Die großen Profiteure sind kraftstoffintensive Unternehmen. Das TAGEBLATT sprach mit einigen aus der Region.Die Lage ist paradox: Kurz nach dem Weltklimagipfel in Paris purzeln die Preise auf den Leuchttafeln der Tankstellen. Für Verbraucher nicht unbedingt ein Anreiz, das Auto stehen zu lassen. Geschweige denn, auf erneuerbare Antriebe zu setzen. „Tankeschön“ titelte die „Bild“-Zeitung vor wenigen Tagen. Damit dürfte die Zeitung auch im Namen von vielen kraftstoffzehrenden Betrieben sprechen, deren Fuhrparks mit Diesel befeuert werden. Jährlich sechs Millionen Liter davon verfährt die KVG Stade auf den hiesigen Straßen. Der Preisverfall beim Kraftstoff wirke sich aber nur mittelbar auf das Geschäft aus, wie Sprecher Michael Fastert sagt. Entscheidend sei der Jahresdurchschnitt. Denn: Das Busunternehmen hat für die meisten Beförderungsgebiete im Landkreis Stade mit den Vertragspartnern Klauseln vereinbart, die Ausschläge bei den Diesel-Preisen ausgleichen – wohlgemerkt, in beide Richtungen.
Hinter dem Preisrutsch beim Kraftstoff steckt nach Meinung von Experten ein Überangebot, das von der Opec (Organisation Erdöl exportierender Länder) verursacht wird. Das multinationale Kartell hat seine Strategie beim Verkauf drastisch geändert und pumpt zurzeit große Mengen Rohöl in den Markt. Infolgedessen steigt die Konkurrenz, die Preise sinken. Analysten gehen nicht davon aus, dass die Kurse in der nahen Zukunft steigen.
Die Energiekosten machen bei der Firma Pape Logistics aus Hollern-Twielenfleth circa 40 Prozent des Frachtpreises aus, wie Geschäftsführer Mirko Pape vorrechnet. Daher profitiert das Unternehmen stark von den aktuellen Niedrigpreisen beim Diesel. „Einerseits spielt uns das natürlich in die Karten, andererseits erwarten unsere Partner in den Verhandlungen wegen der Kurse ein gewisses Entgegenkommen“, sagt der Diplom-Wirtschaftsingenieur.
Sollte sich der niedrige Preis verstetigen, so könnten längere Routen, etwa ins europäische Ausland, wieder lukrativ werden. Mit 15 eigenen Lkw, die knapp 30 Liter je 100 Kilometer verbrauchen, macht der Kraftstoff noch vor den Personalkosten bei Pape den größten Kostenfaktor aus.
Im Vergleich mit 2007 strömt in diesem Land zehn Prozent mehr Sprit aus den Zapfhähnen. Jedes zweite neu zugelassene Fahrzeug ist ein Diesel. In den Augen des Bundesumweltamts ist der Kraftstoff dafür aktuell zu billig. Deswegen hat die Behörde die Abschaffung von Steuervergünstigungen für Diesel empfohlen – mit Blick auf die schlechte Luft in Ballungsräumen.
„Ich sehe keine Notwendigkeit, an der Besteuerung für Diesel etwas zu ändern“, entgegnete der Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) pflichtet dem Minister bei. Damit würden Verbraucher und Firmen zu Leidtragenden der schwachen Vorschriften zur Kontrolle von Abgasen gemacht, sagte der ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker.
Derselben Ansicht sind Taxi-Unternehmer in der Region. „Die Preise sind ein warmer Regen für unsere Branche“, sagt Holger Nehring, Inhaber von City-Taxi in Buxtehude. Durch die günstigen Sprit-Preise habe er im vergangenen Jahr Mehrkosten wie den Mindestlohn abfedern können. Bei einem Fuhrpark von 22 Taxis und einem Lkw zahlt der Unternehmer wöchentlich 3000 bis 3500 Euro für Kraftstoff. Zu Spitzenzeiten sei es gut das Doppelte gewesen. Nehring: „Hoffentlich irre ich mich, aber ich denke, die Talsohle bei den Diesel-Preisen ist so langsam leider erreicht.“