In Winsen: Aktionärsfrühstück der Süderelbe AG mit Dr. Lorenz Kasch (Metronom) und Hans-Georg Preuß (Stadtwerke Winsen)
Von Wolfgang Becker
Am Ende waren fast zwei Stunden rum: Mit Dr. Lorenz Kasch , Geschäftsführer der Metronom Eisenbahngesellschaft mbH, und Hans-Georg Preuß, Geschäftsführer der Stadtwerke Winsen, hatte Dr. Olaf Krüger, Vorstand der Süderelbe AG, zwei engagierte Gesprächspartner zum Aktionärsfrühstück geladen. Passenderweise in den Bahnhof Winsen, der mit dem „Coopers“ über eine attraktive Restauration verfügt. Das Duell Straße gegen Schiene blitzte zwar an manchen Stellen etwas auf, in Wahrheit geht es derzeit aber um drängende Fragen zur Mobilität, zur maroden Infrastruktur, zu historisch langen Entscheidungswegen und zur Digitalisierung. Das wurde auch in Winsen schnell deutlich.
Krüger stellte in seinem Intro eines gleich klar: Obwohl das Thema Mobilität seit Jahren akut diskutiert wird, haben sich die Verhältnisse eher verschlechtert – noch nie waren so viele Autos auf den Pendlerstrecken von und nach Hamburg unterwegs. Er sagt: „Die Kapazitäten auf der Straße und auf der Schiene sind an ihrem Limit.“ Was jeder unterschreiben wird, der morgens und abends als Pendler unterwegs ist.
Laut Lorenz Kasch ist bis 2030 eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen auf der Schiene prognostiziert. Allerdings sei seit 20 Jahren viel zu wenig in die Infrastruktur investiert worden. Sein Lösungsansatz: die großen Projekte, die bis zu ihrer Umsetzung Jahre, wenn nicht Jahrzehnte bräuchten, jetzt anschieben und mit intelligenten Nachbesserungen in das Gleisnetz und auf den Bahnhöfen die Voraussetzungen für höhere Beförderungszahlen schaffen. Konkret geht es dabei um zusätzliche Weichen und Signalanlagen beispielsweise auf der Strecke Lüneburg-Harburg, aber auch die Verlängerung von Bahnsteigen, um längere Züge auf die Reise schicken zu können (wobei auch der Hamburger Hauptbahnhof bereits jetzt völlig überlastet ist).
Eine weitere Idee: Mit der Ertüchtigung von Bahnsteigen könnte es auch gelingen, Züge gar nicht erst in den Hamburger Hauptbahnhof fahren zu lassen, sondern sie stattdessen durch den Hafen Richtung Osten und Norden zu führen und an die Ringstrecke in Hamburg anzuschließen. Der Metronom-Chef sieht allerdings weitere erhebliche Probleme am Horizont: „Die Süderelbbrücken sind nach nur 40 Jahren völlig sanierungsbedürftig – ein Nadelöhr.“ Dort dürften Züge derzeit nur mit stark reduzierter Geschwindigkeit fahren, um die Belastung möglichst gering zu halten. Kurz: Auf Pendler kommen absehbar harte Zeiten zu, wenn die Bahnbrücken eines Tages zur Großbaustelle werden.
Dr. Kasch sprach sich angesichts der komplexen Zuständigkeitslage im deutschen Schienennetz für eine konzertierte regionale Aktion aus, um den Blick der Politik auf die sich zuspitzende Situation im Schienenbereich zu lenken. Ein Runder Tisch Schiene könne hilfreich sein, alle müssten am selben Strang ziehen.
Winsens Antwort auf Car2go
Einen interessanten lokalen Ansatz stellte Hans-Georg Preuß vor. Die Stadtwerke Winsen verfügen über zehn E-Mobile, die nun nach Feierabend und an den Wochenenden Mitarbeitern preiswert zur privaten Nutzug überlassen werden. Der Stadtwerke-Chef: „Die Elektroautos stehen hier ja sonst nur herum – so können sich die Mitarbeiter einen Eindruck von der neuen Art der Mobilität verschaffen.“ Preuß hat mit Winsen2go ganz aktuell eine Internetplattform geschaffen, über die die Fahrzeuge gebucht und abgerechnet werden können. Seine Idee: „Wenn wir weitere Anbieter einbinden, könnte daraus ein lokales Car-Sharing-Angebot werden. Wenn das gelingt, wird vielleicht der eine oder andere Zweitwagen überflüssig.“ Mit der Stadt Winsen und dem Landkreis Harburg hat er bereit zwei weitere Interessenten gefunden.
Winsen2go ist noch in der Testphase, auch das endgültige Preismodell ist noch nicht gefunden. Im besten Fall könnte dabei aber herauskommen, dass sich viele E-Mobil-Betreiber aus den Kommunen und auch aus Vereinen und Unternehmen der Bewegung anschließen. Das wäre dann die Winsener Antwort auf Car2go und Drive now, so Preuß. Die großen Anbieter hätten aus wirtschaftlichen Gründen nur die Ballungsräume im Blick.
Selbst wenn es gelänge, Schiene und Straße intelligent zu vernetzen, um Menschen von A nach B zu bringen, erwarten die Experten nicht, dass sich die Situation spürbar entspannt. Ein Grund: Mobilität hat auch etwas mit Komfort zu tun. Beziehungsweise Bequemlichkeit und Gewohnheit. Deshalb ist auch Preuß klar, dass die beste Mobilität die ist, die gar nicht erst benötigt wird: „Warum müssen alle Menschen morgens und abends weite Wege fahren, um zu arbeiten? Meine Kernfrage lautet: Wo werden wir künftig arbeiten? In Zeiten der Digitalisierung dürfte das Pendeln für viele Arbeitnehmer künftig überflüssig werden, weil sie ihre Arbeit zu Hause oder in lokalen Business-Centern erledigen können.“
Einwurf von Heinz Lüers, ehemaliger Vorstandschef der Sparkasse Harburg-Buxtehude: „Dazu müsste allerdings das Breitbandnetz ausgebaut werden – das funktioniert vielerorts nur bedingt.“ Vielleicht ein heißes Thema für das nächste Aktionärsfrühstück . . .