Im Interview: Prof. Dr. Burkhard Lemper zur Entwicklung des weltweiten Schiffbaus.
Von Christoph Bohn
Die Aufträge für neue Handelsschiffe sind bis ins Jahr 2020 zurückgegangen. Wie stark war der Einbruch, und was waren die Gründe?
Seit 2013 gab es einen deutlichen Rückgang im Handelsschiffbau. Im Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2020 betrug das Auftragsvolumen nur gut die Hälfte des Jahres 2013. Das änderte sich 2021. Grund für die starke Zurückhaltung bei den Neubestellungen waren Überkapazitäten und eine recht schwache Ertragslage in praktisch allen Segmenten der Handelsschifffahrt.
In einer Untersuchung hat das ISL festgestellt, dass 2021 wieder verstärkt neue Schiffe bestellt wurden. Was ist hier der Hintergrund?
Im Jahr 2021 war das Ordervolumen über alle Schifffahrtssegmente gegenüber 2020 mehr als verdoppelt. Besonders stark legten die Containerschifffahrt, Gastanker und Auto-Carrier zu. Dies ist letztlich in der guten Marktlage mit hoher Auslastung und in vielen Fällen hohen Gewinnen begründet – und natürlich in optimistischen Zukunftserwartungen.
Ihre Mitteilung zu der Untersuchung haben Sie mit „Ist der Abwärtstrend im Handelsschiffbau gestoppt?“ überschrieben. Mit Blick auf die weitere Entwicklung seitdem – ist der Abwärtstrend gestoppt? Wenn ja, mit was für einer Dynamik rechnen Sie?
Ja, die Neubauaufträge haben sich gegenüber 2020 mehr als verdoppelt, das ist sicher ein gestoppter Trend. Ob dies eine nachhaltige Trendwende sein wird, bleibt abzuwarten. Hier sind noch Unsicherheiten unter anderem durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie, die Effekte auf den Welthandel vorhanden.
Lange Zeit gab es ein Überangebot an Schiffstonnage. Steht zu befürchten, dass sich das jetzt wiederholen könnte?
Nein, im Durchschnitt ist das Orderbuch mit neun Prozent in Relation zur fahrenden Flotte aktuell nur etwa halb so groß wie 2014. Allerdings wurde gerade im Bereich der Containerschifffahrt 2021 sehr viel bestellt und hier besteht je nach Marktentwicklung mit Ablieferung der neuen Tonnage in 2023 und 2024 die Gefahr der Ausbildung eines Überangebots.
Sie haben festgestellt, dass hauptsächlich chinesische und südkoreanische Werften von dem Auftragsplus profitieren. Selbst europäische Reedereien bestellen nicht in Europa. Wo liegen die Wettbewerbsvorteile der asiatischen Werften? Was müssten europäische Werften tun, um mithalten zu können?
Die Branche – unter anderem der Verband für Schiffbau und Meerestechnik VSM – klagt über eine extreme Wettbewerbsverzerrung im globalen Markt durch Subventionen. Allein China soll in den letzten 15 Jahren gut 200 Milliarden Euro in den Aufbau der Schifffahrtsbranche gesteckt haben. Hinzu kommen natürlich gerade in China noch niedrigere Lohnkosten bei inzwischen steigenden Produktivitäten und auch wachsendem Know-how. Der Bau von Standard-Handelsschiffen dürfte für deutsche und europäische Werften kein Markt mehr sein. Hier bleibt vor allem die Konzentration auf Spezialschiffe mit hohem technischem Anspruch, unter anderem Kreuzfahrt, Jachten, auf größere Reparaturen und Umbauten sowie in Zukunft auf die Umrüstung von vorhandenen Schiffen auf alternative Kraftstoffe beziehungsweise zur Erfüllung anderer Umweltregularien.
Deutsche Werften haben bislang vom Bau von Kreuzfahrtschiffen profitiert. Doch Corona hat die Kreuzfahrtbranche ausgebremst. Wie hat sich das auf die Bestellungen neuer Schiffe ausgewirkt? Ist mit einer Besserung nach Corona zu rechnen?
In den Jahren 2020 und 2021 wurden weltweit nur je fünf kleine Kreuzfahrtschiffe bestellt, nachdem es zuvor über Jahre im Durchschnitt rund 35 pro Jahr waren. Dabei hatten die europäischen Werften immer einen sehr hohen Anteil. Nach Corona ist hier sicherlich mit einer Besserung zu rechnen, zumal in den letzten beiden Jahren auch Kreuzfahrtschiffe durch Verschrottung aus dem Markt gegangen sind und ersetzt werden müssen. Allerdings wird auch in diesem Segment die Konkurrenz durch chinesische Werften zunehmen, sodass die Erholung nur zu einem Teil bei den deutschen und europäischen Werften spürbar werden wird.