B&P-GESPRÄCH So wurde Kerstin Schüssler von Lebenstraum Küche in Hollenstedt quasi über Nacht zur IT-Expertin
Großkonzerne bekommen milliardenschwere Rettungspakete, Kleinstunternehmen Soforthilfe – doch was ist eigentlich mit dem Mittelstand? Der hilft sich selbst und wächst manchmal über sich hinaus, wie Kerstin Schüssler, Geschäftsführerin des Hollenstedter Unternehmens Lebenstraum Küche, anschaulich berichtet. Nach dem Corona-Shutdown am 17. März war sie rund um die Uhr im Einsatz und wurde in Ermangelung externer Dienstleister zur Selfmade-IT-Spezialistin – und das quasi „nebenbei“, denn: „Wir haben dermaßen viel zu tun und arbeiten zurzeit den großen Auftragsbestand aus den Neubauaktivitäten ab.“
Lebenstraum Küche ist nicht nur der Name des Unternehmens, sondern vor allem ein Konzept. Kerstin und Michael Schüssler haben sich einen Namen mit individueller Beratung und maßgeschneiderten Küchenkonzepten gemacht. In Hollenstedt bietet das Ehepaar seinen Kunden eine attraktive Küchen-Ausstellung, der direkte Kundenkontakt ist das A&O. Doch dann kam Corona, und mit dem Virus das Kontaktverbot. Kerstin Schüssler: „Am 17. März war die Ausstellung dicht – und wir haben sofort alles auf Online umgestellt. Ich habe hier nachts gesessen und mich in das Thema eingearbeitet, denn es durfte ja auch niemand mehr zu uns kommen, um alles einzurichten.“ Sie schaute sich Tutorials im Internet an, suchte nach entsprechenden Quellen, um Hard- und Software zu bestellen, installierte die Technik eigenhändig und schulte die Mitarbeiter.
Die Unternehmerin: „Bislang ist unser Verkauf immer auf der persönlichen Schiene gelaufen, dann fand plötzlich alles nur noch online statt.“ Kurz: Kerstin Schüssler wurde in Rekordzeit zur IT-Spezialistin in eigener Sache und brachte das Online-Thema erfolgreich an den Start. Parallel dazu sorgte sie für ein internes Pandemie-Konzept, um die Mitarbeiter und im Einzelfall auch die Kunden zu schützen: Desinfektion, Raumplanung, Masken und alles, was dazu gehört, um Infektionen zu vermeiden. Heute sagt sie: „Online-Beratung ist zwar nicht unser Favorit, aber das Angebot wird auch nach Corona bleiben.“
Persönliche Beratung ist wieder möglich
Unabhängig von diesem Kraftakt lief das „normale Geschäft“ weiter: Beratung, Küchenplanung, Bestellungen, Einbau. Lebenstraum Küche beschäftigt vier Verkäufer und drei Monteure. Darüber hinaus gibt es einen Pool von langjährigen Subunternehmern, die aktiviert werden, wenn es der Arbeitsaufwand erfordert. Mittlerweile ist die Ausstellung wieder geöffnet, doch wer Lebenstraum Küche in Hollenstedt live erleben möchte, muss sich anmelden. Die persönliche Beratung ist wieder möglich. Dazu hat Kerstin Schüssler ein Sicherheitskonzept entwickelt, das Kunden und Mitarbeitern gleichermaßen schützt.
Die direkten Corona-Auswirkungen auf das Geschäft halten sich derweil in Grenzen. Die Unternehmerin: „Es gab tatsächlich nur wenige Stornierungen – beispielsweise aus dem Gastronomie-Bereich. Auch Eventveranstalter sind von der Pandemie extrem betroffen. Uns traf es eher von der anderen Seite: Wir bekamen zwei Monate lang keine Ware, weil die Lieferanten ihre Werke geschlossen hatten. Jetzt haben wir dafür dreifach zu tun, um den Verzug gegenüber unseren Kunden wieder aufzuholen.“ Auch Lebenstraum Küche musste eigene Mitarbeiter zeitweise in die Kurzarbeit schicken, stockte die Gehälter aber zu 100 Prozent auf. „Wir halten unsere Arbeitskräfte. Auch wenn die Zeiten mal schwierig werden. Unser Team zieht voll mit, sodass wir diese Zeit gemeinsam durchstehen. Wir schaffen das, und jeder trägt seinen Anteil dazu bei. Heute kann ich sagen: Wir haben durch Corona nicht wirklich gelitten.“
Läutet Corona das Ende der „Geiz-ist-geil-Phase“ ein?
Was die Krise noch gezeigt hat: Lebenstraum Küche verfügt durch langjährige Kundenkontakte über ein starkes, vor allem mittelstandsgeprägtes Netzwerk. „Wir helfen uns untereinander. Das geht so weit, dass sogar Personal hin- und hergeschoben werden kann“, sagt Kerstin Schüssler. „Ich hatte beispielsweise auch nie ein Problem, Desinfektionsmittel zu bekommen.“ Mittelfristig rechnet sie damit, dass sich speziell die Möbelbranche zu einem Motor für die Wirtschaft entwickeln kann. Sie sagt: „Die Bereiche Handwerk, Bauen und Möbel stehen eher gut da, weil sich viele Menschen wieder auf ihr Zuhause besinnen und investieren. Insgesamt glaube ich, dass künftig viele Dinge wieder in Deutschland gefertigt werden – weil es einfach verlässlicher und nachhaltiger ist. Corona könnte sogar dazu taugen, das Ende der ‚Geiz-ist-geil-Phase‘ einzuläuten.“
Das wäre auch ein Grund, mal in Hollenstedt reinzuschauen. Auf der Homepage heißt es: „Eine Lebenstraum Küche hat innere Werte: Langlebigkeit, extreme Stabilität und die Liebe zum Detail. Gutes Design überzeugt durch die Synthese aus kreativer und wohlüberlegter Gestaltung.“ Kurz: Von der Stange klingt anders. Wenn diese Werte wieder in den Vordergrund rücken, wäre das eine große Chance für heimische Unternehmen. Was das im Küchensektor bedeutet, zeigt die Ausstellung in Hollenstedt. Wer vorab eine 3D-Planung erstellen möchte, kann das online tun. Wer sich beraten lassen möchte, findet auf der Homepage ebenfalls die nötigen Kontakte. Kerstin Schüssler: „Unsere Kunden sollten sich die Küchen schon mal vor Ort anschauen und das Material anfassen können. Aber Online-Beratung hat auch ganz neue Aspekte. Da sitzen die Kunden beim Wein zu Hause auf dem Sofa, und wir planen gemeinsam eine Küche. Irgendwie ist das ziemlich entspannt und privat. Das hat auch etwas für sich.“ wb