Winzige Strukturen
Eines von Professor Riemanns Spezialgebieten ist die Behandlung von Otosklerose, der krankhaften Verknöcherung eben dieser Knöchelchen im Mittelohr. Diese Erkrankung trifft vor allem Menschen mittleren Alters. Sie hemmt zunehmend die Schallübertragung und führt zu fortschreitendem Hörverlust. Die Lösung des rein mechanischen Problems bietet eine winzige Prothese zum Ersatz eines Gehörknöchelchens.
„Bei der Stapedotomie, der Steigbügel- Operation, wird ein Loch von 0,6 Millimeter Durchmesser in die Fußplatte des Gehörknöchelchens gebohrt und darin die
0,4 Millimeter messende Prothese eingeführt.“ Riemann präsentiert eine solche Mini-Prothese und zeigt gestochen scharfe Bilder des Eingriffs. Das digitale Mikroskop ermöglicht es, Ohrmikrochirurgie live über das Internet zu verfolgen. „Diese neue Technik hat deshalb auch unschätzbare Vorteile für die Fortbildung“, sagt der Professor, dem die Lehre sehr am Herzen liegt. Er legt auch viel Wert darauf, seinen Patienten verständlich zu erklären, worin ihre Erkrankung besteht, welche Maßnahmen zu ergreifen sind und welche Operationsrisiken bestehen.
Extrem geringes Risiko
„Natürlich ist das Ohr ein sensibles Organ. Theoretisch kann ein Eingriff Taubheit, Schwindel, Ohrgeräusche, Geschmacksverlust und Gesichtslähmungen nach sich ziehen. Aber das Operationsrisiko ist extrem gering und liegt im Promillebereich“, sagt Riemann, der über drei Jahrzehnte Erfahrung verfügt und jährlich 300 bis 400 Ohr-OPs durchführt.
Es gibt Hinweise, dass Ludwig van Beethoven durch Otosklerose sein Gehör verloren hat. Lebte der Komponist heute, wären ihm Jahre der Verzweiflung erspart geblieben. Die moderne Ohrchirurgie hätte Beeinträchtigungen seines Schaffens durch Schwerhörigkeit und schließlich Taubheit verhindern können, und vielleicht wäre die Welt um einige wunderbare Werke reicher. Fest steht, dass gutes Hören nicht nur Musik-Fans glücklich macht. mab