Der rettende Alkohol

Foto: HartmannDank des Großauftrages vom Land Bremen sind Betriebsleiter Guido Hagelstede und seine Mitarbeiter ausgelastet. ||Foto: Hartmann

Die kleine Chemiefabrik Derkum produziert im großen Stil Desinfektionsmittel.

Von Jannik Sauer

Vor zwei Wochen sah die Welt für Guido Hagelstede noch ziemlich düster aus. Er ist Betriebsleiter der Chemiefabrik Friedrich W. Derkum, die seit 1951 im Fischereihafen Reinigungsmittel und Autopolituren herstellt. „Viele Werkstätten und Restaurants, die einen großen Teil unserer Kunden ausmachen, mussten im Zuge der Corona-Krise schließen – so sind uns 50 Prozent des Umsatzes weggebrochen“, sagt der Lintiger, der in seiner Chemiefabrik neun Mitarbeiter beschäftigt. „Den ein oder anderen hätte ich sicher bald zum Arbeitsamt schicken müssen.“

Erschwerend kam hinzu: Hagelstede und seine Mitarbeiter saßen auf dem Trockenen. Zu Beginn der Corona-Krise verkaufte die Firma den Alkohol, den sie zur Herstellung von Reinigungsmitteln eingelagert hatte, an umliegende Apotheken und Krankenhäuser. Doch der Nachschub blieb aus.

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„Ich habe jede Menge Bestellungen aufgegeben, aber kleine Firmen wie wir müssen sich nun mal ganz hinten anstellen“,

sagt Betriebsleiter Hagelstede.

Das traditionsreiche Bremerhavener Unternehmen stand mit dem Rücken zur Wand – bis die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) Anfang April die Regeln änderte. „Zuvor durfte man Handdesinfektionsmittel nur mit zugelassenem Alkohol, meistens Isopropanol, herstellen“, erklärt Guido Hagelstede. „Weil der auf dem Markt aber gerade absolute Mangelware ist, ist es jetzt auch mit nicht zugelassenem Alkohol, zum Beispiel Bio-Ethanol, der bei der Verarbeitung von Zuckerrüben anfällt, möglich.“

Die Karten wurden neu verteilt und Hagelstede reagierte schnell. Weil die Firma Derkum in der Vergangenheit schon selber Desinfektionsmittel hergestellt hatte, bekam er vom Gewerbeaufsichtsamt die Freigabe, jetzt mit nicht zugelassenem Alkohol arbeiten zu dürfen.

„Ich bin kein Chemiker, aber ich weiß, was ich darf und was nicht. Alkohol ist Alkohol, da sind sich Virologen und Ärzte einig. Wäre es nicht so, hätte der Bund das niemals freigegeben“ ,

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sagt Hagelstede. Dann ging alles Schlag auf Schlag. „Dr. Boris Klein, Referatsleiter für Gefahrstoffe bei der Gewerbeaufsicht des Landes Bremen, hat uns beim Bremer Krisenstab, der händeringend nach Desinfektionsmittel sucht, ins Gespräch gebracht“, berichtet Hagelstede. „Doch dass wir den Zuschlag bekommen und nicht irgendein Riesenwerk aus Bremen, hielt ich für unmöglich. Uns kennt ja keiner und was die mal schnell automatisch abfüllen, machen wir mit der Hand.“

Doch entgegen aller Erwartungen ging der Großauftrag für 24.000 Liter Handdesinfektionsmittel tatsächlich an Derkum. Die kleine Bremerhavener Chemiefabrik hatte nämlich einen Trumpf.

„Während die großen Unternehmen laufende Produktionen haben und erst in ein paar Wochen starten können, können wir sofort loslegen“,

sagt Hagelstede. Er habe dem Krisenstab außerdem einen guten Preis genannt. „Wir werden davon nicht reich, aber in diesen schwierigen Zeiten rettet es uns das Leben.“

In den nächsten Tagen bekommt die Firma Derkum vom Land Bremen 20.000 Liter Ethanol geliefert. Nach einer Rezeptur der Weltgesundheitsorganisation WHO wird das Ethanol dann in Kombination mit Wasserstoffperoxid, Glycerin und destilliertem Wasser in Handdesinfektionsmittel verwandelt.