TalpaPower kommt direkt aus der Erde

Die Vision: Thomas Ludewigt vor einem Roll-up, auf dem ein Netz von dezentralen Tiefengeothermie-Kraftwerken in Deutschland abgebildet ist. Foto: Wolfgang Becker

In Tostedt: MoleBot Engineering entwickelt ein neues Bohrverfahren zur effizienten Nutzung der Tiefengeothermie.

Eine unerschöpfliche Energiequelle, die keinen Schaden anrichtet, weder Strahlung erzeugt noch die Umwelt zerstört und auf dem gesamten Planeten zur Verfügung steht – ein Menschheitstraum, der gar nicht so abwegig ist. Eine Lösung: Wasser als Grundstoff für die Wasserstoffproduktion. Sonne und Wind sind ebenfalls in Hülle und Fülle verfügbar. Und dann wäre da noch die Erde selbst – ein Permanentwärmespeicher. Wie wäre es also, einen Maulwurf „nach unten zu schicken“ und den Schatz zu heben? Genau mit diesem Thema befassen sich Thomas Ludewigt, Managing Direktor von MoleBot Engineering, sein Sohn Florian und ein mehrköpfiges Expertenteam. Ihre Idee: Ein Bohrroboter gräbt sich etwa 3000 bis 4500 Meter tief in die Erdkruste und zapft dort einen Hot­spot an, eine Heißwasser-führende Schicht oder Quelle, die so viel Power hat, dass damit an der Oberfläche ein Kraftwerk zur Stromerzeugung betrieben werden kann. Keine neue Idee, aber MoleBot (Kunstwort aus dem englischen Mole für Maulwurf und der Kurzform Bot für Roboter) steht für Tiefengeothermie in einer neuen technischen Dimension.

Bei den klassischen Bohrverfahren (Exploration) verringert sich der Durchmesser des Bohrlochs von Täufe zu Täufe (Tiefenlage). Das bedeutet: Bei sehr tiefen Bohrungen entsteht unten nur noch ein Loch von gut 20 Zentimetern Durchmesser (Stichwort Kaskadenbohrung). Hier in großen Mengen Heißwasser zu fördern, ist deshalb nicht möglich.

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Thomas Ludewigt: „Hinzu kommt, dass diese Bohrungen quasi blind stattfinden. Ich weiß oben nicht, was unten am Bohrkopf passiert. Es kann also geschehen, dass ich mein Ziel, zum Beispiel einen Hot­spot, verfehle. Da Tiefenbohrungen extrem teure Angelegenheiten sind, ist das Risiko hoch. Wir haben deshalb eine andere Idee entwickelt. Statt des üblichen Bohrkopfes setzen wir einen Wasserstrahlschneider ein. Unter hohem Druck von etwa 3000 bar lässt sich mit Wasser und Abrasiv auch Granit schneiden. Unser System ist zudem mit einem zweiten Roboter gekoppelt, der die Aufgabe hat, das Bohrloch auszukleiden und zu stabilisieren. Über Sensorik und eine Glasfaserdatenleitung können wir den MoleBot exakt steuern.“

Aus Erdwärme
wird Strom

Ein Loch allein reicht allerdings nicht aus. Ludewigt: „Wir sprechen von einem Thermo-Loop – zwei Bohrungen, die auf Höhe der heißen Schichten miteinander verbunden sind. Durch dieses U kann dann eine Leitung gelegt werden, durch die ein Fluid gepumpt wird – etwa wie im Kühlschrank. Das Fluid nimmt die Wärme auf und transportiert sie nach oben direkt ins Kraftwerk. Dort kommt über einen Wärmetauscher im Grunde Wasserdampf an – 180 bis 240 Grad heiß. Damit lassen sich Turbinen zur Strom­erzeugung antreiben.“

Das Verfahren klingt fast ein bisschen utopisch, zugleich aber auch ganz simpel. Tatsache ist: In Unterhaching und Landau stehen bereits zwei Kraftwerke, die Wärme aus der Tiefe fördern und Strom erzeugen. Einzig das zu kleine Bohrloch sorgt für eine vergleichsweise geringe elektrische Energieausbeute. Das ist der Punkt, an dem MoleBot Engineering ansetzt.

Thomas Ludewigt: „Wir haben für das neue Bohrverfahren bereits 2013 ein Patent angemeldet. Ich bin überzeugt, dass wir hier eine Technologie haben, die riesiges Potenzial hat. Hotspots in vergleichsweise geringer Tiefe finden wir in Bayern und im norddeutschen Becken. Mit unserem intelligenten Verfahren sind wir in der Lage, diese Punkte exakt zu treffen, unüberwindliche Hindernisse, zum Beispiel Kavernen oder massive Gesteinsformationen, zu umgehen und in einem Arbeitsgang ein stabil ausgekleidetes Bohrloch mit einem Durchmesser von etwa 1,20 Metern herzustellen.“

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Ludewigt weiter: „Die Nutzung der Tiefengeothermie zur Stromerzeugung ist technisch möglich, aber zugleich ist ein technischer Quantensprung erforderlich, um das real umzusetzen.“ Unter dem Namen TalpaPower (Talpa ist der lateinische Begriff für den Maulwurf) will er eine konfliktfreie und ökologisch unbedenkliche Energie-Alternative zur Windkraft, ja sogar zur Wasserstofftechnologie am Markt platzieren – braucht dazu aber finanzielle Unterstützung. „Wir müssen den Roboter entwickeln, was aber technisch kein Zauberwerk ist. Dazu die Sensorik und die Steuerungstechnik. Unser Ziel ist es, eine Probebohrung zu realisieren und den Nachweis zu erbringen, dass wir hier eine stetig sprudelnde Energiequelle zur Verfügung haben“, sagt der Maschinenbauingenieur, der früher unter anderem im Flugzeug- und Fahrzeugbau tätig war, dann durch ein berufliches Engagement in Celle Kontakt zur dort ansässigen Explorations-Szene bekam.

Ziel: Eine Probebohrung

2019 wurde MoleBot Engineering in Tostedt (Landkreis Harburg) offiziell als Unternehmen gegründet – beflügelt von der „Fridays for Future“-Bewegung, wie Ludewigt sagt. Er ist überzeugt:

„Die Zeit ist reif für eine neue Idee. Wenn wir die Finanzierung des Projektes realisieren, könnten wir technisch in drei bis fünf Jahren so weit sein. Unsere Vision: 2030 verfügt Deutschland über eine dezentrale Tiefengeothermie-Technologie zur CO2-freien Energieerzeugung.“

Thomas Ludewigt

Bleibt noch das Thema Geld. Thomas Ludewigt rechnet mit 50 Millionen Euro für die technische Entwicklung und weiteren 20 bis 30 Millionen für die erste Bohrung – das entspräche zusammen etwa einem Zehntel der Kosten für die Elbphilharmonie. Bislang stehen die Investoren noch nicht Schlange, mit einer Ausnahme: „Ich habe unsere Idee und unsere Patente im vorigen Jahr auf einem internationalen Kongress für Wasserstrahlschneide-Technologie vorgestellt und Kontakt zu Wissenschaftlern aus Indien bekommen. Die sind wild entschlossen, das Verfahren umzusetzen. Im Dezember haben wir eine Kooperation gegründet. Wir würden es allerdings sehr begrüßen, wenn es aus Europa und Deutschland eine ähnliche Bereitschaft gäbe, das Projekt zumindest mit einer Co-Finanzierung auszugestalten“. wb

Diese Grafik zeigt schematisch, wie die Energie aus der Nähe des heißen Erdinneren an die Oberfläche gepumpt werden könnte

Web: www.molebot-engineering.com