Länder wollen Empfehlungen aus der OECD-Studie umsetzen
Von Björn Vasel
Die Metropolregion Hamburg „hat das Potenzial, Weltmarktführer im Bereich der erneuerbaren Energien zu werden“, betonte der stellvertretende Generalsekretär Ludger Schuknecht bei der Präsentation der OECD-Studie zur Metropolregion in Seevetal. Für den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) ist der „Wind der Rohstoff des Nordens“. Die Windkraft und die Wasserstoffwirtschaft müssten gestärkt werden.
Erneuerbare Energien: Beim Wasserstoff liege die Region mit Dow und EVB-Wasserstoffzug im Kreis Stade sowie dem Windkraft-Offshore-Standort Cuxhaven bereits sehr weit vorne, betonte Stephan Weil (SPD) bei der Vorstellung der 199 Seiten starken Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Montag im Veranstaltungszentrum „Burg Seevetal“. Der Bericht der OECD habe die Stärken und Schwächen der Metropolregion Hamburg klar auf den Punkt gebracht, die Wachstumspotenziale in der Wirtschaft würden (noch) nicht ausreichend ausgeschöpft.
Ministerpräsident Weil sieht unter anderem in der weiteren „Ökologisierung der Industrie“ einen Ansatzpunkt. Denn es gelte weiter die Regel: Industrie folgt Energie. So könne Windstrom mit der Hilfe der Wasserstoffelektrolyse in Form von Wasserstoff gespeichert werden, Wasserstoff sei (Stichwort: saubere Mobilität) ein wichtiger Treibstoff der Zukunft. Allerdings müsse jetzt auch der Bund – das Klimapaket sei ein guter Ansatz – den Worten zum Ausbau von Wind- und Wasserstoffwirtschaft endlich Taten folgen lassen. Der Ausbau der Windenergie auf See und (wieder auch) an Land müsse vorangetrieben werden – und verhindert werden, dass noch mehr Arbeitsplätze wegfallen. Schließlich sollen 65 Prozent des Stromverbrauchs bis 2030 aus Wind- und Sonnenenergie stammen.
Hamburgs Staatsrat Andreas Rieckhof (SPD), Vorsitzender des Regionsrates, stieß in dasselbe Horn und kündigte an, dass die Metropolregion das Thema erneuerbare Energien zu einem Schwerpunktthema machen werde: Verstärkt sollen (über anwendungsorientierte Forschung) jetzt innovative Technologien gefördert werden – auch, um einen „aktiven Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel zu leisten“.
Umdenken: Ludger Schuknecht, stellvertretender Generalsekretär der OECD, riet den Vertretern der mehr als 1000 Kommunen und 20 Landkreise der Metropolregion bei der Regionalkonferenz in Seevetal, das Kirchturmdenken zu beerdigen – und grenzüberschreitend zu planen und zu kooperieren. Das Hemmnis müsse weg.
„Darin liegt der Schlüssel, um die Metropolregion erfolgreicher, attraktiver und nachhaltiger zu gestalten“,
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sagte Schuknecht. Sein Rat: Think big. Nur so könne eine im internationalen Kontext erforderliche kritische Masse erreicht werden. Ein Nordstaat sei dafür allerdings „nicht notwendig“, der Föderalismus habe auch Vorteile, so Schuknecht.
Handlungsbedarf: Der OECDVize machte sechs Handlungsschwerpunkte mit teils erheblichem Nachholbedarf aus: bei Innovationsfähigkeit, Bildung, Fachkräftegewinnung sowie Wohnraum- und Verkehrsplanung, bei erneuerbaren Energien und bei Kultur- und Tourismusmarketing. Sein Urteil: Es fließe zu wenig Geld in die Forschung, es gebe zu wenig höhere Bildungsabschlüsse, und die Digitalisierung verlaufe zu schleppend. Das alles habe dazu geführt, dass die Region das geringste Wachstum unter den deutschen Metropolregionen aufweise. Schuknecht schlug unter anderem vor, eine gemeinsame Innovationsagentur zu gründen. Das wollen auch die Länder, so Weil und Rieckhof.
Denn der Austausch zwischen Hochschulforschung und Wirtschaft sei laut OECD noch ausbaufähig. Die Region sei geprägt von klein- und mittelständischen Firmen, diese hätten nicht die finanziellen Ressourcen, um Forschung und Entwicklung sowie Fachkräftegewinnung allein zu stemmen. Deshalb müssten bundeslandübergreifende Cluster, von der Luftfahrt über maritime Wirtschaft, Logistik, Gesundheits- und Lebenswissenschaften bis zu erneuerbaren Energien, geschaffen werden, so Schuknecht. Mehr Forschungseinrichtungen wie die European X-Ray Free-Electron Laser Facility (XFEL) in Hamburg müssten her. Über Wissensaufbau und Wissenstransfer könne die Wirtschaft gestärkt werden. Das gelte auch bei der Unterstützung der Klein- und Mittelunternehmen (KMUs) bei der digitalen Transformation.
Digitalisierung: Beim Thema Digitalisierung will der Ministerpräsident schnell liefern. Laut OECD sei die digitale Kluft zwischen Stadt und Land zu hoch. Bis 2025 werde Niedersachsen flächendeckend mit Glasfasernetzen ausgestattet sein. Doch nicht nur Datenautobahnen müssten ausgebaut werden, auch bei Schiene und Straße hapert es laut OECD.
Verkehr: Die Ländervertreter wollen die Probleme bei Schiene und Straße anpacken – und vor allem den ÖPNV (auf dem Land und in der Stadt) ausbauen. Ein weiterer Schritt, so Weil, könne eine Ausweitung des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) auf die gesamte Metropolregion sein, in der 5,3 Millionen Menschen leben. In den ländlichen Regionen bedarf es laut Schuknecht einer besseren Verkehrsanbindung. Tarifverbund und digitale Mobilitätslösungen könnten helfen, ist die OECD überzeugt. Planung und Umsetzung von Verkehrsinfrastruktur müsse beschleunigt werden; bis Pendler und Reisende neue Straßen und Schienen nutzen könnten, vergehe zu viel Zeit. Beim Güterverkehr sollte eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene gefördert werden.
Tourismus: Die OECD bemängelt, dass es keine gemeinsame Kultur- und Tourismusmarke gebe. Hier stecke noch großes Potenzial.
Planungsverbund: Des Weiteren schlug die OECD vor, einen regionalen Planungsverbund zu schaffen, um eine integrierte Wohnungsbau- und Verkehrsplanung auf den Weg zu bringen, um zukünftig den Anforderungen des Wohnungsmarktes und der Verkehrsentwicklung besser gerecht zu werden und Wirtschaftsprojekte voranzutreiben. Angebot und Nachfrage am Wohnungsmarkt müssten laut OECD besser abgestimmt werden – verbunden mit einer ÖPNV-integrierten Entwicklung. Staatsrat Rieckhof mahnte an, dass das neue Gremium auch eine „Entscheidungskompetenz“ bekommen müsste.
Doch das stößt auf Widerstand. Landrat Michael Roesberg:
„Wir können über viele Vorschläge der OECD reden, aber an erster Stelle müssen wir die täglichen Verkehrsprobleme lösen. Die Menschen in der Metropolregion erwarten da klare Antworten, die zuerst von den Ländern zu beantworten sind. Alles andere kommt danach.“
Die Gründung eines Planungsverbundes als neue metropolweite Institution werde mit den Kreisen nicht zu machen sein, „damit wird kein Kreistag einverstanden sein können“.
www.oecd.org