INTERVIEW Wolfram Birkel über eine ungewöhnliche Segeltour um die ganze Welt.
Wolfram Birkel, langjähriger Geschäftsführer und Inhaber des hit-Technoparks in Harburg, lebt seinen Traum. Der 70-Jährige genießt mittlerweile sein Rentner-Dasein und segelt seit fast zweieinhalb Jahren mit seiner Lebenspartnerin Marret Koll um die Welt. Fünf „Lebenszeichen“ haben die beiden in dieser Zeit von Bord der RED CAT an Business & People geschickt und von ihren Abenteuern fernab der Zivilisation berichtet. Jetzt liegt die Yacht in Auckland. Das Paar nutzt die durch plötzlich auftretende Zyklone im neuseeländischen Sommer begründete Zwangspause zu einem dreimonatigen Heimaturlaub. Mit B&P-Redakteur Wolfgang Becker sprach Wolfram Birkel über seine Erfahrungen an Bord, über die paradiesische Inselwelt von Polynesien, den Aufenthalt im medialen Vakuum und seine weiteren Pläne.
Wie lange sind Sie jetzt eigentlich schon unterwegs?
Fast zweieinhalb Jahre. Wir sind im September 2013 gestartet.
Und wie viele Seemeilen haben Sie bislang zurückgelegt?
26 000
Das ist bereits jetzt viel mehr, als Sie ursprünglich mal geplant hatten . . .
Ja, das stimmt. Ursprünglich hatten wir nur vor, mal in die Karibik zu fahren. Und ich hatte mit Marret Koll eine neue Lebenspartnerin gefunden, nachdem ich einige Jahre allein gelebt hatte. Da wussten wir noch nicht, wie wir uns auf so einem kleinen Schiff vertragen würden. Aber das ist mittlerweile alles gut – und so haben wir beschlossen, dass wir weiterfahren. Der Pazifik ist so fantastisch. Wir sind in diesem Jahr nur im Pazifik gewesen. Am 1. März sind wir durch den Panama-Kanal und nur dort gewesen. Das ist so toll dort, dass wir beschlossen haben, 2016 noch eine Runde zu drehen.
Also irgendwo zwischen Südamerika und Australien – das ist ein riesiges Gebiet. Was fasziniert Sie dort am meisten?
Die Inselwelt und die Art, wie die Menschen dort leben. Es gibt im Pazifik drei Typen von Inseln. Die meisten gehören zu Französisch Polynesien – Polynesien ist so groß wie Europa vom Atlantik bis zum Ural. Aber fast nur Wasser. Wenn wir das mal zu Frankreich hinzuzählen, ist Frankreich der drittgrößte Staat der Welt. Die Inseln gehören ja nach wie vor zu Frankreich. Die Menschen dort haben einen vollwertigen französischen Pass. Eigentlich gehört es sogar zur EU . . .
Dann waren Sie ja sozusagen auf heimischen Gelände.
Ja, wir EU-Mitglieder können uns dort niederlassen. Genau wie die Franzosen.
Das ist ja mal ein richtiger Geheimtipp.
Ja! Sie müssen nur anständig Französisch sprechen. Im Ernst: Wenn Sie irgendwo das Paradies suchen, dann ist es dort. Die Früchte wachsen Ihnen vom Baum in den Mund. Die Leute dort sind so freundlich.
Wenn Sie dort als Deutscher mit einer großen Segelyacht ankommen, wie werden Sie aufgenommen? Spielt Nationalität überhaupt eine Rolle?
Die Leute freuen sich schon. Es sind viele Franzosen unterwegs, aber eigentlich alle Nationalitäten. Deutsche sind nicht so häufig vertreten. Es gibt in dem Gebiet viele Charterschiffe – meistens sind Europäer in den Gewässern anzutreffen. Ich habe das vor 15 Jahren schon mal für 14 Tage gemacht, deshalb kannte ich das ja.
Waren Sie bis vor Ihrem Heimaturlaub in der Inselwelt unterwegs?
Nein, in Neuseeland.
Als der Anschlag in Paris passierte, haben Sie das mitbekommen?
Das ist ein Punkt, den wir nicht haben: Kommunikation. Ob das gut oder schlecht ist, lassen wir mal dahingestellt. E-Mails funktionieren akzeptabel, aber Nachrichten oder Internet – da herrscht teilweise Vakuum. Also dort gibt es nichts. Wenn, dann können wir über Satelliten kommunizieren – aber das ist so teuer. Wenn Sie im Internet via Satellit recherchieren, dann finden Sie die Informationen ja nicht gleich auf der ersten Seite, sondern Sie müssen vielleicht fünf oder sechs Seiten öffnen. Alle vollgestopft mit Grafik. Wenn Sie die öffnen, sind sie gleich hunderte von Dollar los. Also das machen wir nicht.
Wenn jemand mehrere Jahre auf der Welt unterwegs ist, oft fernab der Zivilisation, wie ist das für einen Mann wie Sie, der als Unternehmer immer an vorderster Front aktiv und stets gut informiert war?
Gut! Es geht tatsächlich auch ohne. Sagen wir mal so: Die Nachrichten sind eigentlich immer die gleichen. Wissen Sie: Wenn Sie irgendwo hinfahren und dort gibt es kein Internet, dann ist das eben so. Viel schlimmer ist es, wenn Sie auf den kleinen Inseln in einen Supermarkt gehen, den ich allenfalls als Kiosk bezeichnen würde, und alle Regale sind leer. Dann können Sie nichts einkaufen. Und auf Nachfrage heißt es dann, das nächste Schiff kommt in zwei Wochen.
Das Leben ist also völlig entschleunigt . . .
Ja, die Leute sind völlig entspannt. Die leben einen anderen Stil. Ich will damit nicht sagen, dass ich immer so leben wollte, aber es tut der Seele gut. Es führt auf der anderen Seite dazu, dass die Insulaner in Neuseeland, einer sehr arbeitssamen Gesellschaft, als Arbeitskräfte nicht gern gesehen sind. Die sind einfach zu entspannt.
Sie haben auf Ihrer Reise sehr viele Eindrücke gewonnen. Wie verarbeiten Sie das alles, wird da nicht irgendwann ein Sättigungsgrad erreicht?
Da sprechen Sie ein Thema an. Ich sage mal ein Beispiel: Wenn wir Fotos aufgenommen haben, dann kommt es schon mal vor, dass mich meine Partnerin beim Durchschauen fragt, ob ich noch weiß, wo das war. Es sind in der Tat unheimlich viele Eindrücke. Eigentlich zu viele, aber wenn man von einem Archipel zum nächsten segelt, dann sind das oft sehr große Entfernungen. Da sehen Sie tagelang nur Wasser. Und sonst nichts. Das ist dann der Ausgleich.
Auf so einer Reise über die Meere ist die Crew allen Eventualitäten des Wetters ausgesetzt – hatten Sie mal kritische Situationen? Stürme?
Nein. Wir haben eine ständige Wetterberatung aus Kiel. Ansonsten müssen wir aufpassen. Diese Atolle zum Beispiel sind flach. Sie haben 3000 Meter Tiefe und plötzlich sitzen Sie da drauf. Und das bei Nacht, da muss man sehr aufpassen. Aber wettertechnisch hatten wir bislang keine Probleme. Der Grund, warum wir jetzt drei Monate Pause machen, ist die Cyclon-Season. Dort unten vor Neuseeland treten starke Wirbelstürme auf, allerdings weiß man nie, wo und wann. Deshalb liegt unser Schiff jetzt sicher im Hafen in Auckland.
Sie sind mit drei Personen an Bord: Sie, Marret Koll und Alex . . .
. . . unser Ingenieur, wie ich sage. Alex haben wir eingestellt. Er betreut das Boot, achtet auf die Technik und die Versorgung, beispielsweise mit Frischwasser.
Hatten Sie häufig Besuch an Bord?
Ja, es kommen immer mal wieder Freunde, die uns ein Stück begleiten. Von Fidschi nach Neuseeland hatten wir einen Hamburger dabei. Und ein Hamburger Ehepaar war schon vier Mal dabei.
Das klingt nach einem harmonischen Leben an Bord.
Das muss so sein, sehen Sie: Auf so einem Schiff ist der Lebensraum ja sehr begrenzt. Da kann man ja nicht einfach weg.
Wie lange wollen Sie noch weiter über die Meere segeln?
Vielleicht so zwei bis drei Jahre.
Schaffen Sie es, einmal rund um die Welt zu reisen?
Das haben wir vor. Wir sind ja erst halb rum. 2016 wollen wir zunächst noch einmal in den Pazifik, dann wahrscheinlich im darauffolgenden Jahr nach Australien, weiter in den Indischen Ozean, nach Madagaskar, um Südafrika herum und rüber nach Südamerika. Ich möchte gern nach Argentinien. Dann wieder rauf in die Karibik. Und dann müssen wir mal sehen, ob wir zurückkommen.