Vom Versorger zum Erzeuger

Foto: Stadtwerke BuxtehudeDie Energieversorger müssen umsatteln und zu Erzeugern werden, sagt Stefan Babis, Geschäftsführer der Stadtwerke in Buxtehude. Das Unternehmen teilt sich gemeinsam mit der Bürgerenergie Buxtehude und Windstrom bereits einen eigenen Windpark in Daensen und sucht dringend weitere Flächen. || Foto: Stadtwerke Buxtehude

B&P-GESPRÄCH mit Stefan Babis, Geschäftsführer der Stadtwerke in Buxtehude – Er plädiert in der Krisensituation für eine umfassende Energiespar-Aktion und setzt auf neue Geschäftsmodelle.

Die aktuelle Situation auf dem Energiemarkt fordert nicht nur die Verbraucher, sondern auch der Versorger immens heraus. „Die Beschaffung von Strom und Gas ist hier bei uns das Topthema“, sagt Stefan Babis, Geschäftsführer der Stadtwerke in Buxtehude. Er hat einen Krisenstab gebildet, das fast täglich tagt. Der Blick auf die tagesaktuellen Entwicklungen an den Börsen macht da wenig Freude. Für Babis ist das Gebot der Stunde klar: „Wir müssen perspektivisch vom Versorger zum Erzeuger werden.“ Und:  „Diese Krise ist der Beginn einer grundlegenden Veränderung. Die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Zeitenwende ist nicht nur eine Energie-, sondern auch eine Wärmewende.“

Eigentlich hatten die Stadtwerke sehr gut vorgesorgt. Babis: „Wir kaufen nicht an den tagesaktuellen Spotmärkten ein, sondern schließen langfristige Verträge. Für die Jahre 2022, 2023 und 2024 haben wir bereits ab 2020 sehr günstig Teilmengen Strom und Gas eingekauft und sind extrem gut aufgestellt. Die Frage ist allerdings, ob die Importlieferketten bis zum Herbst halten.“ Im Klartext: Der beste Preis nützt nichts, wenn die Ware nicht geliefert wird.

Unsicherheitsfaktoren gibt es in Hülle und Fülle. Die jüngsten Schachzüge Putins, beispielsweise Deutschland mit fadenscheinigen Begründungen langsam vom Gas abzukoppeln, erhöhen den Handlungsdruck in den Chefetagen der Versorgungsbetriebe. Die Entwicklung ist unkalkulierbar – nicht ausgeschlossen, dass Nordstream I zwischen dem Schreiben dieses Textes und dem Erscheinen bereits völlig versiegt ist, weil angeblich alle Siemens-Turbinen zeitgleich den Dienst versagen.

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Was ist, wenn die Lieferverträge platzen?

Für Stefan Babis ist das ein noch nie dagewesener Zustand: „Eine Krise dieses Ausmaßes habe ich noch nicht erlebt. Wir würden jetzt gern für die Jahre 2025 und 2026 Teilmengen einkaufen, aber da ist nichts zu machen.“ Mit einer Netzmenge von 700 Millionen Kilowattstunden Gas und 180 Millionen Kilowattstunden Strom haben die Buxtehuder Stadtwerke (16 500 Gas-Kunden) eine Größe, die nicht ausreicht, um wirkliche Marktmacht zu entwickeln. Das geht nur im Verbund mit anderen Versorgern. Doch was passiert, wenn die günstigen Vorverträge platzen? „Dann gilt der aktuelle Tagespreis der Energiebörsen – und der ist um den Faktor X höher. Wenn das eintritt, gibt es einen Riesensprung“, sagt Babis. Er hofft, dass der Bund mit dem Energiesicherungsgesetz dafür sorgt, dass die befürchteten Effekte abgefedert werden können.

Der Anstieg der Gaspreise an den Börsen sei nicht unbedingt Folge einer Verknappung, sagt Babis: „Da sind die Versorgungs- und Kriegsängste eingepreist.“ Auch Russland könne nicht einfach mal eben den Hahn zudrehen, denn Gasfelder haben eine gewisse Dynamik – wenn das Gas strömt, muss es irgendwo hin. Entsprechende Pipelines beispielsweise nach Indien oder China müssten erst gebaut werden. Trotzdem steht für den Stadtwerkechef eines außer Frage: „Das russische Gas muss substituiert werden.“

Die Reduzierung des russischen Gasanteils von mehr als 50  auf mittlerweile gute 30 Prozent sei ein Schritt in die richtige Richtung, so Babis weiter. Einen weiteren deutlichen Schritt könnten die Deutschen selbst herbeiführen – durch die kollektive Bereitschaft zum Energiesparen. Babis: „Das heißt konkret: Die Heizung runterregeln und Strom sparen, denn ein großer Anteil des Stroms wird immer noch über Gasverbrennung und Kohlekraftwerke erzeugt. Weniger Verbrauch ist der Schlüssel zu weniger Abhängigkeit von Russland und zu einer Beruhigung der Märkte.“

Schön warm, aber ohne Job?

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Die Diskussion über Krisenmaßnahmen im Falle einer Gasabschaltung beschäftigt auch die Stadtwerke. Gespräche mit Großkunden vor allem aus der Industrie werden bereits geführt. Diese Betriebe sollen bekanntlich als erstes vom Netz gehen, wenn der Nachschub versiegt. Babis: „Daran hängen aber die Arbeitsplätze. Es hilft uns ja nicht weiter, wenn es der Privatkunde zu Hause  schön warm hat, aber der Job weg ist. Deshalb brauchen wir ein solidarisches Gesamtkonzept, um die Wirtschaftsstruktur zu erhalten.“ Es geht also nicht um die Diskussion Privathaushalte kontra Industrie, sondern um einen Schulterschluss. Babis: „Und dazu ist eigenverantwortliches Handeln der Privatverbraucher gefordert, denn im Gegensatz zur Industrie kann man die Privathaushalte als Ganzes physikalisch nicht runterregeln. Das kann nur jeder selbst.“ So wird die Zeitenwende  möglicherweise auch zur Wärmewende. In der Zukunft wird Wärme verstärkt in Nahwärmekonzepten direkt vor Ort produziert und über ein Nahwärmenetz an die Kunden verteilt. In diesen Geschäftsmodellen stecken auch Chancen für die Energieversorger.

Den politischen Ansatz, die Gasheizungen gegen Wärmepumpen auszutauschen, bezeichnet Stefan Babis als zu kurz gedacht: „Das hieße: Der Gasverbrauch sinkt, aber der Stromverbrauch steigt massiv. Die ‚All Electric World‘ ist aus meiner Sicht aber nicht machbar. Die Realität wird ein Mix aus verschiedenen Technologien sein. Strom entsteht immer noch zu einem erheblichen Teil in Gas- und Kohlekraftwerken. Kohle und Gas, aber kommen aus Russland – diese Quelle entfällt also. Atomkraft ist politisch nicht gewollt. Bleiben die Erneuerbaren Energien.“ Die Stadtwerke betreiben bereits einen eigenen Windpark bei Daensen und sind an der Stadtwerke-Kooperation „Trianel Erneuerbare Energien“ beteiligt, einer Investorengruppe, die Windkraft- und große Photovoltaikanlagen baut. Babis: „Wir suchen händeringend nach Freiflächen für die Gewinnung erneuerbarer Energien. Ein zentrales Problem sind allerdings die sehr langen Genehmigungsverfahren. Da haben wir eine Erwartungshaltung gegenüber der Bundesregierung. Das muss schneller gehen. Jetzt muss Herr Habeck liefern.“ wb

Web: www.stadtwerke-buxtehude.de