Problemfall Fußgängerzone: Das unterscheidet die Lüneburger Straße in Harburg von der Großen Bergstraße in Altona – Gespräch mit Standortentwickler konsalt.
Von Wolfgang Becker
Altona und Harburg – einst eigenständige Städte vor den Toren Hamburgs, doch seit vielen Jahrzehnten Teil der Hansestadt. Beiden Stadtteilen ist die urbane Struktur gemein. Altsubstanz mischt sich mit Neubauten. Der Einzelhandel ist vorhanden und erfüllt eine Aufgabe, die weit über die Nahversorgung der ansässigen Bevölkerung hinausgeht. Und: Beide haben eine Fußgängerzone, die den Niedergang einer Haupteinkaufsstraße auf Ramschniveau erlebt hat. In Harburg war es die Flut der Ein-Euro-Läden und Billigbäckereien, in Altona der massive Leerstand, nachdem sich große Einzelhandels-Akteure wie Karstadt zurückgezogen hatten. Noch etwas verbindet Harburg und Altona: Die Hamburger konsalt Gesellschaft für Stadt- und Regionalanalysen und Projektentwicklung mbH ist seit Jahren damit betraut, die Standorte aus dem Tief herauszuführen. In Harburg ist das im Zusammenspiel mit weiteren Akteuren die Politik der kleinen Schritte, in Altona kam dagegen die Ansiedlung des bundesweit ersten City-Ikea einem Sechser im Lotto gleich. Ob mit Zusatzzahl, muss sich noch zeigen, denn wie auch in Harburg ist auch hier vor allem eines gefragt: Geduld und viel Zeit.
Verlagerung der Kaufkraft nach Ottensen
Unter dem Begriff Ökonomisches Quartiersmanagement wurde von 2003 bis 2009 durch den Zusam-menschluss privater Grundeigentümer im Verein „Vitalisierung“ und mit Unterstützung durch die Wirtschaftsbehörde versucht, die Große Bergstraße zu reanimieren. Hamburgs erste Fußgängerzone war ursprünglich Standort des Einkaufs-zentrums Frappant (30 000 Quadratmeter) gewesen. Ende der 1970er-Jahre übernahm Karstadt den Komplex. In den 1980er-Jahren begann jedoch die Erosion – ähnlich wie in Harburg. Große Mieter verließen den Standort, die Anlieger investierten nicht mehr. Dann passierte in Altona etwas, was mit der Eröffnung des Phoenix-Centers in Harburg vergleichbar ist: Westlich des Bahnhofs wurde mit dem Einkaufszentrum Mercado ein neuer Einzelhandelsmagnet platziert. Das Zentrum zog weiteren Einzelhandel auf die andere Seite der Max-Brauer-Allee, die – noch eine Parallele – mit einem Fußgängertunnel versehen worden war, durch den die Menschen nur ungern gingen. Margit Bonacker: „Zum Einen hatte sich damit die Kaufkraft gen Westen Richtung Ottensen verschoben, zum Anderen verhinderte die Tunnel-Grenze einen Lauf in die Große Bergstraße – das bedeutete den Niedergang der einstigen Einkaufsmeile.“
Versuche, neue Investoren zu finden, scheiterten. 1998 wurde das Frappant-Gebäude verkauft. Karstadt schloss 2003. 2005 wurde der Verein „Vitalisierung“ gegründet, ein Zusammenschluss privater Grundeigentümer der Großen Bergstraße, unter anderem auch der Eigentümer der beiden leerstehenden Gebäude Frappant und Forum Altona (15 000 Quadratmeter). Angeschoben wurde diese Initiative durch die konsalt GmbH in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Altona. Mit kulturellen Zwischennutzungen wurde versucht, die Straße am Leben zu erhalten, und sogar sehr erfolgreich. Mit der altonale, dem größten kulturellen Stadtteilfest Hamburgs, der Eröffnung des Kultwerk West 2006 im leerstehenden Forum Altona und mit zahlreichen Künstlern und Galerien entwickelte sich die Große Bergstraße sogar zum „Geheimtipp“ im Marco-Polo-Reiseführer.