Warten auf HIP Two: Ein B&P-GESPRÄCH
Das Ziel ist klar definiert: Harburg soll das Zentrum der „Innovation City Hamburg“ werden und ist nicht zuletzt aufgrund der Technischen Universität Hamburg auf dem besten Wege, sich als Standort zu etablieren, an dem Wirtschaft und Wissenschaft eng zusammenrücken. Eine Schlüsselrolle kommt dabei dem Hamburg Innovation Port HIP zu, einem ambitionierten Projekt von Channel-Begründer und Investor Arne Weber. Er ist angetreten, der TUHH im Binnenhafen den dringend benötigten Raum für die nächsten Wachstumsschritte zu beschaffen: Büros, Labore, Werkstätten und Kommunikationsflächen. Um dieses Thema ging es Ende März im Rahmen einer exklusiven Konferenzschaltung mit TUHH-Präsident Prof. Dr.-Ing. Andreas Timm-Giel, dem TU-Neuzugang Prof. Dr. Timo Heinrich (siehe auch Seite 48), 3D.aero-Mitbegründer Michael Ernst und Arne Weber im HIP One, dem ersten fertigen Gebäude an der Blohmstraße. Schnell wurde in dem Gespräch deutlich, dass die Zeit drängt. Bereits ab Oktober ist die Raumsituation an der TUHH so angespannt, dass noch nicht klar ist, wo die dann erwarteten neuen Professoren arbeiten sollen, wie Timm-Giel sagte.
„Informelle Kontakte entstehen durch räumliche Nähe . . .“
Weber ist angetreten, den HIP je zur Hälfte mit Unternehmen und mit Wissenschaftlern zu füllen. Mit 3D.aero ist ein Unternehmen aus dem Luftfahrtkontext bereits eingezogen. Arne Weber: „Leider ist unsere 50:50-Rechnung noch nicht aufgegangen, auch weil die TUHH so einen großen Raumbedarf hatte. Das wollen wir in HIP Two ausgleichen.“ Auch hier wird für die TUHH geplant, sie ist als Ankermieter vorgesehen. Dazu TUHH-Präsident: „Eine Aufgabe der TUHH ist es, den Informationsaustausch zwischen der Wissenschaft und der Industrie zu gestalten. Das ist keine Einbahnstraße – wir profitieren in beiden Richtungen voneinander. Die räumliche Nähe ist deshalb sehr wichtig. Auch mit Blick auf Absolventen, die sich in Richtung Gründung bewegen. Man trifft sich auf der Spielwiese im HIP one, auf den Fluren oder in der Kaffeepause, ist im Austausch miteinander und teilt die Ressourcen. So stellen wir uns das hier vor.“
Ende vorigen Jahres zog Prof. Heinrich in den dritten Stock des HIP-Neubaus. Seine Erfahrung: „Der Austausch ist derzeit natürlich sehr eingeschränkt, aber uns ist schon klargeworden, dass beispielsweise auf der Spielwiese (siehe Seite 1) Kontakte über die TUHH hinaus entstehen. Informelle Kontakte entstehen durch räumliche Nähe.“ Heinrich erforscht unter anderem den Wert von sozialer Nähe und Kommunikation auf ökonomische Prozesse und entwickelt entsprechende Modelle.
Michael Ernst entwickelt mit seinen Kollegen bei
3D.aero unter anderem automatisierte Prüfsysteme für sensible Bauteile von Flugzeugturbinen. Dazu werden Roboter eingesetzt, die mithilfe von Messgeräten kleinste Beschädigungen oder feinste Risse in Turbinenschaufeln aufspüren, die in bestimmten Zyklen auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft werden müssen. Der extreme technische Aufwand lohnt, weil auch diese Bauteile einen extrem hohen Wert haben. Das Anzapfen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse kann hier hilfreich sein.
„Die Innovationskraft hat im vorigen Jahr gelitten“
Ernst zu den Auswirkungen von Corona, also der Abwesenheit von Präsenz: „Bei unserer täglichen Arbeit entstehen die besten Ergebnisse in der Gruppe. Da ist diese kontaktlose Zeit eine echte Herausforderung. Wir haben schon registriert, dass unsere Innovationskraft im vorigen Jahr etwas gelitten hat, einfach weil die Leute so verstreut sind. Durch die jüngste Coronawelle fürchte ich schon, dass es sich weiter hinziehen wird, bis wir wieder zusammensitzen können. Wir brauchen diesen Inkubator, in dem sich alle gegenseitig mit ihren Ideen befruchten können.“
Genau das ist die Idee des Hamburg Innovation Port. Ernst: „Die Präsenz der TUHH hier im HIP passt für uns wie die Faust aufs Auge. Wir sind ja sozusagen eine Ausgründung der TU – das passt perfekt zusammen. Und wir haben hier die perfekte Infrastruktur vor Ort.“
Ab Oktober: Wohin mit den neuen Professoren?
Den Bau des HIP one hatte Weber in Vorleistung erstellt – der Mietvertrag der TUHH kam erst später, aber rechtzeitig zustande. Beim ungleich größeren HIP Two wünscht er sich nun vor dem Baustart eine feste Zusage. Mittlerweile wird es auch für die TU eng, denn die Wachstumsstrategie erfordert dringend mehr Platz. Timm-Giel: „Wir haben einen deutlichen Flächenbedarf – sowohl an Labor- als auch Büroflächen. So etwa 6000 bis 10 000 Quadratmeter. Für neue Professuren und aufwachsende Institute wird es ab Oktober 2021 knapp. HIP One ist dann voll belegt. Für das Wachstum werden daher ab 2022 dringend neue Flächen benötigt und wir wünschen uns natürlich, dass wir sie in der Nähe realisieren können. Das heißt: im Binnenhafen oder am Schwarzenberg Campus. Dort geht allerdings nichts mehr.“
Die Uni braucht insbesondere Laborflächen und denkt auch über einen bundesfinanzierten Forschungsbau nach. Der Bedarf wird mittelfristig deutlich in die Höhe schnellen, weil das Technikum saniert oder ersetzt werden muss, wie TUHH-Präsident Timm-Giel sagt. Weber könnte sofort loslegen und hat auch dieses Thema eingeplant. Arne Weber steht Gewehr bei Fuß: „Sobald der Mietvertrag steht, können wir bauen und kurzfristig Flächen bereitstellen, da wir Investor und Bauunternehmen zugleich sind.“
Sanierung oder Neubau? TUHH geht jetzt in die Planung
Laut Timm-Giel ist der Binnenhafen das ideale Quartier, um die TUHH zukunftsfähig aufzustellen und auszuweiten. „Wir sprechen über einen Zeitraum von zehn Jahren. Die ersten Planungen müssen jetzt beginnen.“ Dasselbe gilt für die Vorplanung der Mietverträge. Deshalb versucht die TUHH, ihre Vorhaben in die Haushaltsplanungen 2023/24 einzubringen. Timm-Giel geht davon aus, dass in den kommenden Monaten Klarheit geschaffen wird. Zwischenanmietungen könnten für kurzfristig entstehenden Bedarf eine Übergangslösung sein. Die Stadt sitzt immer mit im Boot, da das Bauthema und die Anmietung in ihrer Hoheit liegen.
Insgesamt hält der TUHH-Präsident Harburg für einen sehr erfolgversprechenden Standort – sowohl für die TU-Pläne, als auch die Neuansiedlung weiterer Firmen, die die TU-Nähe suchen. Harburg als Standort für Innovationen und Technologietransfer zu setzen, sei sinnvoll. Und: „Wenn ich als Unternehmer vorhabe, mich in Hamburg anzusiedeln, sollte ich mir Harburg unbedingt anschauen.“ Beeindruckt vom Binnenhafen äußert sich auch Prof. Heinrich, der erst seit Oktober an der TU forscht und lehrt. wb