„Das Herz der Menschen erreichen“

Freute sich über einen schlagfertigen und kurzweiligen Gast mit Sendungs­bewusstsein: hit-Technopark-Inhaber Christoph Birkel kurz vor dem Vortrag mit Ewald Lienen. Foto: Oliver Hardt/AEMEDIA

hit-Innotalk: Ewald Lienen (FC St. Pauli) über Handtaschen, Werte, Trainerlegenden und Wirtschaftswachstum.

Er hatte sich gut vorbereitet: „Was wollen Sie eigentlich von mir?“ Mit dieser Frage überraschte Ewald Lienen, ehemaliger deutscher Stürmerstar, Trainer und heute Technischer Direktor beim FC St. Pauli, seinen Gastgeber Christoph Birkel im hit-Technopark sowie etwa 200 Gäste, die sich für den Innotalk 2020 angemeldet hatten. Für gewöhnlich liegt die Antwort auf der Hand: ein paar Tipps zum Thema Motivation, Kommunikation und Wertschätzung von Mitarbeitern – zusammengefasst in der Frage „Was kann Wirtschaft vom Profifußball lernen?“.

Die Herausforderung für den Redner: Vieles von dem, was er Unternehmern normalerweise erzählt, wird im hit-Technopark bereits umgesetzt. Christoph Birkel in seiner Begrüßung: „Das Wichtigste sind unsere Mitarbeiter. Wir glauben daran, dass wir die Herausforderungen an die Zukunft nur im Netzwerk meistern können.“ Um das konkret umzusetzen, zieht Birkel derzeit alle Register. Vor diesem Hintergrund rannte Ewald Lienen mit seinem Thema offene Türen ein, allerdings waren unter den Zuhörern auch viele Gäste, die nicht im Technopark mit seinen 110 Unternehmen zu Hause sind.

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Fast zwei Stunden lang zog Lienen Parallelen zwischen dem Profifußball und der Wirtschaft. Darunter durchaus provokante Thesen wie beispielsweise diese:

„Das Erzielen von Gewinnen kann nicht das ewige Kriterium für das Wirtschaften sein.“ Und: „Wir haben es mittlerweile mit Konzernen oder Konsortien zu tun, die wirtschaftlich stärker sind als ganze Staaten. Und wenn wir in Deutschland einen Rückgang beim Wirtschaftswachstum haben, bricht gleich die Krise aus. Warum eigentlich? Diese Krise haben doch nur die Aktionäre. Warum wollen Menschen immer mehr Gewinne machen – nur um mit einer lächerlichen Louis-Vuitton-Tasche herumzulaufen und so ihre Persönlichkeitsdefizite zu kompensieren?“

Ewald Lienen

Es geht um
Charakterbildung

Lienens Antwort: Es gehe nicht um ständiges Wachstum, sondern um Charakterbildung. Er bemühte dazu eine interessante Analyse, die der von ihm sehr geschätzte und mittlerweile verstorbene US-Bestsellerautor Stephen Covey vor einigen Jahren erstellt hatte – 200 Jahre Literaturcheck. Lienen: „Er fand heraus, dass in der Literatur 150 Jahre lang Werte wie Fleiß, Treue, Demut, Ehre, Dankbarkeit und Bescheidenheit thematisiert wurden. In den jüngsten 50 Jahren ging es dann nur noch darum, wie ich nach außen wirke und welche Techniken ich einsetzen kann, um bestimmte Wirkungen zu erzielen.“

Lienen verpackte in seinem Vortrag, der auch mit einigen persönlichen Anekdoten sowie Einblicken in das Trainerleben bestückt war, einen Appell, die guten Werte wieder in den Mittelpunkt zu rücken: „Werte sind wie eine Landkarte, auf der wir uns orientieren können.“ Dies habe ihm auch in seiner Trainerzeit geholfen:

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„Ich war 38 Jahre alt, Trainer und hatte keine Ahnung, wie ich mit den Spielern umgehen sollte. Es ist wie in der Schule: Lehrer scheitern nicht am fehlenden Fachwissen, sondern an ihrem Umgang mit Schülern. So ist es auch mit Trainern und Spielern.“

Ewald Lienen

Das habe er damals erkannt und für sich neu umgesetzt. Als herausragende Beispiele führte er Jupp Heynckes und Jürgen Klopp an. Lienen: „Wir müssen das Herz der Menschen erreichen, nicht nur die Leistung abrufen.“ Ein Tipp, der auch dazu geeignet ist, die Mitarbeiter in Unternehmen neu zu beflügeln. wb