Rainer Kalbe, Inhaber von Hartmann Haustechnik, über die Einführung einer digitalen Arbeitszeiterfassung im Handwerk – Ein Erfahrungsbericht
Kein Thema wird aktuell so stark diskutiert wie die Digitalisierung. Tenor vieler Diskussionen sind dabei häufig die Ressentiments im Mittelstand – in deren Folge viele Unternehmer eher noch abwarten. Ressentiments steht für „heimlicher Groll“ und trifft so ziemlich genau die Gefühlslage in vielen kleineren Unternehmen, die durchweg stark beschäftigt sind und deshalb zu wenig Zeit haben, sich intensiv mit den Chancen, aber auch mit den Gefahren der neuen Technologie auseinanderzusetzen. Rainer Kalbe, Inhaber von Hartmann Haustechnik (Heizung, Bäder, Sanitär) und stellvertretender Harburger Bezirkshandwerksmeister, hat sich dafür entschieden, die Chancen zu nutzen und zu investieren.
„Wir haben digital aufgerüstet und sind heute in der Lage, die Stundenerfassung unserer Monteure per App zu erledigen“, berichtet Kalbe. „Praktisch sieht das so aus: Der Mitarbeiter drückt vor Ort beim Kunden den Knopf ‚Arbeit Beginn‘ und wartet beispielsweise die Heizungsanlage. Ist er fertig, drückt er auf ‚Arbeit Ende‘. Dann gibt er noch die Fahrtzeiten ein – fertig. Alle Daten landen sofort in unserem Stundenerfassungssystem auf dem Hauptserver. Sie werden automatisch den Mitarbeitern und den Aufträgen zugeordnet. Das erspart uns viel Arbeit und Organisationsaufwand bei der Lohnabrechnung.“
Besserer Kundenservice
16 Monteure hat Hartmann Haustechnik mit der App ausgestattet. Das System läuft auf dem Smartphone oder einem Tablet. In einer weiteren Funktion können beispielsweise Fotos vom Einsatzort übermittelt werden. Rainer Kalbe: „Wenn wir das Typenschild einer Heiztherme haben, wissen wir genau, welches Ersatzteil wir bestellen müssen. Das Foto archivieren wir datenbankkonform in der Kundendatei – wenn wieder mal etwas ausfallen sollte, können wir schon vor dem ersten Termin vor Ort die richtigen Teile mitbringen. Das erspart uns und dem Kunden Aufwand und sorgt für einen besseren Service.“
Bis hierher klingt alles ganz einfach und plausibel, doch ganz so geschmeidig kommt die Digitalisierung nicht daher. Rainer Kalbe: „Wir haben das Programm Streit V1, das speziell für das Handwerk entwickelt wurde, bereits 2016 gekauft. Seitdem befassen wir uns mit dem Thema. Der dokumentensichere Stundenzettel auf dem Tablet ist natürlich eine schöne Sache, doch de facto haben wir eineinhalb Jahre gebraucht, um das System den Mitarbeitern näherzubringen und dann tatsächlich einzuführen. Das ist nicht mal so eben hochgeladen und eingeschaltet. Heute sind wir auf dem Stand, dass das Projekt Zeiterfassung für die Lohnabrechnung fast abgeschlossen ist und läuft. Das Problem: Wenn ich auf so ein System umsteige, dann muss das auch für alle Mitarbeiter gelten und am Tag X funktionieren.“
In der Vorbereitungsphase stellten sich dem Handwerksmeister viele Fragen, denn ein digitales System hat zwar zweifellos Vorteile, aber eben auch Nachteile. Rainer Kalbe: „Fehlbuchungen sind nur schwer zu korrigieren, weil die Daten unmittelbar in alle Systeme einlaufen. Ein weiterer Punkt: Digitalisierung bedeutet permanente Schulung von Mitarbeitern. Man könnte sagen: Wir lösen alte Probleme, schaffen aber neue. Was ist, wenn der Monteur vergessen hat, vor Ort den Knopf zu drücken. Was ist, wenn er vergessen hat, das Ende des Arbeitseinsatzes zu melden – dann läuft die Zeit weiter. Es gibt also viele Fehlerquellen, auf die reagiert werden muss. Abmelden in fünf Kilometer Entfernung vom Einsatzort darf eben nicht funktionieren.“
Das Ende des Stundenzettels
Doch Kalbe ist überzeugt, eine gute Entscheidung getroffen zu haben: „Die Erfahrung zeigt, dass die Fehlerquote beim Nachbuchen sinkt. Außerdem verfügen wir jetzt über eine beweissichere Dokumentation der Arbeitszeit. Aufträge können wir an unsere Monteure per App weiterleiten. Kalendereinträge kommen per Outlook, so wissen die Leute, wohin sie morgens als erstes fahren sollen. Die Mitarbeiter müssen keine Stundenzettel mehr ausfüllen. Die ganze Arbeitszeitverwaltung ist einfacher geworden. Und beim Kunden kann sofort besprochen werden, welches Ersatzteil nötig ist und was das kosten wird. Der aktuelle Katalog ist ebenfalls immer an Bord.“
Rainer Kalbe geht davon aus, dass die Arbeitserleichterung bei etwa 20 Prozent liegt. Allerdings sagt er auch: „Nacharbeit und Kontrolle bleiben wichtig und sind nötig. Ich muss also immer davon ausgehen, dass ich einen Teil der eingesparten Kapazitäten an anderer Stelle wieder aufwenden muss.“ Stichwort Aufwand: Wer sich mit dem Gedanken trägt, ein vergleichbares System einzuführen, muss wissen, dass das seinen Preis hat. Hartmann Haustechnik (38 Mitarbeiter) hat 40 000 Euro in die entsprechende Hardware und weitere 40 000 Euro in die entsprechende Software investiert . . . wb