„Wer braucht eigentlich im Dezember Spargel aus Chile?“

B&P: Ist die ständige Vergrößerung von Tierställen notwendig, müssen die Tierbestände ständig erweitert werden?

Knabbe: Ja. Zunächst einmal sind die vielen Auflagen, die durch Politiker, Gutachter, Gerichte und Verwaltung erteilt werden, nur mit neuen Ställen machbar. Die immer teurer gewordenen Baukosten, Forderungen und Auflagen können folglich nur bei mehr Tieren pro Bauvorhaben, also einer halbwegs vernünftigen Kostendegression aufgefangen werden. Zusätzlich sind die möglichen Einkommensanteile oftmals so geplant, dass ein Mitarbeiter, entweder aus der Familie oder angestellt, ein Einkommen erzielen kann und eine zeitgemäße Arbeitssituation entsteht. Wird das vernachlässigt, wird er Beruf unattraktiv.

B&P: Kommt der Tierschutz, wie von Kritikern behauptet, dabei zu kurz?

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Knabbe: Ich unterscheide Artgerecht, Tiergerecht und Wesensgerecht. Wir Landwirte können nur Tier- und Wesensgerecht – das bedeutet Futter und Tränkewasser, Schutz vor Witterung wie Kälte, Regen und auch Hitze, Schutz vor Krankheiten, Seuchen und Verletzungen, genügend Platz und Gruppen, die eine normale Entwicklung ermöglichen. Das ist für jedes einzelne Tier wichtig und unabhängig von der Stallgröße. Und moderne Ställe können das nun mal wesentlich besser als das, was früher auf der Diele eines niedersächsischen Fachwerkhauses war. Romantik ist da fehl am Platze.

B&P: Wieviele Tiere gibt es in der Stader Landwirtschaft insgesamt?

Knabbe: Nach der landesweiten Statistik, ergänzt um die Weiterentwicklung der letzten Jahre, gibt es insgesamt mehr als 110 000 Rinder im Landkreis Stade, darunter 42 000 Kühe. Schweine werden vom Ferkel bis zum Mastschwein insgesamt etwa 150 000 gezählt, und bei Hühnern werden statistisch insgesamt 1,9 Million Tierplätze angegeben.

B&P: Wie schätzen Sie die europäische Agrarreform ein?

Knabbe: Meiner Meinung nach gehen viele Auflagen, Kontrollen und Datenmeldungen zu Lasten der tatsächlichen Notwendigkeiten, sich mit Vieh und Pflanze immer intensiver zu beschäftigen und einen Wissensvorsprung zu erarbeiten. Da kommt dann einfach eine politische Forderung, wie ein Zwischenfruchtanbau förderfähig ausgestaltet sein muss. Das ist – mit Verlaub – der Einstieg in die Planwirtschaft.

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B&P: Welche Besonderheiten gibt es in der niedersächsischen Agrarpolitik?

Knabbe: Wir wünschen uns mehr Wirtschaftsdenken im Dialog mit der Landesregierung – Landwirtschaft ist, egal ob konventionell oder bio, nur zukunftsträchtig, wenn die arbeitenden Menschen ihr Einkommen damit verdienen können. Die andauernden Vorwürfe gegen moderne Landwirtschaft sind fast immer einseitig, verzerrt in der wissenschaftlichen Bewertung und werden im Wochentakt den Medien präsentiert. Wirklich konstruktive Ansätze entstehen anders: durch Forschen, Fördern und Sich im Markt behaupten. Da sehe ich zu wenig konkrete Ansätze. Am Ende ist Niedersachsen das Agrarland Nummer eins aufgrund der Leistung der Bauernfamilien, der zuliefernden Firmen, der verarbeitenden Unternehmen, der innovativen Konstrukteure und Berater – und nicht aufgrund einer gewählten Landesregierung.

B&P: Welche Feldfrüchte werden im Kreis Stade auf wieviel Hektar angebaut?

Knabbe: Während die 32 000 Hektar Grünfläche nur durch den Rindermagen zu Milch und Rindfleisch für uns Menschen nutzbar werden, sind auf dem Acker viele Kulturpflanzen vorhanden. Nach cirka 20 000 Hektar Mais sind es 12 000 Hektar Getreide, 2700 Hektar Winterraps, 1500 Hektar Kartoffeln und leider nur noch 800 Hektar Zuckerrüben. Nicht vergessen sollten wir aber weitere 1200 Hektar mit sonstigen Kulturen, vom Spargel über Erdbeeren bis zu Weihnachtsbäumen.

B&P: Welche Rolle spielt Biogas für die heimische Landwirtschaft?

Knabbe: Die Anreize der Klimaschutzpolitik mit dem EEG haben hier 31 Anlagen entstehen lassen, die von Landwirten, oft auch in Gemeinschaft, betrieben werden. Da inzwischen viele Anlagen auch Wärmenetze in Wohngebiete haben, gehe ich von einem guten Miteinander aus. Und mal ehrlich: Sichtbehinderung durch Maisfelder im August und September ist doch kein diskussionswürdiges Thema. Den Wald sehe ich doch auch vor lauter Bäumen nicht. In vielerlei Hinsicht ist der Maisanbau umweltschonender als einige andere Früchte. Und 75 Prozent der Maismenge im Landkreis wandert in die Milchviehställe – aber welcher Betrachter sieht das schon dem Mais an?

B&P: Was macht die Faszination aus, Landwirt zu werden?

Knabbe: Mit Sicherheit die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, aber auch die Prägung durch eine lange Tradition in den Familien, mit Land, Obst oder Vieh zu wirtschaften und zu leben. Dann gibt es noch die Technikbegeisterten, die Kuhverliebten und die Wettbewerbsverrückten . . . na, und jedes Jahr verläuft anders.

B&P: Gibt es genügend Nachwuchs?

Knabbe: Ja! 600 ausgebildete Land-wirtschaftsmeister in 50 Jahren, jedes Jahr bis zu 30 Auszubildende im Landkreis und stabile Ausbildungszahlen in Niedersachsen – auch viele junge Frauen. Auch eine Frage der Faszination! Oder in welchem anderen Beruf können Sie eine Kuh kalben und Pflanzen wachsen sehen, eine reife Ähre in der Hand halten und Jahreszeiten erleben, beim Wachsen und Gedeihen dabei sein?