„Und keiner hat’s gemerkt“

Sina Schlosser, Geschäftsführerin Speditions-Assekuranz Versicherungsmakler GmbH

Transportversicherung: Sina Schlosser über sorglos abgestellte Lkw, dreiste Diebstähle und Wege, sich zu schützen

Sie stehen auf Autohöfen, vor Logistikhallen, in Gewerbegebieten, manchmal sogar in Wohngebieten bereit für den nächsten Transport: Sattelauflieger, Anhänger, auch ganze Lastzüge. Seit Erfindung der „Just in time“-Anlieferung rollen tagtäglich Millionen Tonnen Ware aller Art auf bundesdeutschen und natürlich auch europäischen Straßen. Ein Riesenthema für Verkehrsplaner. Für Frachtunternehmen. Für die Empfänger. Und für Diebe. Letztere haben es besonders auf die sogenannten Planenauflieger abgesehen, denn ein Cuttermesser reicht in der Regel aus, um die Lkw-Plane aufzuschlitzen. „Das ist der Klassiker“, sagt Sina Schlosser, Prokuristin der Speditions-Assekuranz Versicherungsmakler GmbH in Hollenstedt. Sie muss es wissen, denn Ladungsdiebstähle gehören im Rahmen der Transportversicherungen zu ihrem Tagesgeschäft.

Sina Schlosser: „In den Versicherungsbedingungen steht: Die Ware darf nicht unbeaufsichtigt sein. Selbst, wenn der Sattelzug komplett ist und der Fahrer vorn im Fahrerhaus schläft, wird es problematisch, denn ein schlafender Fahrer ist keine Bewachung.“ Und: „Wir sprechen da von der Obhutshaftung des Spediteurs. Er ist dafür verantwortlich, ebenso wie der Frachtführer, also das eigentliche Transportunternehmen, wenn dieser mit der Ware unterwegs ist.“

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Laut Sina Schlosser sind ein Großteil der abgestellten Auflieger und Anhänger beladen. Das geht aus Versicherungsstatistiken hervor. Theoretisch müssten diese Transportmittel nachts alle bewacht werden. Sie sagt: „Der GAU ist ein unbewacht abgestellte Planenauflieger, denn den kann ein Fünfjähriger aufschlitzen. Schwieriger wird es bei einem Kofferaufbau – da sind die Türen immerhin abgeschlossen. Das Problem: Ein Planenauflieger kostet 25 000 bis 30 0000 Euro; ein Kofferaufbau ist zwar sicherer, schlägt aber mit 60 000 bis 80 000 Euro zu Buche.“ In der Praxis führe das dazu, dass kleinere Diebstähle in der Regel Planenauflieger betreffen – weil es einfacher ist, sich Zugang zu verschaffen. Organisierte Banden kommen mit einem Sprinter und fünf Mann daher. Es dauert keine drei Minuten, dann sind fünf Paletten leergeräumt.

Eine weitere Regel: Es wird alles gestohlen, was sich leicht verkaufen lässt: Edelmetalle, Lebensmittel, klassische Bedarfsgüter, Baustoffe, Alkohol, Tabak. Teure Elektronik gehört nicht unbedingt dazu, da die Diebe in diesen Fällen schon sehr ausgeklügelte Vertriebswege haben müssen, um nicht aufzufliegen.

Leichtes Spiel haben Diebe auch, weil es so gut wie keine bewachten Lkw-Parkplätze in Deutschland gibt. Auf den Autohöfen stehen die Fahrzeuge nachts dicht an dicht, aber es ist ständig Bewegung durch ankommende und abfahrende Lastzüge, Kühlaggregate oder die nahe Autobahn. Kurz: Der Geräusch­pegel ist hoch. Da bekommen Fahrer in der Kabine kaum mit, wenn nebenan und hinten eine Plane aufgeschlitzt wird.

Es geht allerdings auch ganz dreist, wie dieser Fall zeigt, den Sina Schlosser abgewickelt hat. Betroffen war ein Spezialtransport mit Versorgungsgütern nach Afghanistan. Dort angekommen, trennten Diebe die gesamte Front eines Containers mitsamt der verplombten Türen per Schneidbrenner ab, räumten die Box aus, füllten zum Gewichtsausgleich Bauschutt hinein und schweißten die Türen samt Rahmen wieder an. „Und keiner hat’s gemerkt“, sagt die Versicherungsexpertin. Geht es um hohe Warenwerte oder gar ganze Lastzüge, setzt sie auch schon mal eine Detektei oder einen Gutachter auf den Fall an – in der Hoffnung, Ware und Transportfahrzeug doch noch wiederzubekommen. Sie sagt: „Ein Gutachter checkt die Transportkette. Die Aufklärungsrate liegt allerdings sehr niedrig – unter 20 Prozent.“ Ein Sonderfall betrifft übrigens den Transport von Tabak oder Alkoholika. Diese Ware wird speziell besteuert – und diese Steuer muss auch im Falle eines Verlustes an den Staat gezahlt werden.

Ein Hotspot für Diebstähle in Deutschland ist das Ruhrgebiet. Die Nähe zu den Niederlanden macht sich bemerkbar. Dort hat der Verkauf von Hehlerware keine rechtlichen Konsequenzen. Gestohlene Ware bleibt Eigentum des Käufers. In Deutschland ist dem nicht so. In Europa ist überraschenderweise Schweden das Land, in dem eine hohe Zahl von Diebstählen stattfindet – weil von dort der Weg nach Osteuropa sehr kurz ist. Verkehrshaftungs- und Transportversicherungen können zwar keine Diebstähle verhindern, aber den Schaden mindern. Sina Schlosser: „Frachtführer haften nach dem Handelsgesetzbuch mit 8,33 Sonderziehungsrechten pro Kilo. Das ist eine fiktive Währung, die etwa zehn Euro entspricht.“ Bei einer Tonne Warengewicht kämen also 10 000 Euro Erstattung zusammen – auch, wenn der Lastzug eine Tonne Playstations an Bord hatte, also einen wesentlich höheren Warenwert. Bei nationalen Transporten besteht die Möglichkeit, die Versicherung auf 40 Sonderziehungsrechte auszudehnen, was aber auch nur etwa 50 Euro pro Kilo entspräche. Grundsätzlich gilt bei niedrigen Warenwerten: Es wird maximal der Wert der Handelsrechnung beglichen.

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Sina Schlosser rät vor allem den Eigentümern der Ware, das Thema Transportversicherung zu bedenken, denn die Prämien sind je nach Strecke, Transportmittel und Transportart mit 0,07 bis 0,5 Prozent des Warenwerts vergleichsweise gering. Sie sagt: „Da kommen nur zwei- bis dreistellige Beträge zusammen. Solide Unternehmen legen einfach Wert darauf, ihre Ware abzusichern.“

Was viele nicht wissen: Seit 2017 sind Spediteure angehalten, eine Transportversicherung abzuschließen, wenn sie davon ausgehen müssen, dass das im Interesse ihres Kunden liegt. Diese eher schwammige Regel steht in der aktuellen Version der Allgemeinen Deutschen Speditionsbedingungen, wie Sina Schlosser sagt. wb

Web: https://www.speditions-assekuranz.de/