So geht Wirtschaftsförderung in Winsen: Paperpaste-Mannequins bestehen aus Zellulose und Wasser.
Er ist Däne, gelernter Fremdsprachenkorrespondent für Deutsch, Englisch und Dänisch, lebt seit 30 Jahren in Deutschland und befasst sich ebenso lange mit Schaufensterpuppen: John Penther, Inhaber der Penther GmbH in Winsen, beliefert zahlreiche Modemarken mit klassischen Schaufensterpuppen und steht jetzt an einem Meilenstein in seiner Berufsbiografie: Vor wenigen Wochen ist die erste serienmäßige Paperpaste-Puppe an den Sport- und Outdoor-Ausrüster Icebreaker nach Neuseeland ausgeliefert worden – eine Weltpremiere. Seit fast zehn Jahren befasst sich der 53-Jährige mit der Idee, eine „grüne Schaufensterpuppe“ auf den Markt zu bringen. Auf Vermittlung der WLH Wirtschaftsförderung im Landkreis Harburg GmbH und mit Unterstützung des Transferzentrums Elbe-Weser (TZEW) ist das Ziel jetzt erreicht. Die von John Penther entwickelten Paperpaste-Mannequins bestehen aus Zellulose und Wasser. Sie werden vom spanischen Unternehmen Pasqual Arnella in Barcelona hergestellt und von Winsen aus vertrieben. Gemeinsam mit dem TZEW und der WLH denkt Penther jetzt darüber nach, von der Manufaktur- in die Industriephase einzutreten – und die Welt in großem Stil mit der ersten Generation recycelbarer Schaufensterpuppen zu versorgen.
Als John Penther damals den Tipp bekam, sich einmal mit Jörg Schrickel, Projektleiter am TZEW, zusammenzusetzen, war das Thema Papier noch gar nicht in Sicht.
Der Ingenieur John Penther: „Die Umsetzung der Idee, eine umweltverträgliche Schaufensterpuppe zu kreieren, startete mit einer wissenschaftlichen Analyse – und endete mit der Erkenntnis, dass der beabsichtigte Einsatz von Biokunststoffen schlicht zu teuer ist. Aber Jörg Schrickel ließ nicht locker und war letztlich die treibende Kraft, den Denkprozess immer weiterzuführen.“
Es war eine unerwartete Fügung, dass das spanische Unternehmen Pasqual Arnella einen Vertriebspartner in Deutschland suchte. Und zwar für Marketing-Produkte auf Basis von kleberfreiem Pappmaché (Paperpaste). Ganze Puppen hatte die 1892 gegründete Manufaktur allerdings nicht im Programm, wohl aber Erfahrung im Formenbau beispielsweise für Köpfe und Hände. Offenbar der Beginn einer Erfolgsgeschichte. John Penther: „Nachdem wir zehn Jahre an dem Thema getüftelt haben, ist jetzt der Durchbruch da. Ich war gerade mit einem Messestand auf der ISPO in München – die Nachfrage nach unserem Produkt ist riesig. Und das Beste: Wir sind weltweit das einzige Unternehmen, das diese Technik beherrscht.“Schaufensterpuppen werden bislang aus Fiberglas, Polyurethan oder Polyethylen hergestellt. Das sind normalerweise sehr langlebige Materialien, dennoch werden die Puppen häufig bereits nach drei Jahren ausgetauscht, weil sich die Mode ändert. Die Penther GmbH handelt mit den klassischen Puppen, die in Fernost produziert werden, bietet seinen Kunden aber CI-geeignete Ausführungen an und baut parallel eine umweltfreundliche Alternative auf. Während Puppen auf Kunststoffbasis rund 300 bis 500 Euro/Stück kosten, liegt der Preis für ein Paperpaste-Mannequin derzeit noch bei 550 bis 700 Euro.
John Penther: „Bei hohen Stückzahlen schlägt das natürlich ins Gewicht, aber wir merken, dass das Thema Nachhaltigkeit in immer mehr Unternehmen an Stellenwert gewinnt. Damit lässt sich beim Kunden punkten. Wir verwenden ausschließlich Recyclingpapier. Und: Hat die Puppe ausgedient, kann sie abgesehen von den Metallgelenken einfach im Garten vergraben werden. Sie löst sich komplett auf.“
Die ausgemusterten Kunststoffpuppen werden dagegen in der Regel einer „thermischen Verwertung“ zugeführt – also verbrannt.
Vor allem der Formenbau und das Vakuumverfahren stellten die Entwickler vor Herausforderungen. Befragt nach seinem Wunschziel sagt John Penther: „Am liebsten würde ich Maschinen und Formen entwickeln, die höhere Stückzahlen schaffen. Diese Produktionsstandorte könnten dann strategisch auf dem Globus verteilt werden, um lange Transportwege zu vermeiden – schließlich soll die Puppe grün bleiben.“ So eine Fertigung könne durchaus auch in Deutschland aufgebaut werden. Und: „Die Paperpaste-Technologie lässt sich nicht nur auf Schaufensterpuppen anwenden. Wir denken auch über den Einstieg in die Möbelfertigung nach.“
Fertigung wäre wiederum ein Thema für die WLH, die gerade beim Stichwort „produzierendes Gewerbe“ hellhörig wird. Theoretisch bestünde also die Chance, dass der vor knapp zehn Jahren gesendete Innovationsimpuls eines Tages in Form von Arbeitsplätzen in den Landkreis Harburg zurückfließt.
Anne Schneider, bei der WLH für das Thema Innovationen zuständig: „Wir sehen uns gemeinsam mit dem Landkreis Harburg regelmäßig unsere Unternehmen an und suchen nach innovativen Ansätzen. Werden wir fündig, stellen wir einen Kontakt zum TZEW her, denn dort haben wir die Experten mit dem technischen Hintergrund. So war es auch hier.“
WLH-Geschäftsführer Jens Wrede: „Der nächste Schritt könnte aus unserer Sicht sein, dass wir gemeinsam wachsen. Dazu verfügen wir nicht nur über unser Netzwerk, sondern auch über die Kooperationen mit den Hochschulen sowie Zugang zu Finanzierungsförderung durch die N-Bank.“
So könnte sich der Kreis schließen. John Penther ist jedenfalls fest entschlossen, gemeinsam mit dem TZEW an der Weiterentwicklung seiner Idee zu arbeiten. wb
>> Web: https://wlh.eu/innovation- technologietransfer.html,
https://penther.de/