Eine Kolumne von Jan Witte, Engel & Völkers.Hamburger Wohnimmobilienmarkt 2022: Setzt sich der Wachstumstrend weiter fort?
Die Dynamik am Hamburger Markt für Mehrfamilienhäuser war im zurückliegenden Jahr 2021 bis Februar dieses Jahres ungebrochen. Nach der relativ verhaltenen Bilanz der ersten Corona-Monate in 2020 war gerade im Verlauf der letzten 16 Monate ein signifikanter Aufwind erkennbar, der sich vor allem in der Zahl der verkauften Objekte widerspiegelt. Insgesamt standen mit bis zu 450 Eigentümerwechseln rund 70 Transaktionen mehr zu Buche als im Vorjahr; das Transaktionsvolumen kletterte parallel auf bis zu 2,2 Milliarden Euro und steigerte sich somit um rund 40 Prozent. Aufgrund des hohen Nachfragedrucks setzte sich auch das Kaufpreiswachstum im Betrachtungszeitraum weiter fort. Wurden für Wohn- und Geschäftshäuser in mittleren Hamburger Lagen wie Osdorf oder Marienthal 2019 noch Spannen zwischen 2.400 und 3.500 Euro pro Quadratmeter aufgerufen, bewegen wir uns heute bei 3.400 bis 4.800 Euro.
In der Folge stiegen auch die Mietpreise im Bestand für jeden der sieben Hamburger Stadtbezirke nochmals deutlich an: Die durchschnittlichen Zuwächse beliefen sich auf mindestens 1,2 Prozent in Mitte sowie Harburg und erreichten Quoten von bis zu 5,7 Prozent in Bergedorf, sodass der durchschnittliche Mietzins pro Quadratmeter in Hamburg heute 12,54 Euro pro Quadratmeter beträgt.
Für gewerbliche Investoren wie auch für private Kapitalanleger stellt sich mit fortlaufender Dauer dieses Wachstumstrends mehr denn je die Frage: Wann kippt der Markt? Wann sind die Wertsteigerungspotenziale ausgereizt? Entwicklungen, die Rückschlüsse auf mögliche Prognosen zulassen, zeigen derzeit eine gewisse Ambivalenz auf:
Auf der einen Seite nehmen wir mittlerweile regelmäßig wahr, dass Käufer bei der Suche nach Anlageobjekten deutlich selektiver vorgehen. Die Bereitschaft zur Zahlung von Höchstpreisen wirkt zuweilen zurückhaltender, zumal sich auch der monetäre Kalkulationsrahmen für Kaufinteressenten verändert. Durch den rapiden Anstieg des Zinsniveaus müssen Renditeerwartungen angepasst werden; für gleiche Konditionen ist bereits heute ein höherer Eigenkapitalanteil vonnöten als noch vor einigen Monaten..
Auf der anderen Seite lassen sich aber auch klare Faktoren ausmachen, die für weiteres Preiswachstum, oder zumindest eine Konservierung des aktuell hohen Niveaus, sprechen. So wirkt sich etwa die Verteuerung der Rohstoffkosten unterstützend auf den Kaufpreis von Neubauobjekten aus. Auch Faktoren wie das Hamburger Bevölkerungswachstum von 3,8 Prozent im Vergleich zu 2015 sowie die geringe Leerstandsquote von 0,5 Prozent sind als nachfragefördernd einzustufen. Die hohe Inflation sehen wir als Indikator für weiter steigende Mietpreise, so dass aktuell niedrigere Renditen im Immobilienbereich sich im Laufe der Folgejahre nach oben anpassen sollten.
Eine klare Antwort auf die oben geschilderte Frage ist ohne eine gewisse Spekulationstoleranz nicht ohne weiteres möglich. Als langjährige Beobachter des Hamburger Marktes gehen mein Team und ich allerdings davon aus, dass die Kapitalanlage Mehrfamilienhaus sich auch in Zukunft als risikoarme, einträgliche Entscheidung erweisen wird, die ihrem Ruf der Krisenfestigkeit einmal mehr gerecht werden wird.
Jan Witte trägt als Bereichsleiter die Verantwortung für das Geschäftsfeld Wohn- und Geschäftshäuser bei Engel & Völkers Commercial Hamburg. Als langjährig erfahrener Manager und Ökonom, der unter anderem als Führungskraft bei unterschiedlichen Kreditinstituten tätig war, widmet er sich aktuell dem Schwerpunkt gewerblicher Immobilieninvestments in der Hansestadt. Wittes Expertise umfasst vor allem die fundierte Bewertung von Anlageobjekten, das Erschließen ungenutzter Asset-Potenziale und die professionelle Vermarktung an eine nationale wie internationale Käuferklientel.