Die Start-up-Falle im Steuerrecht

Foto: Wolfgang BeckerErläutert die Auswirkungen des Vorsichtsprinzips auf die Entwicklungsinvestitionen von Unternehmen: Herbert Schulte, Steuer- und Unternehmensberater aus Harburg. Foto: Wolfgang Becker

So können sich Entwicklungskosten negativ auf die Kreditvergabe auswirken.

Steuerberater Herbert Schulte über ungenutzte Patente, das Vorsichtsprinzip und Investitionen, die plötzlich nur noch als Wertminderung eines Unternehmens auftauchen.

Die Themen Technologie und Entwicklung liegen ganz nah beieinander, denn Technologiefortschritte sind immer auch eine Folge von Entwicklungen. Was weniger geläufig ist: Investitionen in Entwicklung können aufgrund des Steuerrechts dazu führen, dass nötige Kredite nicht genehmigt werden, weil Unternehmen beispielsweise ein ungenutztes Patent nicht bilanzieren dürfen. Dadurch kann im Einzelfall der Eindruck entstehen, dass der potenzielle Kreditkunde möglicherweise finanziell schwach auf der Brust ist – ein Alarmzeichen für jeden Banker, wenn dieser die Steuerbilanz für seine Entscheidung heranzieht. Das Problem: Entwicklungskosten, die in einem Patent stecken, das nicht genutzt wird, lassen keinen Rückschluss auf den tatsächlichen Wert zu. Da im Bilanzierungsrecht das Vorsichtsprinzip herrscht, fallen diese Investitionen schlicht unter den Tisch und mindern auf der Passiv-Seite den Wert des Unternehmens.

Der Harburger Steuer- und Unternehmensberater Herbert Schulte erläutert das Vorsichtsprinzip so: „Ich darf mich in der Bilanz nicht reicher machen als ich bin. Also auch nichts bilanzieren, was im Wert unbestimmt ist. Ob ein Patent etwas wert ist, weiß ich ja erst, wenn ich es verkaufen kann oder selbst nutze. Die Entwicklungskosten für ein ungenutztes Patent tauchen also erst im Falle eines Verkaufs oder im Falle der Anwendung wieder in der Bilanz auf, wenn nämlich Entwicklungskosten beispielsweise in die Kalkulation von Maschinenstunden eingerechnet werden und damit an das Unternehmen zurückfließen.“

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Problematisch ist der geschilderte Sachverhalt laut Schulte vor allem für Start-ups, die in der Regel ohnehin nicht über üppige Finanzmittel verfügen und quasi gezwungen sind, in Entwicklung zu investieren. In der logischen Kette Forschung – Entwicklung – Produktion tut sich damit eine ungeahnte Falle auf, die zu Problemen bei der Beschaffung von Fremdkapital führen kann.

Steuerlich hat das Vorsichtsprinzip ebenfalls Auswirkungen, aber keine nachhaltigen. Die Entwicklungskosten für ein ungenutztes Patent mindern – wie bereits beschrieben – als „steuermindernde betriebliche Ausgabe“ das Vermögen auf der Passivseite. Dadurch fallen automatisch niedrigere Gewerbe- und Einkommensteuern an, was ja durchaus ein Vorteil ist. Wird das Patent aber durch Verkauf oder Nutzung sozusagen scharf geschaltet, taucht es durch einmalige oder mehrfache Erlöse beziehungsweise den Rückfluss über die kalkulatorische Größe im Zuge einer Produktion wieder auf und wird dann auch in vollem Umfang oder eben häppchenweise steuerlich berücksichtigt. Ein ungenutztes Patent würde damit also zu einer ruhenden Steuerlast. Für den Fall, dass das Patent nichts taugt und damit sowohl unanwendbar als auch unverkäuflich wird, ist die Investition verloren. Dann wäre die durch das Vorsichtsprinzip vorweggenommene Wertminderung des Unternehmens tatsächlich eingetreten.

Der Begriff des Patents, häufig verwendet bei technologischen Entwicklungen, ist übrigens austauschbar. Der beschriebene Fall gilt zum Beispiel auch für ungeschützte Erfindungen, Knowhow, EDV-Programme/ Softwareentwicklungen, Marken-, Urheber- und Verlagsrechte und sogar Rezepte. wb