Lösung: Die mobile Röntgenpraxis
Dennoch war es von Anfang an eher unwahrscheinlich, dass alle Frauen aus dem weitläufigen Elbe-Weser-Dreieck zur Screening-Untersuchung nach Stade kommen würden. Der Screeningbereich Niedersachsen Nord reicht von Bremerhaven im Westen bis Winsen im Osten und Rotenburg im Süden. Mit dem Institut für Radiologie und Nuklearmedizin Bremerhaven (IRNB) teilte sich die Hanckenklinik das Gebiet: Das IRNB übernahm Bremerhaven und in den südlichen Bereich bis Bremen und Rotenburg (Wümme), die Abteilung für Mammadiagnostik der Hanckenklinik das Elbe-Weser-Dreieck vom Landkreis Harburg bis Cuxhaven und Selsingen sowie Winsen im Osten. Und um den Frauen lange Wege nach Bremerhaven und Stade zu ersparen, erwarb jeder Partner eine mobile Röntgenpraxis, ein Mammobil. Denn Erfahrungen aus den Niederlanden hatten gezeigt, dass die Frauen die Einladungen zu den Screening-Untersuchungen nur dann annahmen, wenn sie die Entfernung zum Untersuchungsort noch mit dem Fahrrad bewältigen konnten.
Diese Entscheidung eröffnete wiederum neue Herausforderungen. Nun mussten in den einzelnen Gemeinden, die als Mammobil-Standorte ausgesucht worden waren, Stellplätze und Parkräume gefunden werden, die in einem Zwei-Jahres-Rhythmus verfügbar sind und eine Anbindung an Starkstrom- und Datennetze garantierten.
Wohin mit dem langen Auflieger?
Dr. Thilo Töllner und die Leiterin des Screeningbüros in Stade, Birte Brachmann, lernten die Mitarbeiter der Gemeinden und die Chefs der örtlichen Sparkassen und Volksbanken kennen und erfuhren vielerorts große Unterstützung. Die Termine von Jahrmärkten, Schützenfesten und sonstigen Großveranstaltungen flossen ebenso in die Planung der sich alle zwei Jahre wiederholenden Routen ein wie etwa Baustellen von Dorferneuerungsmaßnahmen. Die Spedition Talke, die die Transporte des Mammobils übernommen hatte, musste sich mit den Straßenverhältnissen der einzelnen Orte vertraut machen. Den Fahrern verlangt so mancher Standort höchste Fahrkünste und viel Fingerspitzengefühl ab, um den 14 Me-ter langen Auflieger an die vorgeschriebene Stelle zu bugsieren.
Dr. Thilo Töllner hatte von Beginn an die Kontakte zu den Radiologen gepflegt, die sich für die Einführung eines bundesweiten Screening-Programms einsetzten, und absolvierte das Weiterbildungs- und Qualifikationsprogramm für Programmverantwortliche Ärzte.
Gleichzeitig holte er Kollegen aus den Praxen der Hanckenklinik in Stade, Buxtehude, Cuxhaven und Bremervörde als Befunder ins Team und schickte sie zu den Fortbildungskursen. Auch die MTRA, die in der Screening-Praxis in Stade und im Mammobil eingesetzt werden sollten, wurden auf die neue Aufgabe in speziellen Kursen vorbereitet. Weil bei den Screening-Einsätzen kein Arzt anwesend ist, sind die MTRA die einzigen Ansprechpartner der Teilnehmerinnen, die bei unauffälligen Befunden die Radiologen nie zu Gesicht bekommen. Ihre Befunde erhalten die Teilnehmerinnen innerhalb einer Woche per Post. Wenn die Abklärung einer Auffälligkeit erforderlich ist, werden die Briefe so versendet, dass die Betroffenen die Nachricht montags erhalten mit einem Untersuchungstermin innerhalb weniger Tage.
Werben bei Hausärzten und Gynäkologen
Und das waren bei Weitem nicht die einzigen Einsätze, die von den Praxen und leitenden Ärzten der Screening-Einheiten gefordert wurden. Auch Öffentlichkeitsarbeit war gefragt: Dr. Töllner hielt Vorträge vor der niedergelassenen Ärzteschaft, den Allgemeinmedizinern und Gynäkologen in der Elbe-Weser-Region, um sie auf den Start des Screening-Programms vorzubereiten.
Um das Programm in der Bevölkerung bekannt zu machen, suchte Töllner auch den Kontakt zu den Landfrauenvereinen, denen bis heute viele Frauen in den Landkreisen Stade, Cuxhaven und Bremervörde angehören. Viele dieser Organisationen griffen seinen Vorschlag, zum Thema Brustkrebs zu referieren und das neue Früherkennungsprogramm vorzustellen, sehr gerne auf.