Fraunhofer CML: Prof. Dr. Carlos Jahn über autonome Schiffe und den Einsatz Künstlicher Intelligenz an Bord
Autonome Autos sind derzeit ein großes Thema in den Medien, aber autonome Schiffe? Tatsächlich baut eine norwegische Werft derzeit ein elektrisch betriebenes Frachtschiff. Die „Yara Birkeland“ soll ab 2022 auf einer Route in den norwegischen Küstengewässern Container für den Düngemittelhersteller Yara transportieren – und das nach einer Testphase autonom. Das Unternehmen will damit bis zu 40 000 Lkw-Touren pro Jahr ersetzen – in einem Land, das voll auf E-Mobilität setzt und dafür reichlich staatliche Unterstützung springen lässt.
Immerhin: Der Anfang ist gemacht. Und auch für Prof. Dr. Carlos Jahn, Leiter des CML Fraunhofer-Centers für Maritime Logistik und Dienstleistungen in Harburg, ist der autonome Schiffsverkehr durchaus ein Thema. Allerdings sagt er auch: „Bis das Realität wird, sind noch viele rechtliche und auch wirtschaftliche Fragen zu klären.“ Gleichwohl arbeitet das CML-Team daran, Systeme zu entwickeln, die den Menschen an Bord unterstützen – bei der Navigation, bei der Maschinensteuerung und -überwachung, beim Thema Instandhaltung und auch bei Anlegemanövern. Die automatische Einparkhilfe ist also keineswegs nur ein Kfz-Thema.
Für den Hamburger Hafen gibt es laut Jahn noch keine konkreten autonomen Anwendungsprojekte, wohl aber einen Zwei-Stufen-Plan: „Im ersten Schritt entwickeln wir Systeme, die die Besatzung unterstützen und letztlich auch dazu führen, dass der Personaleinsatz an Bord reduziert werden kann. Der zweite Schritt wäre dann der Einsatz unbemannter Schiffe, aber das ist auf internationalen Gewässern meines Erachtens noch Zukunftsmusik. Auch aus wirtschaftlichen Gründen: Die Schiffsmannschaften sind ja nicht nur ein Kostenfaktor, sie sorgen auch dafür, dass Kosten gering gehalten werden – zum Beispiel wenn selbst aufwendige Reparaturen auf See, also während der Fahrt, durchgeführt werden. Unbemannte Schiffe müssten bei Reparatur im nächsten Hafen ihre Fahrt für einen Werftaufenthalt unterbrechen.“
Ein Zwei-Stufen-Plan
Jahn: „Künstliche Intelligenz spielt in der Logistik zunehmend eine Rolle. Zum Beispiel bei der Steuerung von Container-Bewegungen. Hier geht es unter anderem darum, die Ankunftszeiten der Lastwagen an den Terminals zu optimieren.“ Bei Fraunhofer CML werden Konzepte und Systeme für die Schifffahrt und den Hafenbetrieb entwickelt. Automatisierung, Elektrifizierung, das Internet der Dinge, Sensorik – all diese Themen spielen eine Rolle, wenn es zum Beispiel darum geht, einen 0-Emission-Port zu schaffen, einen Hafen, der ohne Emissionen auskommt. Aber: „Wir haben die Erkenntnis gewonnen, dass Entwicklungen häufig länger dauern, als wir meinen. Allerdings sind die Veränderungen dann oft auch größer, als wir zuvor erwartet haben. Die ersten Container wurden noch belächelt, heute dominieren sie den Welthandel“, sagt der Professor. Seine Prognose: „Autonome Schiffe haben das Potenzial, die Logistik zu verändern. Die Zukunft gehört kleineren Schiffen, die viel flexibler eingesetzt werden können. Die Zeit der Containerriesen wird zu Ende gehen.“ Von Wolfgang Becker