Was ist das, was macht sie
und wie gehen wir damit um?
Von Thorsten Wefelmeier
Die Zukunft vorherzusagen oder zu wissen, ob sich Entscheidungen, die wir heute getroffen haben, morgen als richtig erweisen, ist ein ewiger Menschheitstraum. Schamanen haben Hühnerknochen in die Luft geworfen, Druiden Geister befragt und skurrile Damen Kaffeesatz gelesen – alles immer mit dem Ziel, heute zu wissen, was morgen geschieht, also eine Prognose zu erstellen. Dieses Ziel, einen Blick in die Zukunft zu werfen und Entscheidungen in Erwartung zukünftig eintretender Ereignisse treffen zu können, hegen wir wie eh und je. Wir waren ihm allerdings noch nie so nah.
Das Zeitalter der Digitalisierung schenkt uns ganz neue Instrumente. Hühnerknochen werden durch historische, belastbare Daten ersetzt. Statt einer Geisterbefragung greifen wir auf beweisbare mathematische Algorithmen und natürliche Gesetzmäßigkeiten zu. Anstelle des Kaffeesatzes bedienen wir uns scheinbar unbegrenzter Rechenkapazitäten und immer neuer IT-Technologien.
Künstliche Intelligenz (KI) ist also, sehr vereinfacht ausgedrückt, nichts anderes als das maschinelle Erstellen von Prognosen, Trends und Vorhersagen.
Aber wie funktioniert das mit der KI?
Hier bietet sich ein Vergleich mit der Einführung der Industrieroboter in Fertigungsprozessen an. Bei deren Entwicklung wurden die menschlichen manuellen Arbeitsabläufe analysiert und in mechanische Schritte „übersetzt“. Mithilfe der Sensorik des Roboters wurden menschliche Sinneswahrnehmungen wie zum Beispiel das Sehen nachgebildet. Die Entwicklung einer KI funktioniert nach einem ähnlichen Schema: Menschliche Denkabläufe werden analysiert und in mathematische Modelle übertragen. Statt mechanischer Komponenten kommen Computer zum Einsatz. Daten spiegeln den für menschliche Prognosen erforderlichen Erfahrungsschatz wider.
„Bin ich persönlich betroffen?“
Die mechanische Automatisierung hat die Arbeitswelt von gestern maßgeblich verändert. Man muss kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass die verstärkte Nutzung der KI auch für die Welt von morgen Veränderungen mit sich bringen wird. Die damit verbundenen Fragestellungen „Was wird sich ändern? Wie wird es ablaufen? Bin ich persönlich betroffen?“ sind gestern wie heute nahezu identisch. In Bezug auf die mechanische Automatisierung kann man diese Fragen nachträglich beantworten. Wir haben hier Erfahrungswerte, und ein Großteil des Veränderungsprozesses ist Vergangenheit.
In Bezug auf die KI verhält es sich anders. Es geht Richtung Zukunft, und wir stehen erst am Anfang eines Entwicklungsprozesses. Somit fehlen uns die Erfahrungswerte, um verlässliche Zukunftsszenarien zu skizzieren.
„Was kostet es? Was bringt es?“
Erschwerend kommt hinzu, dass die unternehmerische Frage nach dem „Return of Invest“ in der Regel auch nur unzureichend beantwortet werden kann.
Neue Technologien erfordern neue Denkmuster. Die (IT-)Welt von morgen lässt sich nicht mehr nur durch die Unterscheidung in 0 und 1 oder Schwarz und Weiß erklären. Die zukünftige Welt kennt Schattierungen von Grau und Wahrscheinlichkeitsquoten zwischen
0 und 100. Man muss neu und anders denken lernen – das ist ungewohnt und unbequem. Als Belohnung erschließt sich eine neue, eine andere Welt. Natürlich gibt es auf dem Weg dorthin Unsicherheiten und Hindernisse. Aber es wird sich zeigen, dass sich diese erfolgreich lösen lassen. Diese Schritte zu wagen und sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen, ist allemal erfolgversprechender, als auf Hühnerknochen und Kaffeesatz zu vertrauen.
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Thorsten Wefelmeier ist seit mehr als 25 Jahren als Unternehmensberater im Bereich der betrieblichen Prozessoptimierung tätig (siehe auch Seite 31).
Kontakt: 0151/50427300
Web: www.sequence6.de