Eine Kolumne von Dr. Simone Wick
Gerade aktuell beschäftigt sich Deutschland und die Welt wieder ganz intensiv mit Corona und den dadurch entstehenden Einschränkungen. Stay-at-home, Home-Office und Reisebeschränkungen prägen das Leben vieler. Im Zuge der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie werden somit auch grenzüberschreitende Reisen auf ein Minimum reduziert. Die Kommunikation konzentriert sich auf die Nutzung digitaler Medien.
Welche Auswirkungen hat eine solche Ausnahmesituation auf Arbeitnehmerentsendungen? Diese werden zum Teil verschoben oder ganz gestrichen. In anderen Fällen müssen Aufgaben trotz Pandemie erledigt werden. Der jeweilige Arbeitnehmer bleibt in solchen Fällen vermehrt im bisherigen Wohn- und Tätigkeitsstaat, erbringt seine Tätigkeiten aber für ein ausländisches Unternehmen. Somit handelt es sich quasi um „virtuelle Entsendungen“. Im Folgenden werden die steuerlichen Folgen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer kurz beleuchtet.
Folgen für Arbeitgeber – Outbound-Fall
Beispiel: Arbeitnehmerin A wohnt in Deutschland und war bisher bei der deutschen D-GmbH tätig. Sie soll ab Oktober für zwei Jahre zu einer spanischen Tochtergesellschaft entsendet werden und würde nur in Spanien leben und arbeiten. Aufgrund der Covid-19-Pandemie wird sie für den Zeitraum der Entsendung allerdings nicht nach Spanien ziehen, sondern von Deutschland aus für die spanische Gesellschaft tätig sein. Dafür mietet die spanische Gesellschaft extra Büroräume an.
In einem solchen Fall ist grundlegend zu prüfen, ob die in Deutschland verbleibende Arbeitnehmerin eine deutsche Betriebsstätte des ausländischen Unternehmens begründet, da hiermit diverse steuerliche Auswirkungen sowohl bei dem Arbeitgeber als auch bei der Arbeitnehmerin verbunden sind. Dazu bedarf es grundsätzlich einer festen Einrichtung, die der Tätigkeit des Unternehmens dient und die in nicht nur vorübergehender Verfügungsmacht des Unternehmens steht.
Bitte beachten: Ist die am bisherigen Arbeitsort verbleibende Arbeitnehmerin berechtigt, für das ausländische Unternehmen bindende Verträge abzuschließen, hat also Zeichnungsbefugnis, die sie regelmäßig ausübt, kann auch ohne feste Einrichtung eine sogenannte Vertreterbetriebsstätte vorliegen.
Eine deutsche Betriebsstätte des ausländischen Unternehmens hat steuerlich wie schon erwähnt weitreichende Folgen. Ausgehend von den nationalen Regelungen wird ein ausländisches Unternehmen mit den zugehörigen Einkünften zumindest beschränkt steuerpflichtig. Auch die abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) weisen Deutschland regelmäßig das Besteuerungsrecht für die Einkünfte zu, die der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Der ausländische Staat rechnet entweder die deutsche Steuer an oder stellt die Gewinne der Betriebsstätte (unter Progressionsvorbehalt) steuerfrei. Ob sich dadurch Unterschiede in der Steuerbelastung für die Gesellschaft ergeben, hängt von den konkreten Steuersätzen in den beteiligten Ländern und der Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ab.
Zusätzlich kann sich für den ausländischen Arbeitgeber die Pflicht zum Lohnsteuereinbehalt ergeben, da alle inländischen Arbeitgeber hierzu verpflichtet sind. Begründet ein ausländisches Unternehmen eine deutsche Betriebsstätte, ist somit Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen.
Zurück zum Beispiel: Es wird eine Betriebsstätte der spanischen Tochtergesellschaft in Deutschland begründet und die spanische Gesellschaft ist mit den auf die Betriebsstätte entfallenden Einkünften in Deutschland beschränkt steuerpflichtig. Spanien vermeidet die Doppelbesteuerung, indem es die in Deutschland erhobene Steuer auf die entsprechende spanische Steuer anrechnet. Die spanische Tochtergesellschaft ist verpflichtet, für A Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen.
Folgen für Arbeitnehmer – Outbound-Fall
Hat eine natürliche Person nur einen Wohnsitz in Deutschland und übt im Rahmen einer virtuellen Entsendung die Tätigkeit aus einem Arbeitsverhältnis (weiterhin) nur in Deutschland aus, besteht in der Regel nur in Deutschland eine unbeschränkte Steuerpflicht. Eventuell kann im Staat des Arbeitgebers nach den nationalen Regelungen eine Steuerpflicht aufgrund eines Verwertungstatbestands entstehen, die allerding in der Regel durch ein DBA eingeschränkt wird. Es kommt somit in der Regel nicht zu einem Doppelbesteuerungskonflikt. Im Fall einer tatsächlichen Entsendung hätte dagegen in vielen Fällen der ausländische Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht.
Fortsetzung des Beispiels: Weil A ihre Tätigkeit für die spanische Gesellschaft von Deutschland aus ausübt, bleibt sie nur in Deutschland steuerpflichtig. Ihr Arbeitslohn unterliegt allein in Deutschland der Steuer. Wäre A im Rahmen der Entsendung nach Spanien gezogen, würde ihr Arbeitslohn in unserem Beispiel der spanischen Steuer unterliegen.
Folgen für Arbeitgeber – Inbound-Fall
Im Inbound-Fall wird ein Arbeitnehmer, der bisher für ein ausländisches Unternehmen tätig war, von seinem bisherigen Arbeitsort aus für ein deutsches Unternehmen tätig. Steuerliche Konsequenzen ergeben sich zumeist genau umgekehrt zu obigem Beispiel, wenn der Arbeitnehmer eine Betriebsstätte des deutschen Unternehmens im Ausland begründet. Hierzu ist das jeweilige nationale Recht und das einschlägige DBA heranzuziehen. Liegt eine Betriebsstätte vor, wird die deutsche Gesellschaft mit den darauf entfallenden Einkünften im Ausland beschränkt steuerpflichtig. In den meisten deutschen DBA ist die Freistellungsmethode verankert, sodass es hinsichtlich der Einkünfte der Betriebsstätte bei der ausländischen Steuerbelastung verbleibt, wobei ggf. der Progressionsvorbehalt zu beachten ist. In einigen Fällen greift allerdings auch die Anrechnungsmethode, sodass die ausländische Steuer nach den anwendbaren Regelungen ganz oder zumindest teilweise angerechnet wird. Nicht vergessen: Auch in diesem Fall ist zu prüfen, ob der Arbeitgeber für den im Ausland tätigen Arbeitnehmer Lohnsteuer einbehalten und abführen muss.
Folgen für Arbeitnehmer – Inbound-Fall
Auch für Arbeitnehmer gelten die obigen Ausführungen grds. spiegelbildlich: Ein Arbeitnehmer mit Wohnsitz in dem Staat, in dem er für ein deutsches Unternehmen tätig ist, ist nur in diesem Staat unbeschränkt steuerpflichtig. Nach rein nationalem Recht kann sich abhängig von der Tätigkeit eine beschränkte Steuerpflicht ergeben, wobei zumeist eine Einschränkung durch das jeweilige DBA erfolgt. Im Fall einer tatsächlichen Entsendung hätte vorbehaltlich einer Anwendung der 183-Tage-Regel Deutschland das Besteuerungsrecht.
Abschließender Hinweis: Neben den steuerlichen Folgen sind in grenzüberschreitenden Entsendefällen immer auch arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Aspekte zu würdigen und Meldepflichten zu beachten.