„Guten Flug“: Zwischen Ganzkörperscanner und Massentierhaltung

Martin Mahn

Martin Mahn ist Geschäftsführer der Tutech Innovation und der Hamburg Innovation. Foto: Tutech

Ich bin längere Zeit nicht mehr interkontinental geflogen. Und ich habe es auch nicht wirklich vermisst. Es hat sich in den vergangenen vier, fünf Jahren nicht so viel verändert. Nichts Überraschendes zumindest. Die Flughäfen sind noch voller, die Flüge selber auch – die Slots noch enger und die Sitze ebenso. In der Economy ist Arbeiten nun gar nicht mehr möglich. Kippt der Sitz vor mir in Schlafposition, kann ich mein Notebook nicht mehr aufklappen. Da nützt mir dann die LAN-Buchse in der Rücklehne auch wenig. Extended Leg Room oder Business auf Langstrecken ist nur noch für den Preis eines  Kleinwagens zu haben. Weniger Komfort, weniger Service, dafür aber höhere Preise, das Geschäftsmodell funktioniert – mangels Alternativen – trotzdem.

Aber warum so wenig Innovation? Drei Vermutungen drängen sich auf. Erstens: In der Branche wird nach wie vor gutes Geld verdient. Zweitens: Die Sicherheitsanforderungen und die damit verbundenen Zulassungsprozesse bremsen. Drittens: Die Zyklen der Erneuerung sind mit rund 15 bis 20 Jahren Betriebsdauer einer Maschine sehr lang. Alle drei Aspekte führen dazu, dass sich die Luftfahrtbranche mit disruptiven Neurungen schwer tut. Da könnte Hamburg – als drittgrößter Luftfahrtstandort der Welt – seine Chancen nutzen. Neue Konzepte in der Luft wie am Boden sind gefragt. Neue Materialien und Fertigungsprozesse, bessere Kraftstoffe und Antriebe, alternative Air-Ports und Mobilitätsansätze im Luftraum werden gebraucht. Denn auch von der inzwischen eigentlich allgegenwärtigen Digitalisierung ist für den Reisenden wenig bis nichts zu sehen.

Gut, mit einem RCR-Code auf dem Handy boarden ist fein, aber auch schon ein alter Hut. Die Technik an Bord (zumindest die für den Passagier sicht- und nutzbare) ist gefühlt immer noch auf dem Entwicklungsstand von vor zehn Jahren. Inzwischen fliegen moderne A350 mit ersten bionisch konstruierten und 3D-gedruckten Kabinenhaltern (übrigens eine Hamburger Entwicklung), aber das nehme ich als Passagier nun eher weniger wahr. Dafür umso mehr die steigenden Delays. Der Air Traffic nimmt zu, und wir haben – obwohl seit den 90ern in Diskussion – immer noch keinen Single Sky in Europa. Dafür (und hier zeigt sich, Krisen sind immer ein Treiber von Innovation) kann ich an inzwischen vielen Flughäfen die Immigration Control per Gesichtsscanner absolvieren, sofern ich einen biometrischen Pass habe und der inzwischen gewachsene Vollbart mir nicht einen Strich durch die Rechnung macht. Und werde beim Sicherheitscheck durch einen Ganzkörperscanner auf potenzielle Gefahren hin durchleuchtet. Dem entgeht nichts.

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Das System Mülltonne

Schade nur, dass sich viele Passagiere noch immer nicht merken können, was sie an Bord nehmen dürfen und was nicht. Menschlich eben. So wandern nach wie vor sündhaft teure Parfumflakons, wertvolle Körperlotionen und elegante Aftershaves unter bitterlichen Tränen unerbittlich in die bereitgestellte Mülltonne. Aber in den immer vornehmer werdenden Airport-Shopping-Areas kann ja jederzeit Nachschub beschafft werden. Das kurbelt das Geschäft an. Böse, böse, wer hier etwa ein System vermutet. Auch habe ich hier inzwischen, wie in den Malls überall auf der Welt, die Auswahl aus unzähligen Coffee Shops, die gefühlt jeweils 50 Kaffeevarianten anbieten. Nur dauert der Bestellprozess mit dem Durchdeklinieren der Optionen für mein Heißgetränk inzwischen so lange, dass mir – last Call to Gate – leider keine Zeit mehr zum Trinken bleibt.

Ich würde es deshalb sehr begrüßen, wenn sich denn mal wieder mehr mit dem eigentlichen Thema beschäftigt werden würde. Nämlich dem Fliegen. Wie man es einfacher, angenehmer, umweltfreundlicher, wirtschaftlicher und vielleicht auch schneller machen kann. Denn das mit dem Teleportieren liegt ja doch noch in ferner Zukunft. Und auch virtuelle Meetings über Facetime, Whatsapp, Skype oder was auch immer, werden ein reales Treffen weder heute noch morgen ersetzen können. Um in einer globalisierten Gesellschaft und Wirtschaft persönlich zueinander zu kommen, werden wir also noch eine Weile fliegen (müssen). Hoffentlich, ohne dass ein Flug immer weiter zur temporären Massentierhaltung verkommt.

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