Neue Brüter braucht das Land

Von Martin Mahn, Geschäftsführer der Tutech Innovation GmbH und der Tutech Hamburg GmbH

Atomausstieg und Energiewende sind seit Langem beschlossene Sache. Das Ende der Schnellen Brüter, Druck- und Siedewasserreaktoren ist besiegelt. Zumindest bei uns. Aber während nach und nach die alten Meiler landauf, landab abgeschaltet werden, entstehen – abgesehen von Hunderten von Windrädern hier im Norden – jede Menge neue Brüter. Und das auch noch meistens mitten in der Stadt.

Doch diese Brüter sind anders. Auch sie stellen Energie –zumindest im übertragenen Sinne – für unsere Wirtschaft bereit. Eine sehr innovative Energie sogar. Und in der Regel auch sehr umweltfreundlich. Anders als die „Kollegen“ brauchen ihre Brennelemente nach Durchlaufen der Betriebszeit allerdings kein Abklingbecken und auch kein Endlager. Letzteres wäre geradezu paradox, ja fatal. Nein, im Gegenteil, die Kettenreaktion in diesen Kraftwerken muss unbedingt weiter aufrechterhalten und möglichst noch weiter angeheizt, beschleunigt werden. Dies insbesondere bei den Schnellen Brütern, den „Acceleratoren“, bei dem die Brenn-elemente in der Regel nach bereits sechs Monaten ausgetauscht werden.

Bei den gewöhnlichen (Aus-)Brütern, den „Inkubatoren“, kann dies gerne mal drei Jahre und unter Umständen auch noch viel länger dauern, je nachdem, was da ausgebrütet wird – von der trendigen Gurkenlimonade über die lebensrettende Drohne bis hin zur antidegenerativen Gentherapie für Hund, Pferd und Mensch.

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Die erste Stufe dieser „Value Chain“ bilden allerdings die „Coworking Spaces“, eine Art offene Vorbrutzone. Hier treffen sich gleichgesinnte, interessierte oder teamwillige Brennstäbe zum gemeinsamen Anfahren (Run-up) des Reaktors, bis sie (eine Frage der Zeit) eine kritische Masse erreichen und eine Kettenreaktion auslösen. Allerdings keine Kernspaltung, sondern vielmehr eine Fusion.

Hilfe zur Selbsthilfe

Diese neuen Brüter bieten der Umsetzung neuer Ideen also einen geschützten Raum. Aber: Wer in einem warmen Nest sitzt und von vorne bis hinten betüddelt wird, der hat auch keinen Grund mehr, seine Glucke zu verlassen. Und da – ja klar – kommen wir zur Kehrseite der Medaille. Es musste ja eine geben. Keine Hochtechnologie ohne Nachteile. Was für eine Brut wird da herangezogen? Und ist das viele Brüten und Pampern vielleicht sogar kontraproduktiv? Ja und nein. Beim Flüggewerden helfen – ja. Das Fliegen übernehmen – nein. Da sind Eigeninitiative und Tatkraft gefragt. Hilfe zur Selbsthilfe. Und deshalb ist es eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Kraftwerksbetreiber, genau darauf zu achten. Nämlich ein Verlöschen der ersten zarten Konversionen genauso zu vermeiden, wie einen Meltdown im beschleunigten Erfolgsrausch.

Zu diesem Zweck können – wie auch im Kernreaktor – Brutzeit und -geschwindigkeit moduliert werden: Vor allem durch die dosierte Zuführung von Know-how, Kapital und Netzwerkpartnern. Dabei zeigt sich insbesondere Kapital als sehr wirksamer Moderator – es kann die Kettenreaktion stark beschleunigen (hohes Investment) oder aber auch gänzlich zum Abbruch bringen (gar kein Geld). Auch wenn weder Wasserstoff, Graphit oder Natrium eingesetzt werden, auch hier muss die Chemie stimmen.

Bleiben wir noch ein bisschen bei der Technik. Die Betriebsphasen der Brenn-elemente werden gemeinhin mit Anglizismen wie „seed“, „growth“, „maturity“ und „exit“ beschrieben. Wobei mit Seed schon der Keim, mit Exit aber nicht der Notausgang gemeint ist. Und die Brenn-elemente, die jungen Unternehmen, die für ihr Vorhaben brennen, tragen den Begriff – na logisch… Start-ups. Auch hierzulande ist mittlerweile ein regelrechter Hype entstanden, und der Begriff „Start-up“ (nicht aber das Thema an sich) inzwischen mindestens so abgenutzt wie „Innovation“.

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Gründerland Deutschland

Eigentlich ist dieses Treiben so neu für unser Land ja nicht, denn wir waren im Grunde schon immer ein Gründerland. Oder woher kommt unser (noch) gesunder Mittelstand? Und warum findet sich der Begriff „Gründergeist“ so nicht im Englischen wieder? Dennoch ist da natürlich noch viel Luft nach oben – beispielsweise im Umgang mit dem Scheitern. Stichwort Fehlerkultur. Oder insbesondere, was den Mut zum kontrollierten (Unternehmer-)Risiko angeht – dem Wagnis, Neuem eine Chance zu geben. Das behagt der auf maximale Sicherheit getrimmten deutschen Volksseele eben nicht wirklich – egal, ob Bank oder Bürger.

Geld ist ja (neuerdings) da, aber was tun, wenn Bundesschatzbriefe keine Rendite mehr abwerfen und dem Sparkonto Strafzinsen drohen? Optionsscheine und Immobilienfonds? Vielleicht. Aber wie wäre es denn, in Brennelemente und Brüter neuer Bauart zu investieren? Denn ihr Betrieb und Ausbau sind auch in den nächsten Jahren alternativlos. Das ist so sicher wie die Halbwertszeit von Caesium137.
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