INTERVIEW Zwischen Kundenwunsch und Kreativität – Christoph Frenzel über den Markt, den Stadtvillen-Trend, den Investorenmut, die Hafen-City und neue Konzepte
Architektur ist ein Thema, an dem sich manchmal die Geister scheiden. Dabei geht es häufig weniger um die technische Seite, sondern vielmehr um die optische – denn Geschmack hat bekanntlich jeder. Was also ist gute Architektur? Die, die jedermann gefällt? Die, die die Menschen ins Gespräch bringt? Oder die, die zukunftsweisende Lösungen bietet? B&P-Redakteur Wolfgang Becker sprach mit Christoph Frenzel.
Wenn Sie die Architekturszene allgemein betrachten, ist da in der heutigen Zeit Mut vorhanden, Neues zu wagen? Oder überwiegt der Druck, sich konservativ zu verhalten?
Grundsätzlich geht es schon, Neues zu wagen, aber eben sehr vorsichtig und zurückhaltend. Es fehlt Bauherren, Investoren und Stadtplanern manchmal etwas an Mut. Mir fallen einige Projekte ein, die wir präsentiert haben, dann aber zum Erreichen einer Einpassung ins Umfeld konservativer gestalten mussten. Für uns wäre in so mancher
Situation modernere, vielleicht auch provokante Architektur ein bisschen wertvoller, als sich zurückzunehmen.
Gerade in neuen Wohngebieten herrscht nicht selten eine gewisse Konformität vor. Da planen verschiedene Bauträger und Architekten modernen Wohnungsbau und am Ende gleicht ein Haus konzeptionell dem anderen. Zweifellos alle schick und durchdacht, aber das wirft doch die Frage auf, ob es keine neuen Einfälle mehr gibt – wie sehen Sie das?
Oft liegt der Grund in stadtplanerischen Vorgaben, die – zweifellos zum „Wohle aller“ gut gemeint – versuchen, diese gewisse Konformität herzustellen, woraus Innovation aber nur schwer erwachsen kann. Um andere Architektur zu bekommen, müssten vielleicht auch mal andere Baufenster zugelassen werden. Wir haben es heute vielfach mit den sogenannten Stadtvillen zu tun. Dieser Begriff ist historisch eigentlich positiv besetzt, aber so langsam bekommt er etwas Negatives. Zwei Geschosse, oben ein zurückgesetztes Staffelgeschoss, oben weiß verputzt, unten Verblender – fertig, konform. Na klar, wir sind Dienstleister und dienen den Investoren – die oft sagen, das sei das, was der Kunde will. Meiner Meinung nach wird aber leider oftmals das, was der Kunde kennt, mit dem gleichgestellt, was der Kunde will – wenn nicht sogar verwechselt. Dieses Spannungsfeld zu beleuchten, zu hinterfragen und zu interpretieren, kann gute Architektur entstehen lassen – nur geschieht dies zu selten. Stattdessen wird der vermeintliche Wille in der Masse vervielfacht und zum Trend. Bis dann mal wieder jemand den Mut hat, etwas Neues zu etablieren, das dauert. Wenn wir uns erinnern: Das Staffelgeschoss kam vor zehn, zwölf Jahren auf, und alle dachten: Wie modern! Jetzt brauchen wir wieder den Mut, etwas Neues zu machen. Wir haben mal etwas in polygonal entworfen – da kommt dann sofort die Frage: Herr Frenzel, liefern Sie auch die Schränke dazu? Da sage ich: Gerne! Die machen wir auch!
Es gibt offensichtlich eine Kluft zwischen dem, was sich der Architekt denken kann, und dem, was der Investor für marktgängig hält – fehlt den Auftraggebern hier der Mut?
Ich wünsche mir natürlich immer einen Auftraggeber, der um die Ecke kommt und sagt: „Herr Frenzel, es ist soweit. Hier haben wir ein Grundstück, und da ist sogar ein ganz tolles Baurecht drauf. Machen Sie mal . . .“
Leidet der Architekt manchmal darunter, dass er eine Superidee hat, aber niemand „anbeißt“ und bereit ist, ein vermeintliches Risiko einzugehen?
Das ist so. Wenn man losgeht, seine Idee ganz euphorisch vorträgt und dann ganz schnell auf dem Boden der Tatsachen ankommt, dann stellt man sich auf dem Heimweg die Frage, ob der Bogen überspannt wurde. Aber ich muss sagen: Man wird ruhiger mit der Zeit. Wir würden gern mal gefaltete Dächer bauen, aber bislang ist diese Idee immer wieder gescheitert.
Gibt es ein Gebiet, wo Sie sagen: Da gefällt mir die Architektur richtig gut. Wir haben solche Quartiere im Stader Hafen, im Harburger Binnenhafen und natürlich in der Hafen-City Hamburg, der ja auch schon mal öffentlich „architektonischer Würfelhusten“ attestiert wurde. Ist das aus Ihrer Sicht gelungen?
Mehr faszinieren mich einzelne „futuristische“ Gebäude von Architekten. Die Gebäude regen oft zur Diskussion an und können ihr Umfeld oder ein ganzes Gebiet prägen wie in Hamburg die „Elbphilharmonie“ (Herzog und de Meuron) oder das „Tanzende Haus“ in Prag (Gehry) . . . und nun tanzen schon die Türme in Hamburg (BRT – Bothe, Richter, Teherani). Sowas gefällt mir. Aber auch die Stader Hafen-City gefällt mir sehr – allein den Mut gehabt zu haben, so etwas in unserem Landkreis zu präsentieren. So eine Umsetzung würde ich mir auch für Buxtehude wünschen, wobei der Buxtehuder Hafen dieses Potenzial leider nicht hatte. Aber was nicht ist, kann aber ja noch werden. Zum „Würfelhusten“ in der Hafen-City: Das ist ja eine Gebietsentwicklung von null auf hundert. Die Stadt hat dort eine sehr hohe Kreativität zugelassen, aber eben auch eine sehr hohe Verdichtung. Da finden wir schon tolle Objekte auf eng-stem Raum – aber das bringt auch eine große Unruhe hinein. Wir reisen mit unserem Büro gerne dorthin und lassen uns anregen. Als Architekt sage ich: Ein tolles Gelände, aber ich denke, die Skandinavier und Holländer sind uns da noch ein wenig vorraus.
Sie haben bestimmt auch schon einen Betriebsausflug zur IBA nach Wilhelmsburg gemacht. Was halten Sie von den dort realisierten Zukunftsideen?
Das finde ich sehr spannend! Da kann ja etwas draus werden. Ein Selbstbauhaus oder ein Holzhaus. Diesen Freiraum bekommen wir Architekten ja sonst nicht. Vielleicht haben wir irgendwann mal Energiegewinnung aus Algen. Da steht man als Architekt heute vor dem Algenhaus und sieht eigentlich nur Probleme, aber man muss den Mut haben, so etwas zu entwickeln. Da entwickelt sich etwas Positives daraus. Oder mehrgeschossiger Holzrahmenbau – das sind auch spannende technische Themen. Solche innovativen Entwicklungsbereiche sind sehr reizvoll für Architekten.
Die Zinsen sind nach wie vor historisch niedrig, aber das Bauen ist nicht unbedingt günstiger geworden – haben Sie sich jemals mit einem erschwinglichen Hausentwurf für die nicht ganz so betuchte Familie beschäftigt? Treibt Sie das Thema um?
Ja! Die Planung existiert in meinem Kopf. Wir haben sogar schon teilweise angefangen, so ein Modell zu entwickeln. Aber das Vorhaben eines sozialen Einfamilienhausbaus scheitert an den hohen Grundstückspreisen. Die Renditen im Luxusbereich sind einfach höher. Dennoch sprechen wir über den fehlenden sozialen Wohnungsbau. Ich denke, der Druck muss einfach von den Kommunen und vom Gesetzgeber kommen. Wir haben jetzt auch ein nachhaltiges Konzept für die Unterbringung von Flüchtlingen erstellt. Wir suchen doch günstigen Wohnraum – wieso nicht Flüchtlingsunterbringung mit langfristiger Nachnutzung? Wir haben unser Konzept bereits mehrfach vorgestellt und sind gespannt, wie sich das weiter entwickelt.