Scheinselbstständig? Nicht mit Dedicon!

Foto: Martina BerlinerMichael Theis ist eines der Gründungsmitglieder von Dedicon. Der IT-Consultant, Softwareentwickler- und Projektleiter hat 35 Jahre Berufserfahrung, davon 15 als Selbstständiger. Foto: Martina Berliner

Die eingetragene Genossenschaft verschafft Freiberuflern eine Arbeitnehmerüberlassung und Auftraggebern Rechtssicherheit

Immer häufiger werden Vertragsbeziehungen zwischen Unternehmen und Freiberuflern auf mögliche Scheinselbständigkeit kontrolliert. Für dieses Jahr hat Arbeitsministerin Andrea Nahles weitere Verschärfung und Intensivierung der Maßnahmen angekündigt. Was prekär beschäftigten Freelancern wider Willen Hoffnung auf Festanstellung machen mag, trifft hoch Qualifizierte empfindlich. Denn insbesondere größere Auftraggeber sind um Rechtssicherheit bemüht und suchen externe Expertise deshalb vermehrt über Personaldienstleister. Wer sein eigener Herr bleiben möchte, findet kaum noch Jobs.
Dem Software-Entwickler Michael Theis drohte aus diesem Grund bereits vor zwei Jahren das berufliche Aus. Der Nenndorfer arbeitete für wechselnde Auftraggeber, war dabei aber stets über längere Zeiträume für jeweils nur ein Unternehmen tätig. Und zwar so, wie es die Bewältigung großer Projekte verlangt: In Vollzeit vor Ort, integriert ins Team der Festangestellten. Damit galt er als möglicherweise scheinselbstständig. Sein damaliger Auftraggeber hätte ihn gern mit einem weiteren zeitlich begrenzten Vorhaben betraut, wagte es aufgrund der rechtlichen Unsicherheit aber nicht. Er brauche einen Arbeitsüberlassungsvertrag, ließ der Konzern Michael Theis wissen.

Berufliche Freiheit

„Man riet mir damals, mich von einer Zeitarbeitsfirma anstellen zu lassen. Über die würde man mich dann anfordern“, erinnert er sich. Ihm widerstrebte das, weil er berufliche Freiheit schätzt. Vor allem aber, weil Personaldienstleister bis zu 40 Prozent des Gehalts einstreichen. „Das können wir selbst besser“, befanden Michael Theis und zwei ebenfalls betroffene Kollegen. Gemeinsam fand das Trio die für Dienstleister und Auftraggeber optimale Lösung: Sie gründeten eine Genossenschaft und nannten sie Dedicon, hergeleitet von „dedication“ – Engagement und „connection“ – Verbindung.
Der Name ist Programm. „Wir verstehen uns als Bindeglied zwischen einer selbst bestimmten Arbeitsweise und solidarischer Teilnahme an der Sozialversicherungsvorsorge und leisten damit einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag“, sagt Michael Theis. Seit Sommer 2015 verfügt Dedicon über eine Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung von der Agentur für Arbeit Kiel.

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Die eingetragene Genossenschaft tritt prinzipiell wie ein Personaldienstleister auf, verzichtet aber auf Gewinnstreben. Die Mitglieder sind sozialversicherungspflichtig angestellt und bekommen ausgezahlt, was sie persönlich erwirtschaften. Alle vertraglich notwendigen Abgaben und Kosten innerhalb der Genossenschaft werden transparent abgerechnet und von den Mitgliedern kontrolliert.

Anders als ein Personaldienstleister bietet die Genossenschaft aber keine Akquisetätigkeit. Das bedeutet: Jeder muss selbst seine Auftraggeber finden. Allerdings werden Genossenschaftsmitglieder von der Vernetzung profitieren, spätestens, wenn Dedicon mehr Mitglieder hat. Aktuell sind es nur fünf, weil bisher kaum jemand davon weiß. „Wir starten jetzt eine Kampagne, um uns und die Idee bekannt zu machen“, sagt Michael Theis.

Bis zum Sommer, so schätzt er, wird sich die Zahl der Dedicon-Mitglieder durch die Öffentlichkeitsarbeit vervierfachen. „Es kommen ja so viele Berufsgruppen infrage: IT-Spezialisten, Ingenieure, Dolmetscher, Coaches, Trainer, Dozenten, Grafikdesigner, Journalisten und andere.“ Die Vorteile gegenüber Personaldienstleistern lägen auf der Hand, erläutert Theis. „Mehr Geld, weniger Kosten.“ Dazu biete die Genossenschaft Gleichberechtigung, Selbst- und Mitbestimmung sowie ein gutes Netzwerk. „Eine Arbeitnehmerüberlassung von Dedicon vereint die Vorzüge der Selbstständigkeit mit denen des Angestelltenstatus – Nutzung des vollen Verwaltungspotenzials bei geringen Verwaltungskosten, Rechtssicherheit, Sozialversicherung, Ausschluss persönlicher Haftung.“

Mehr Geld, 
weniger Kosten

Neben der Werbung potenzieller Mitglieder soll die breit angelegte Kampagne in Medien, sozialen Netzwerken und bei Veranstaltungen auch Unternehmen auf Dedicon aufmerksam machen. „Die Genossenschaft hilft ja nicht nur Hochqualifizierten bei Verdacht auf Scheinselbstständigkeit. Sie hilft auch Firmen, die Projekte anstoßen möchten, wieder mit Freiberuflern zusammenzuarbeiten“, sagt er Nenndorfer.

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Noch ist die Alternative Dedicon in Arbeitgeberkreisen kaum bekannt. „Gerade die großen Konzerne haben sich auf die Zusammenarbeit mit renommierten Personaldienstleistern eingestellt und tun sich schwer, umzudenken“, weiß Theis aus Erfahrung. Er selbst ist zurzeit auf Jobsuche. Mit Beendigung seines – vorerst – letzten Projekts hat Dedicon ihm kündigen müssen. Mitglied der Genossenschaft ist er aber nach wie vor.
Michael Theis bezieht nun Arbeitslosengeld. Bei der Agentur für Arbeit hat man dem 60-Jährigen bereits signalisiert, dass es für einen hoch Qualifizierten wie ihn durchaus Anstellungsmöglichkeiten gäbe – bei einem der zahlreichen etablierten Personaldienstleister. Michael Theis sieht sich im Wettlauf mit der Zeit. „Wenn ich nicht sehr bald ein neues Projekt finde und damit wieder bei Dedicon anfangen kann, werde ich meine Selbstständigkeit aufgeben müssen.“
Web: www.dedicon.de