Panasonic: Betriebliche Ausbildung ebnet Geflüchteten den Weg in eine berufliche Zukunft.
Sie kommen aus Syrien, aus Afghanistan und dem Iran, aus Nigeria und Somalia: Junge Flüchtlinge, die hoffen, in Deutschland eine Heimat zu finden. Wer einen Antrag auf Asyl stellt, muss nach wie vor mit langen Wartezeiten rechnen. Ein Leben in der Warteschleife, das mürbe macht. Ist die Aufenthaltsgenehmigung erteilt, bedeutet dies längst noch nicht, dass diese Menschen in ihrem neuen Leben ankommen dürfen. Seit der Flüchtlingswelle, die Deutschland in 2015 erreichte, stellt sich die Frage nach dem Gelingen von Integration. Dazu gehört auch die Möglichkeit, einen Schulabschluss zu erlangen beziehungsweise eine Ausbildung beginnen zu können. Viele Betriebe sind bereit, sich zu engagieren, befürchten jedoch, den betreuerischen Mehraufwand nicht leisten zu können. Andere haben bereits Erfahrungen gesammelt.
Den Weg für eine Integration ebnen
Panasonic Industrial Devices Europe GmbH zählt zu den ersten Lüneburger Unternehmen, die zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen haben, um Geflüchteten den Eintritt in das Berufsleben zu ermöglichen. Nach Gesprächen mit Arbeitgeberverband und Arbeitsagentur erhielten 13 Asylsuchende während eines „Schnuppertages“ Einblicke in die Ausbildungsberufe bei Panasonic. Alaeddin Khalil Abu Rashed (26) und Ramyar Fathi (33) traten schließlich ein dreimonatiges Praktikum an. Beide hatten in ihrer Heimat das Abitur gemacht, brachten Sprachkenntnisse auf gutem Niveau mit. Schon nach den ersten Wochen hatte sich ihr Wortschatz deutlich erweitert, erinnert sich Daniela Dorn, Sachbearbeiterin Personalwesen und zuständig für Ausbildung Alaeddin Khalil Abu Rashed hatte in Syrien einige Semester Wirtschaft und Rechnungswesen studiert, Ramyar Fathi im Iran als Elektriker gearbeitet. Eine Grundlage, auf die sich aufbauen lässt, befand Harry Fercho, Kaufmännischer Leiter bei Panasonic Lüneburg.
„Wir können nicht warten, bis die Rahmenbedingungen perfekt sind, sondern müssen nach individuellen Lösungen suchen, um Integration umzusetzen. Möglich, dass wir anfangs naiv an das Vorhaben herangegangen sind“,
sagt er rückblickend. Doch ist es gut möglich, dass es ebendieses Quäntchen Unwissenheit war, das dazu führte, zwei jungen Flüchtlingen den Eintritt in das Berufsleben zu ermöglichen.
Ramyar Fathi hat 2016 seine Ausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme angetreten. Für Alaeddin Khalil Abu Rashed hätte sich eine kaufmännische Lehre angeboten, „entschieden hat er hat sich stattdessen für ein duales Studium.“ Ein hoch gestecktes Ziel für den jungen Mann, das nach einem erfolgreichen Start zunächst wieder in die Ferne gerückt ist. „Die Sprachkenntnisse reichen für ein Studium noch nicht aus“, bedauert Daniela Dorn, die die beiden jungen Männer während ihrer Ausbildung begleitet. Nicht am fehlende Fachvokabular mangelt es, sondern vor allem an den fehlenden Schriftkenntnissen.“ Sein Studium hat der junge Syrer also erst einmal auf Eis gelegt, besucht weitere Sprachkurse, um die Defizite schnellstmöglich auszugleichen. Zwei Wochenstunden privaten Deutschunterricht ermöglicht ihm sein Arbeitgeber zusätzlich, bei dem er trotz Uni-Pause seine Ausbildung fortsetzten kann.
„Uns ist es wichtig, dass Herr Abu Rashed sich nicht genötigt fühlt, aufzugeben. Wir möchten ihn dabei unterstützen, seinem Ziel näherzukommen“,
erklärt Harry Fercho. Eine Hürde, die es zu überwinden gelte, sei, dass das deutsche Ausbildungssystem in den meisten Herkunftsstaaten unbekannt ist. Wertigkeit besitzt für viele Flüchtlinge allein die akademische Laufbahn. Wünschenswert wäre es, wenn bereits in den Integrationskursen die vielfältigen Perspektiven unseres Bildungssystems aufgezeigt würden.
Beide Azubis sind mittlerweile gut in ihr jeweiliges Team integriert. „Zum Teil arbeiten 14 Nationalitäten in unserem Betrieb“, so Harry Fercho. Vorbehalte in Bezug auf die neuen Mitarbeiter seien kein Thema gewesen. Im Gegenteil!
„Wir sind glücklich, dass die Kollegen und Kolleginnen unsere Entscheidung so vorbildlich unterstützen. Ohne sie ginge es nicht.“
Betriebe müssen viel Eigeninitiative zeigen
„Ob Flüchtlinge, die in deutschen Betrieben eine Ausbildung absolvieren, tatsächlich die Mitarbeiter von morgen sein werden, ist derzeit noch nicht abschließend zu beantworten“, stellt Bernd Wiechel, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Lüneburg-Nordostniedersachsen fest. „Da spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle, zum Beispiel die individuelle Bleibeberechtigung, das Engagement oder die Qualifikation. Wir sollten auf jeden Fall ein großes Interesse an einer guten Integration der Flüchtlinge haben – als Arbeitgeber aber auch als Gesellschaft“, fügt er hinzu. Bei Panasonic erhalten Alaeddin Khalil Abu Rashed und Ramyar Fathi die gleichen Chancen auf eine Übernahme, wie die derzeit 23 deutschen Azubis auch.
Die Erfahrungen, auf die das Unternehmen Panasonic heute, nach einem Jahr, zurückblickt, haben einen überaus positiven Tenor. Dennoch sei der organisatorische Aufwand nicht zu unterschätzen“, so Daniela Dorn. Nach wie vor sei ein hohes Maß an Eigeninitiative seitens der Unternehmen gefragt, vor allem, wenn es um das Thema Sprachförderung geht. Hier wäre es wünschenswert, ein breiteres Angebot zu schaffen. Trotz der teilweise noch lückenhaften Infrastruktur sei die Zusammenarbeit mit Arbeitsagentur und Jobcenter sehr gut. „In beiden haben wir verlässliche Partner gefunden, die uns in diesem Prozess beratend und begleitend zur Seite stehen“, so Harry Fercho. Er möchte Unternehmen, die nach wie vor mit dem Gedanken hadern, Ausbildungsplätze für Flüchtlinge zu schaffen, zur Nachahmung ermutigen: „Nicht viel nachdenken, einfach machen! Niemand wird im Vorwege alle Unwegsamkeiten ausschalten können.“