Phasenweise schien es an dem Abend, als habe Habeck das geschafft.