Eine Kolumne von Dr. Jens Biederer, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.
Was für Bauträger ein Problem ist, ist für Wohnungseigentümer eine Chance: Baumängel zeigen sich häufig erst nach vielen Jahren. Feuchtigkeitsschäden können sich zum Beispiel über Jahre hinweg im Bodenaufbau oder innerhalb der Fassade ausbreiten, bevor sie von den Eigentümern bemerkt werden. Nicht selten ist dann die fünfjährige gesetzliche Gewährleistungsfrist schon abgelaufen. Der Bauträger scheint aus der Haftung zu sein, die Wohnungseigentümer sehen erhebliche Sanierungskosten auf sich zukommen. In vielen Fällen haben Bauträger aber in die mit den Erwerbern geschlossenen Verträge unwirksame Klauseln zur Abnahme des sogenannten Gemeinschaftseigentums aufgenommen. Das Gemeinschaftseigentum umfasst etwa die tragenden Bauteile und steht allen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu. Es muss eigentlich von jedem Wohnungserwerber abgenommen werden. Vereinfacht gesagt gilt: erst wenn der letzte Wohnungseigentümer innerhalb einer Erwerbergemeinschaft das Gemeinschaftseigentum abgenommen hat, beginnt für den Bauträger der fünfjährige Gewährleistungszeitraum. Da es für den Bauträger recht aufwändig ist, von jedem einzelnen Erwerber die Abnahme des Gemeinschaftseigentums erklären zu lassen, haben viele Bauträger in der Vergangenheit Klauseln in ihre Kaufverträge aufgenommen, nach denen die Erwerbern einen Sachverständigen oder einen Verwalter mit der Abnahme beauftragen oder „Nachzügler-Erwerber“ an schon von Dritten erklärte Abnahmen binden. Derartige Regelungen haben die Gerichte in vielen Fällen für unwirksam erklärt (z.B. BGH, Urteil vom 12.5.2016 – VII ZR 171/15). Die Folge war in der Regel, dass die Wohnungseigentümer auch etliche Jahre nach Ablauf der eigentlichen Gewährleistungsfristen noch Ansprüche gegen den Bauträger geltend machen konnten. Das galt scheinbar zeitlich völlig unbegrenzt.
Eine zeitliche Beschränkung könnte jetzt ein erst kürzlich veröffentlichtes Urteil des OLG Köln (vom 21. August 2020, 19 U 5/20) bringen. Dieses hat entschieden, dass Ansprüche der Erwerber bei unwirksamer Abnahme spätestens 10 Jahre nach dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses verjähren. Das bedeutet für eine Wohnungseigentümergemeinschaft, dass nur bis zu zehn Jahre nach Abschluss des zeitlich letzten Kaufvertrages mit einem der Erwerber Gewährleistungsansprüche geltend gemacht werden können. Das OLG Köln begründet dies damit, dass der ursprüngliche Erfüllungsanspruch spätestens zehn Jahre nach dem Vertragsabschluss verjähre und danach auch keine Gewährleistungsansprüche mehr bestünden.
Ob sich diese Auffassung in der Rechtsprechung allgemein durchsetzen wird, kann derzeit noch nicht abgesehen werden. Zumindest liegt hier aber ein erhebliches Risiko für Wohnungseigentümer, die nach Ablauf der eigentlichen Gewährleistungsfristen noch Ansprüche mit dem Argument geltend machen wollen, die Abnahme sei seinerzeit nicht wirksam erfolgt. Wohnungseigentümern muss deshalb geraten werden, vorsorglich immer die vom OLG Köln in Spiel gebrachte Frist im Auge zu behalten. Dies gilt ebenso für Hausverwaltungen, wenn bei den von ihnen verwalteten Wohnungseigentumsanlagen nach Ablauf der eigentlichen Gewährleistungsfristen noch Mängel entdeckt werden.