Aspirin und düstere Ausblicke: GdW-Präsident Axel Gedaschko zu Gast im Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden – Was tun, wenn der Gashahn abgedreht wird?
„Halten Sie schon mal Ausschau nach dem Apotheken-Notdienst, denn nach dem Vortrag brauchen Sie vielleicht Aspirin . . .“ Es gibt zweifellos Einstiege mit größerem Motivierungspotenzial, aber was Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (Berlin), den rund 100 Teilnehmern der Monatsveranstaltung des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden mitteilte, dürfte gewiss bei dem einen oder anderen zu Kopfschmerzen geführt haben. Sein Thema: Zeitenwende im Klimaschutz. Die erste Präsenzveranstaltung ohne Maskenpflicht seit Beginn der Corona-Pandemie bot dann auch gleich eine nahtlose Fortführung in die nächste Krise. Wenn der russische Kriegstreiber Putin den Gashahn abdreht, wird es ungemütlich. Und dabei ist Gas nur ein Problem von vielen.
Gedaschko: „Vor fünf Monaten hatten wir noch große Ziele – nachzulesen im Regierungsprogramm: 400 000 neue Wohneinheiten sollten gebaut werden. Und der Klimaschutz sollte vorangetrieben werden. Doch dann kam alles anders. Jetzt haben wir die Zeitenwende. Wir müssen das Undenkbare denken – es geht um Souveränität.“ Den aktuellen Angriff auf die Ukraine bezeichnete der ehemalige Hamburger Wirtschaftssenator (in der Ära von Beust) als „Rückfall in finsterste Zeiten“. Und er sagte: „Wie gehen wir eigentlich damit um, wenn der Gashahn abgedreht wird?“ Die Gasversorgung, so Gedaschko, habe extrem viel mit Immobilien zu tun.
Es droht die „Versorgungs-Triage“
Ursprünglich sollten im Zuge der geplanten Energiewende 30 bis 50 neue (!) Gaskraftwerke ans Netz gehen. Stattdessen, so der G ast, werde jetzt Fracking-Gas aus den USA und LNG aus Katar benötigt – was maximal die Hälfte des bisherigen Anteils russischen Erdgases ersetzen könne. Gedaschko: „Alles, was wir tun, wird nicht reichen, bis Jahresende genügend Gas zu bekommen. Wenn bis dahin die Speicher nicht voll sind, droht die sogenannte Versorgungs-Triage.“ Verschärft werde die Situation durch die Flüchtlinge aus der Ukraine und der Abwanderung der russischen Intelligenz nach Westen. Dies erhöhe den Druck auf dem Wohnungsmarkt zusätzlich.
Der Rat des obersten Vertreters von 3000 Wohnungsunternehmen in Deutschland: „Ad-hoc-Sparen! Wir müssen sofort anfangen, den Gasverbrauch zu drosseln. Und zwar jetzt – sonst ist es zu spät.“ Immerhin ein paar Hände gingen in die Höhe, als Gedaschko ins Publikum fragte, wer denn zu Hause schon die Heizung gedrosselt habe. Sein Rat: „Lassen Sie Ihre Heizungsanlage überprüfen und korrekt einstellen. Das allein spart schon bis zu 15 Prozent. Richtiges Lüften spart weitere 20 Prozent. Wenn das alle beherzigen, können wir Putin ins Leere laufen lassen.“
Der CDU-Mann Gedaschko sprach auch die aktuelle Diskussion darüber an, wer eigentlich zuerst abgeschaltet werden sollte, wenn das Gas ausbleibt: die privaten Nutzer oder die Industrie? Beides wäre verheerend. Einfach die Heizung abzustellen und mal einen Winter Kälte auszuhalten, sei keine gute Idee: „Dann platzen im Winter möglicherweise alle Ver- und Entsorgungsleitungen – deshalb: Die Gebäude müssen funktionsfähig bleiben. Andererseits: Es gibt Industrieanlagen, die lassen sich nie wieder in Betrieb nehmen, wenn sie einmal abgeschaltet sind. Auch hier droht immenser Schaden.“
„Das ist der perfekte Sturm“
Fazit des Referenten: Energiesparen muss Volkssport werden! Speziell die Nutzer im Bereich Wohnen sollten sofort anfangen zu sparen, wo es irgend geht. Zusätzlich sei es notwendig, die vielen Regularien zu streichen, die heute noch verhindern, dass intelligente dezentrale Energiekonzepte in Deutschland umgesetzt werden können. Hinzu kämen Lieferengpässe bei Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen, Handwerker-Mangel, fehlende Baumaterialien, der Abbau von staatlicher Förderung, Skepsis gegenüber Geothermie, einer verbreiteten Energiequelle in Deutschland, und steigende Baupreise. Gedaschko: „Das ist der perfekte Sturm!“