Siemens Gamesa baut in Cuxhaven jetzt Windkraftturbinen, die so groß sind wie ein Einfamilienhaus.
Von Heike Leuschner
Es ist ein Meilenstein in der noch jungen Werksgeschichte von Siemens Gamesa in Cuxhaven: Das erste in Serie produzierte Maschinenhaus einer Offshore Windkraftanlage SG 11.o-200 DD hat jetzt die Werkshalle verlassen. Die neuen 11-Megawatt-Turbinen sind bereits die dritte Anlagen-Generation, die in Cuxhaven gefertigt wird. Bis zum Sommer sollen der ersten Anlage 139 weitere folgen. Sie werden im Offshore-Windpark Hollandse Kust Zuid in den Niederlanden installiert.
Menschenansammlungen sind tabu in diesen Zeiten. Und so ist es einem guten Dutzend Mitarbeitern und Gästen vorbehalten, die kurze „Jungfernfahrt“ der ersten Cuxhavener 11-MW-Anlage aus der Werkshalle mit eigenen Augen zu erleben. Doch die Werksleitung hat vorgesorgt: Ein Team filmt das Ereignis sogar aus der Luft, damit auch die insgesamt rund 1000 Beschäftigten diesen Moment aus verschiedenen Perspektiven erleben können.
Die neue Riesenturbine lässt Menschen neben sich wie Zwerge erscheinen. Mit einer Höhe von mehr als zehn Metern ist sie so hoch wie ein Einfamilienhaus. In ihr steckt ein gigantisches Kraftwerk mit einer Leistung von elf Megawatt. „Damit lassen sich rund 11 000 Haushalte mit Strom versorgen“, sagt Produktionsleiter Kristoffer Mordhorst. Insgesamt 140 solcher Maschinenhäuser werden in den kommenden Monaten in Cuxhaven im Auftrag des schwedischen Energieunternehmens Vattenfall für den Offshore-Windpark Hollandse Kust Zuid in den Niederlanden gefertigt. Dieser wird, so Unternehmenssprecherin Michaela Finnie, zum Zeitpunkt seiner Inbetriebnahme mit 1500 Megawatt Leistung der größte der Welt sein und zugleich der erste subventionsfreie Offshore-Windpark in Europa.
Wirtschaftsingenieur Mordhorst ist einer von derzeit rund 1000 Beschäftigten bei Siemens Gamesa in Cuxhaven; 650 von ihnen gehören zur festen Belegschaft. 2016 ist er für Siemens Gamesa nach Cuxhaven, in die Stadt seiner Kindheit, zurückgekehrt. Bereut habe er diesen Schritt bis heute nicht. „Im Gegenteil“, sagt er, „ich werbe dafür, dass es sich in Cuxhaven gut arbeiten und gut leben lässt“.
Als die erste in Serie gefertigte 11-Megawatt-Anlage aus der Cuxhavener Halle rollt, steht Mordhorst der Stolz ins Gesicht geschrieben. Es gebe eine Menge Dinge, die einem in einem solchen Moment durch den Kopf gingen, sagt der 41-Jährige nach einem Moment des Staunens. „Das fängt mit der zeitgerechten Fertigstellung der 8-Megawatt-Anlagen an und geht mit dem Umbau der Produktionsanlagen weiter, für die erst mal die Halle leergeräumt werden musste.“
Nach der Eröffnung des Werks 2017 wurden hier bis 2018 noch 7-Megawatt-Turbinen und bis zum Frühjahr 2021 8-Megawatt-Turbinen gefertigt. Im Sommerhalbjahr 2021 mussten für den neuen 11-Megawatt-Anlagentyp die drei Produktionslinien in der 32 Meter hohen Fertigungshalle komplett neu aufgesetzt werden. Parallel dazu absolvierte ein Großteil der Belegschaft Qualifizierungsmaßnahmen – zum Teil im Haus, zum Teil im dänischen Schwesterwerk in Brande. Die Produktion der neuen Superturbinen hat erst gegen Ende vergangenen Jahres begonnen.
„Die erste SG 11.0-200 DD ist ein grandioser Jahresauftakt“, freut sich Anton Bak, Werksleiter von Siemens Gamesa in Cuxhaven. „Ich bin sehr stolz, dass es uns trotz der Widrigkeiten der Corona-Pandemie gelungen ist, im Zeitplan zu bleiben. So konnten wir einen reibungslosen Produktwechsel im Werk durchführen.“ Marc Becker, CEO der Business Unit Offshore und Geschäftsführer von Siemens Gamesa in Deutschland, ergänzt: „Die Fertigung in Cuxhaven läuft sehr gut. Das Werk und die SG 11.0-200 DD werden eine zentrale Rolle für das globale Wachstum der Offshore-Windenergie spielen. Wir freuen uns insbesondere, dass wir die neuen Offshore-Ziele der Bundesregierung mit lokaler Produktion und Wertschöpfung vor Ort unterstützen können, um den Erfolg der Energiewende in Deutschland zu sichern.“
Insgesamt sollen in den kommenden zwei Jahren mehrere hundert 11-Megawatt-Anlagen in Cuxhaven gebaut werden, bevor dann die 14-MW-Anlagen-Generation folgt. Von der gibt es bislang nur einen Prototypen in Dänemark.