„Kurzarbeit war überlebenswichtig“

Foto: Arbeitgeberverband LüneburgPräsident des Arbeitgeberverbandes Volker Meyer (Heinrich Meyer-Werke Breloh GmbH) || © Hans-Jürgen Wege (Tonwert21 Fotografie Lüneburg)

Volker Meyer, Präsident des Arbeitgeberverbandes Lüneburg-Nordostniedersachsen, im Gespräch mit B&P

Volker Meyer (63) ist ein mittelständischer Unternehmer aus der Lüneburger Heide. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Heinrich Meyer-Werke Brehloh, ein Familienunternehmen mit rund 300 Mitarbeitern, das er in sechster Generation führt.Seit einem Jahr ist Meyer  Präsident des Arbeitgeberverbandes Lüneburg-Nordostniedersachsen.

Herr Meyer, von einem Tag auf den anderen hat die Corona-Pandemie unseren Alltag schlagartig in allen Lebensbereichen verändert. Wie werden wir in einem Jahr über diese bewegenden und bewegten Monate sprechen?

Wir werden sagen, dass uns  diese Krise die Augen geöffnet hat. Und dass durch sie, bei aller Trauer um die Opfer, ein grundlegender Wandel eingeleitet wurde, der dringend erforderlich war und den man ansonsten womöglich noch für viele Jahre beiseitegeschoben und verdrängt hätte.

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Sie beziehen das auf die Arbeitswelt?

Nein, eigentlich auf alle Lebensbereiche. Wir setzen jetzt quasi im Zeitraffer um, was sonst ein Jahrzehnt gedauert hätte, zum Beispiel das Umdenken in der Mobilität in Richtung umweltfreundlicher Energien. Plötzlich vermeiden wir unnötige Strecken, die wir vorher noch für unerlässlich erachtet haben.

Aber auf einmal haben wir auch das Bewusstsein dafür, dass alle Generationen  über moderne Medien kommunizieren können, dass diese modernen Systeme in Verbindung mit dem Traditionellen eine Riesenchance bieten.

Heißt das auch Besinnung zurück auf mehr Regionalität, auf das Wesentliche im eigenen Umfeld?

Ja, es gibt einen grundlegenden Wandel unter den Menschen. Die Bevölkerung erlebt gerade wieder mehr die eigene Scholle, und dass es Alternativen zum Globalen gibt. Dass man nicht unbedingt nach Hawaii fliegen muss, sondern dass es auch in der Lüneburger Heide schön ist.

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Und die örtliche Wirtschaft sucht in dieser Zeit Wege aus der Krise. Hat die Bundesregierung da die richtigen Schalthebel getätigt?

Im Nachhinein gibt es immer Dinge, die man besser machen  kann. Deutschland ist unter dem Strich bislang sehr gut durch diese Pandemie gekommen, die Fallzahlen sind im Vergleich zu anderen Ländern überschaubar. So einen Shutdown kann man aber natürlich nicht beliebig wiederholen, ein weiterer sollte mit den jetzigen Kenntnissen auch zu verhindern sein. Im Fall einer zweiten Welle muss man sich darauf konzentrieren, dass man die gefährdeten Personen schützt.

Und welche wirtschaftlichen Maßnahmen haben gegriffen, welche nicht?

Zentrales Instrument war ganz eindeutig die Kurzarbeit. Die hat viele mittelständische Betriebe und Arbeitnehmer durch die Krise geführt und war für manche Branchen  überlebenswichtig. Die Senkung der Mehrwertsteuer in dieser Form halte ich dagegen für falsch. So eine flächenweite Bezuschussung ohne Prüfung der Bedürftigkeit ist immer problematisch. Da hat man ein Bürokratiemonster für die Unternehmen geschaffen, bei dem selbst die Finanzbehörden in vielen Details überfordert sind. Und die Bevölkerung hat diese Steuersenkung nicht so entscheidend wahrgenommen, dass dadurch entsprechendes Konsumverhalten die Konjunktur angesprungen wäre.

Wofür hätte die Regierung dieses Geld einsetzen sollen?

Sie hätte viel konkreter helfen müssen. Indem sie etwa noch mehr Maßnahmen unterstützt, die zukunftsrelevant sind wie Wasserstofftechnologie, Umweltschutz… Da wäre viel möglich gewesen.

Wobei wir wieder beim Wandel wären, den diese Krise als Chance bietet…

Ja den könnten wir schaffen. Wobei das natürlich nicht heißt, zurück ins Steinzeitalter und weg von modernen Technologien. Wir sollten aber mehr weg von großen Einheiten. Fälle wie Tönnies sind das beste Beispiel, welch fatale Auswirkungen diese Konzentrationen etwa für landwirtschaftliche Betriebe haben können, die nur noch Masse liefern sollen. Immer größer war definitiv die falsche Entwicklung.

Aber gerade für uns in der eher ländlichen Region dürfte es schwierig sein, da gegenzusteuern?

Nein, gerade wir hier  können von der Erkenntnis, dass große Einheiten gefährlich sein können, profitieren. Was wir hier brauchen, ist eine kluge Vernetzung, dass etwa jedes Unternehmen auf moderne Logistikmöglichkeiten, aber auch Interessenvertretungen wie den Arbeitgeberverband zurückgreifen kann. So bekommt man Gewicht und verschafft sich Gehör. Bei uns hier im Mittelstand, in den Familienunternehmen, hängen unter dem Strich deutlich mehr Arbeitsplätze von den richtigen politischen Weichenstellungen ab als bei  den großen Betrieben, die jetzt in den Schlagzeilen stehen.

Beim von ihnen genannten Stichwort Logistik fällt einem ja sofort der Name Amazon ein…

Auch Amazon ist ein großes Problem der globalen Mächtigkeit. Alternativ müssen wir es hinbekommen, einen Logistikpool zu bilden, damit ich auch als kleiner Player die absolute Wettbewerbsfähigkeit erreichen kann. Man darf in diesem Zusammenhang auch nicht übersehen, dass die Krise der Digitalisierung einen enormen Schub gegeben hat. Wir sollten uns gegenseitig Unterstützung geben in gemeinsamen Plattformen, die entwickelt werden müssten, eine IT-Technologie unter dem Motto 4.0. Auch zu Google muss es da Alternativen geben.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann kommt ja aus dem Kreis Lüneburg. Was würden Sie ihm dazu gerne sagen?

Dass er die Chance nutzen und sich deutlich für den Mittelstand als wichtiges Standbein aussprechen soll. Auch Bereiche, die nicht so im medialen Mittelpunkt stehen wie Tönnies, brauchen die volle Unterstützung und mittelständische Unternehmen müssen besser eingebunden werden, zumindest in den nationalen Markt.

Der Arbeitgeberverband war in den vergangenen Monaten durch einen erheblichen Beratungsbedarf gefordert. Wie schätzen Sie die Situation in den einzelnen Branchen ein?

Das ist verschieden von Branche zu Branche. Die Gastronomie, die vom Tourismus  lebt, wird die Schließung letztlich wegstecken können. Beim Tagesgeschäft ist es deutlich schwieriger. Da gilt es, eine Durststrecke durchzuhalten, bis es einen Impfstoff gibt. Das produzierende Gewerbe ist zum Teil schwer getroffen, es tut weh, durch leere Fabrikhallen zu gehen. Dort weiß man, dass es auch  übermorgen noch nicht so sein wird wie es gestern war. Andere Branchen, wie Bau und IT boomen bereits wieder, da gibt es schon Probleme, genug Personal zu  bekommen. Die Märkte werden sich letztlich schnell verändern. Und in einigen Jahren werden wir feststellen, dass uns diese Krise in auch in wirtschaftlicher Hinsicht die Augen geöffnet und eingeleitet hat, was unbedingt erforderlich war.