Von Corinna Horeis, Diplom-Kauffrau und Personalberaterin.
Die Freude ist groß, wenn der passende Mitarbeiter für eine Schlüsselposition gefunden wurde und der Wunschkandidat den Arbeitsvertrag unterschrieben hat. Die Enttäuschung ist umso größer, wenn der Kandidat den Job nicht antritt und dieses gegebenenfalls erst kurzfristig vor Arbeitsbeginn mitteilt. Gut ein Drittel aller Arbeitsverträge werden vor Arbeitsbeginn gekündigt! Tendenz steigend.
Eine Kündigung vor Arbeitsantritt kostet heutzutage mehrere tausend Euro, die allein für die Recruiting-Maßnahmen entstehen. Die investierte Zeit und der bevorstehende Arbeitsausfall sind noch nicht einmal mit eingerechnet. Der gesamte Bewerbungsprozess startet wieder bei Null.
Es stellt sich die Frage, ob sich eine Kündigung vor Arbeitsantritt vermeiden lässt. Die Antwort: Nein. Jedoch können entsprechende Maßnahmen dazu beitragen, diese Option zu verringern. Die heiß umworbenen Kandidaten können heute zumeist aus vielen Angeboten auswählen. Nicht selten wertet der aktuelle Arbeitgeber sein Angebot auf, wenn der Mitarbeiter die Kündigung einreicht, und bewegt ihn damit zum Bleiben. Aber sobald ein besseres Angebot mit besserem Gehalt, spannenderen Aufgaben, kürzerer Fahrstrecke, mehr Urlaub oder anderen attraktiveren Vorteilen lockt, sind Verbindlichkeit, Verpflichtung und Moral keine Tugenden mehr.
Welche Möglichkeiten können den Kandidaten verstärkt an den zukünftigen Arbeitgeber binden? Bereits bei der Personalauswahl ist darauf zu achten, ob der potenzielle Kandidat für die Aufgabe „brennt“. Bedeutet die angebotene Position eine Weiterentwicklung oder eher eine Seitwärtsbewegung oder gar einen Rückschritt? Erzeugen das Gehaltsangebot sowie die Rahmenbedingungen einen Anreiz oder eher ein Schulterzucken? Das Angebot als auch der Bewerber sollen keine Verlegenheitslösungen sein, ansonsten ist eine schnelle Kündigung vorprogrammiert.
Vertragsstrafe als Lösung?
Mitunter kann eine Vertragsstrafe eine wirksame Prävention sein. Die Gestaltung des Arbeitsvertrags kann durch entsprechende Zusätze ergänzt werden, die eine Kündigung vor Arbeitsbeginn ausschließen oder bei Vertragsbruch eine Vertragsstrafe zur Folge haben. Längere Kündigungsfristen in der Probezeit sind eine Option, den Mitarbeiter vom neuen Arbeitsumfeld doch noch zu überzeugen.
Aus meiner Erfahrung ist die frühzeitige Bindung zum Kandidaten am wichtigsten, denn zwischen Vertragsabschluss und Arbeitsbeginn können Wochen oder Monate liegen. Tendenziell steigt die Kündigungswahrscheinlichkeit, je länger der Zeitraum zwischen Abschluss und erstem Arbeitstag ist. Der enge Kontakt zu dem neuen Mitarbeiter ist ausschlaggebend für eine langfristige Beschäftigung. Einladungen zu Meetings, zu Firmenveranstaltungen oder zu Seminaren schaffen Nähe. Je früher sich der Arbeitgeber um den neuen Mitarbeiter kümmert und je mehr sich dieser als Teil der „Unternehmens-Familie“ fühlt, desto höher wird die Bindung und desto schwächer ist die Neigung zur Kündigung. Bildlich gesprochen: Nach einem Heiratsantrag würde sich der Kontakt zum/r Auserwählten mit Sicherheit eher erhöhen als gänzlich einschlafen. Der Spannungsbogen darf wie bei einem fesselnden Roman nicht abreißen, sondern soll stets gesteigert werden. Nur so bleibt der Bewerber neugierig auf den nächsten Schritt und sehnt mit Vorfreude den Arbeitsbeginn herbei – so kann der Super-Gau vermieden werden.