Eine Kolumne von Sinje-Swala Buschmann, Engel & Völkers.
Neue Erfordernisse durch die Corona-Pandemie, ein verändertes Konsumentenverhalten und die Relevanz des Onlinehandels machen ein Umdenken im Einzelhandel notwendig – vor allem in Innenstadtlagen und Einkaufsstraßen deutet sich ein Paradigmenwechsel an. Waren in Shoppingmeilen deutscher Städte bisher vor allem Mode-, Schuh- und Schmuckgeschäfte präsent, passen mittlerweile viele dieser Unternehmen ihre Filial- und Expansionspläne aufgrund der veränderten Kontextbedingungen umfassend an: So konnten selbst an Toplagen wie dem Hamburger Jungfernstieg oder der Spitalerstraße einige Schließungen von Einzelhandelsflächen beobachtet werden – Flächen, die nun für alternative Nutzungskonzepte zur Verfügung stehen.
Die genannten Adressen wurden etwa jüngst um einen Drogeriemarkt und Supermarkt bereichert – Angebote, die bislang in Fußgängerzonen und Einkaufsstraßen eher die Ausnahme darstellten. In meinen Augen verdeutlichen Zuzüge wie diese, welches Potenzial die aktuelle Veränderungsdynamik für Innenstädte wie die Hamburger City bereithält: Bereits vor der Krise konnten viele Einkaufsstraßen und Shoppingmeilen eine gewisse Eindimensionalität hinsichtlich ihrer Angebotsausrichtung nicht verbergen, weshalb schon vor Jahren das Neudenken der „Idee Innenstadt“ einen wachsenden Fokus bei Wirtschaft, Kommunen und Verbrauchern einnahm.
Die Erfahrungen der letzten anderthalb Jahre haben diesen Prozess beschleunigt: Dass eine Angebotserweiterung in zentralen Lagen nicht nur eine notwendige Brücke in die Zeit nach der Pandemie darstellen, sondern Innenstädte mit frischer Abwechslung und unverbrauchter Attraktivität neu beleben kann, wird an immer mehr Stellen erkannt. Die City kann auf diese Weise als Ort des Einkaufs, der Gastronomie, der Begegnung und Unterhaltung neu erstarken. Anstatt zu fragen: „Wie kann die alte, funktionierende Innenstadt wiederbelebt werden?“, sollte die Leitfrage vielmehr lauten: „Wie wünschen wir uns die zukunftsfähige, bereichernde Innenstadt der nächsten Jahrzehnte?“. Der Schlüssel dazu: Ein innovativer Branchenmix, der neue Ideen, etwa aus StartUps und jungen Initiativen, mit der Expertise des Fachhandels und der Vielfalt anderer Gewerbesparten verbindet.
Auch das Wohnen in der Innenstadt wird in diesem Zusammenhang immer wieder diskutiert. Viele Flächen größerer Warenhäuser oder Flagship-Stores könnten in zentrale, hochwertige Wohnungen und Apartments umfunktioniert werden – gerade in Zeiten des Wohnraummangels eine vielversprechende Idee. Doch ähnlich wie der Supermarkt, der sein Sortiment in der City aufgrund infrastruktureller Gegebenheiten und Kundeninteressen nicht auf umfangreiche Wocheneinkäufe, sondern auf Vorbeigehende, Beschäftigte in der Mittagspause oder Spontanbesorgungen anpassen muss, können auch klassische Wohnungskonzepte nicht ohne weiteres auf ehemalige Retail-Immobilien angewandt werden. Je nach Objekt können die Versorgung mit Tageslicht über ausreichende Fenster – auch im Inneren von großflächigen Immobilien -, die Schalldämmung oder die Verfügbarkeit von Parkplätzen für die Anwohner zur Herausforderung für Architekten und Raumplaner werden, die sich mit der Vision der Innenstadt von morgen befassen.
Wie potenzielle Lösungen auf diesem Gebiet aussehen könnten, wird unter anderem im Projektpool „unsere Stadtimpulse“ konkretisiert – einer Sammlung von Best Practices und Projekten mit breiter öffentlicher Unterstützung, unter anderem durch den Deutschen Städtetag oder den Handelsverband Deutschland.
Sinje-Swala Buschmann leitet den Geschäftsbereich Retail-Immobilien beim Hamburger Traditionsunternehmen Engel & Völkers Commercial Hamburg und berät als Senior Consultant Einzelhändler und Filialisten mit gewerblichen Ambitionen in der Hansestadt. Dabei stützt sich die Certified Shopping Center Managerin und Volljuristin auf ihre breite Erfahrung in diesem Immobiliensegment, die sie in ihre nachhaltigen Beratungsansätze einfließen lässt