Kolumne Sturmerprobt & unerschrocken – Von Steffen Moldenhauer (zertifizierter Restrukturierungs- und Sanierungsberater)
Unternehmen, die aufgrund der Corona-Effekte unverschuldet in finanzielle Schieflage geraten, sollen mit zahlreichen Unterstützungsmaßnahmen gestärkt werden, um Insolvenzen zu vermeiden. So die Koalitionspartner in ihrem Ergebnispapier des Koalitionsausschusses vom 3. Juni 2020. Zeit, das Paket einmal genauer anzuschauen und seine Folgen zu verstehen. Da wir jetzt schon aus Gesprächen mit Unternehmern sehen, dass die angestrebte Mehrwertsteuersenkung für sechs Monate mehr Verwaltungs- und IT-Kosten verursachen wird, als den Konsum anzutreiben, fokussiere ich mich hier auf die Corona-Hilfen für den Umsatzausfall von Unternehmen.
Unter Punkt 13 des Konjunkturpaketes wird zur Sicherung von kleinen und mittelständischen Unternehmen für Corona-bedingten Umsatzausfall ein Programm für Überbrückungshilfen angekündigt. Das Programm wird auf 25 Milliarden Euro begrenzt und die in Aussicht gestellten Hilfen für die Monate Juni bis August 2020 gewährt.
Wenn man bei der Antragstellung die Hürden genommen hat, werden bis maximal 80 Prozent der fixen Betriebskosten erstattet. Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten erhalten dann bis zu 9000 Euro, bei bis zu zehn Beschäftigten sind es 15 000 Euro. Das reicht bei vielen Unternehmen noch nicht einmal für die monatlichen Leasing- oder Kreditverbindlichkeiten, geschweige denn für die Kosten, die eine Krisensicherung und krisenbedingte Neuausrichtung des Geschäfts bedarf.
Kompliziert, teuer und zeitaufwändig
Dass die zugrunde liegenden betrieblichen Zahlen von Steuerberatern beziehungsweise Wirtschaftsprüfern zu prüfen und zu bestätigen sind, macht das Ganze noch komplizierter, teurer und zeitaufwändiger: Die meisten Unternehmen in der Zielgruppe sind mit ihren Finanzzahlen nicht so aktuell wie börsennotierte Konzerne. Unsere Erfahrung bei unseren Kunden in der Zielgruppe hat gezeigt, dass viele Unternehmer von ihren Steuerberatern nur einmal am Ende des Quartals Zahlen erhalten – und das auch oft nur mit deutlichem Zeitverzug.
Offensichtlich hat die Politik hier schon mit Herausforderungen gerechnet. Daher endet die Antragsfrist für Hilfsmittel, die die Unternehmer als fixe Betriebskosten im Zeitraum Juni bis August 2020 zahlen müssen, am 31.08.2020. Wenn dem Antrag dann nach Prüfung zugestimmt wird, können die Unternehmer bis zum 30. November 2020 mit der Überweisung rechnen. Mittel, wohlgemerkt, die sie als Betriebskosten im Juni bis August benötigt haben. Und das Ganze bei Unternehmen, denen oft schon aufgrund der Umsatzeinbußen aus den Monaten März bis Mai 2020 das Wasser bis zum Hals steht und deren Liquidität bereits aufgebraucht ist.
Ich vergas zu erwähnen, dass die hierfür eingeplanten 25 Milliarden Euro aus dem bestehenden, aber nicht ausgeschöpften Soforthilfeprogramm stammen. Hier hatten viele Solo-Selbstständige, Kleinst- und Kleinunternehmen bereits erfolglos auf Unterstützungsleistungen gehofft, die sie hier nicht erhalten konnten, da ihre fixen Betriebskosten so gering sind und der Unternehmer-Lohn nicht (realitätsnah) eingerechnet werden darf.
Die „Bazooka“ schießt daneben
Offensichtlich ist man sich auf Seiten der Politik schon jetzt im Klaren, dass es bald viele Insolvenzen geben wird, da die eingeleiteten „Bazooka“- und „Wumms“-Maßnahmen deutlich am Ziel vorbeischießen. Gerade Kleinst- und Kleinbetriebe sowie Solo-Selbstständige werden massenweise Insolvenz beantragen müssen, da weder die Sofortmaßnahmen, noch die jetzt aufgezeigten Hilfen für sie passen, und trotz medialer Lobpreisung auf eine Vermögensprüfung (meist) nicht verzichtet wird. Konkret: Die betriebliche Wirklichkeit lässt sich bis jetzt nicht mit den Förderrichtlinien der Programme überein bringen.
Meine Prognose: Nach dem 30. September 2020 ist also mit einer hohen Zahl an Insolvenzen zu rechnen. Dass dies die Politik auch so sieht, zeigen die angestrebten Erleichterungen für einen Neustart nach einer Insolvenz. Was hier so blumig ausgedrückt wird, soll vor allem natürliche Personen mit einem verkürzten Entschuldungsverfahren unterstützen. Im Klartext: Hier handelt es sich dann um unschuldig in die Existenzkrise geratene Unternehmer, deren Lebenswerk durch fehlende oder falsche Corona-Hilfen zerstört wurde. Ich habe den Eindruck, dass die Politik die Zerstörung der mittelständischen Unternehmerkultur billigend für eine mediale Lobeshymne in Kauf nimmt.
Die Verfahren für eine Erleichterung sollen für natürliche Personen (also nicht für Kapitalgesellschaften) gelten. Insolvenzen bei natürlichen Personen bedeuten aber, dass erst das komplette vorhandene Vermögen aufgebraucht sein muss. Also die private Altersvorsorge, eventueller Immobilienbesitz, Steuerrücklagen und so weiter. Dass diese Personengruppe später aufgrund fehlender Kreditwürdigkeit („Sie waren ja schon mal insolvent . . .“) keine Kredite mehr für einen Neuanfang bekommen werden, hat man wohl auch übersehen – oder unsere Politiker nehmen dies ebenfalls billigend in Kauf.
Übrigens: Wir reden hier von einer „Randgruppe“ von knapp drei Millionen Solo-Selbstständigen – Kleinst- und Klein-Unternehmer sowie Künstler – die oft wesentliche Innovationstreiber für die Digitalisierung in Deutschland sind.
Über den Autor: Steffen Moldenhauer ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung STRATEGY PIRATES® GmbH & Co. KG. Als zertifizierter Restrukturierungs- und Sanierungsberater (FH Heidelberg) ist er derzeit regelmäßig mit den Corona-Herausforderungen und -Enttäuschungen von Unternehmern konfrontiert. Er steht für Unterstützung oder eine, gern kontroverse, Diskussion jederzeit unter captain@strategy- pirates.de zur Verfügung.