Martin Mahn und Melanie-Gitte Lansmann über E-Roller, Lieferdrohnen, autonomes Fahren und eine Seilbahn-Strecke zum TUHH-Campus
Wenn das kommt, ist der Tretroller tot!“ Martin Mahn, Vorsitzender von channel hamburg e.V., spricht das aus, was im Zeitalter der E-Mobilität jeder denken muss, der sich mit der Regulierungs- und Ordnungswut deutscher Behörden auseinandersetzt. Dabei hätte Mahn ganz andere Ideen, wenn es darum geht, in die Zukunft der Mobilität zu starten. Der Channel spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn er liegt mitten in der neuen Mobilitätsachse, über die derzeit in Hamburg nachgedacht wird. Urheberin ist Birgit Detig, Geschäftsführerin der neuen Hamburg Invest Entwicklungsgesellschaft. Wie im B&P-Immobilien-Special 2018 berichtet, hat sie die inhaltliche Klammer gefunden, mit der sich der Innovationspark Harburg sinnvoll definieren ließen. Wenn denn die Hansestadt zu dem Schluss kommt, im Vorgriff auf den 2021 in Hamburg stattfindenden ITS-Weltkongress eine Pilotzone im Süden einzurichten. Dort könnten eben jene intelligenten Transportsysteme (ITS) ausprobiert werden.
Ein elektrisch angetriebener Tretroller ist nun vielleicht nicht das innovativste Vehikel, dass sich der Laie unter ITS vorstellen kann, aber sicherlich eines der einfachsten. Wie kompliziert es ist, einen E-Roller in den öffentlichen Verkehr einzufädeln, macht ein FAZ-Artikel deutlich. Wie soll denn das erst werden, wenn in Hamburg die ersten kommerziellen Lieferdrohnen gen Himmel starten?
Martin Mahn und Channel-Geschäftsführerin Melanie-Gitte Lansmann wollen sich von solchen Fragen nicht entmutigen lassen. Im Gespräch mit B&P breiten sie die Detig-Vision aus, die Harburg 2021 zum Mekka der Mobilitätsszene machen könnte. Wenn es bis dahin etwas zu sehen gibt. Welche Themen im Innovationsquartier Harburg gespielt werden könnten, zählen Mahn und Lansmann überzeugend auf: E-Mobilität zu Land, zu Wasser und in der Luft, wasserstoffgetriebene Fahrzeuge, eine Velo-Route für muskelbetriebene Fahrzeuge, Drohnentestfeld, Öffentlicher Personennahverkehr (Bus, Bahn, bis hin zu einer S-Bahnstation für den hit-Technopark und das Mercedes-Werk), Schnellfähre, autonomes Fahren im Test und – der Clou – eine Schnellverbindung zwischen dem künftigen Hamburg Innovation Port und dem Campus der Technischen Universität Harburg auf dem Schwarzenberg. Wer dabei an eine Seilbahn denkt, kommt den Ideen, die in manchen Schubladen liegen, schon recht nahe. Alternativ wäre auch eine Art Skywalk denkbar, eine Plexiglasröhre, durch die Personen auf Laufbändern gehen können.
Den ITS-Weltkongress im Blick
Birgit Detig hat mittlerweile diverse Gespräche mit Harburger Akteuren geführt. Die energiegeladene Architektin hat das Zeug, das visionäre Feuer in Gang zu halten. Und sie hat die Idee, 2021 eine innovative Hansestadt zu präsentieren, die auch in der Lage ist, einen historisch gewachsenen Technologie-Gürtel zu einem Innovationspark zusammenzubinden. Diese Achse reicht inhaltlich von der Schlachthofstraße über den Binnenhafen hin zu den Industrieflächen im Seehafengebiet, weiter zu den städtischen Flächen am Radeland bis zum hit-Techopark und schließlich zum Mercedes Werk Hamburg. Mittendrin liegen große Teile der TUHH. Doch Mahn hat noch einen weiteren Aspekt gefunden: „Genau genommen hätten wir es hier mit einer Verbindungsache zwischen der A7 im Westen und der A1 im Norden zu tun. Wenn wir uns an beiden Polen der Achse je einen Logistik-Hub mit Verkehrsmitteln der Zukunft vorstellen, dann ließe sich hier eine digitale Hafenquerspange einrichten.
Sondernutzungszone in Harburg?
Perspektivisch könnte diese Achse im Westen weiter Richtung Airbus gedacht werden, im Osten ist ebenfalls Bewegung: Hier ist der ContiTech Innovation Hub geplant, ein Entwicklungszentrum auf dem ehemaligen Phoenix-Gelände. Mahn: „Es stellen sich bei so einer Vision viele Fragen – wie bekomme ich zum Beispiel den Schwerlastverkehr aus dem Gebiet heraus. Dafür muss es intelligente Lösungen geben. Im Vordergrund steht aber das Ausprobieren neuer Mobilitätssysteme. Für E-Roller müsste eventuell eine Sondernutzungszone eingerichtet werden. Für autonomes Fahren und den Einsatz von Lieferdrohnen gilt dasselbe.“
Und wie steht es um die Seilbahn-Idee? „Im Channel arbeiten, forschen und studieren jetzt schon etwa 6000 Menschen. Künftig werden geschätzt wohl mindestens 4000 dazu kommen – davon allein rund 2500 Studierende der TUHH. Auch zwischen dem hit-Technopark und dem Channel gibt es in gewissem Umfang Bewegung. Grundsätzlich stellen wir fest: Wir haben in diesem Gebiet Individualverkehr, aber – noch – nicht in riesigem Umfang. Durch den HIP, das CML und die Hotelprojekte wird das Verkehrsaufkommen jedoch sicher ansteigen – deshalb macht es auch Sinn, sich bereits jetzt mit neuen Systemen auseinanderzusetzen. Was die Seilbahn angeht – die Pläne liegen vor. Technisch ist das alles kein Problem und vermutlich viel realistischer als der Bau einer Landbrücke, die hier ja auch schon diskutiert wurde. Die Probleme sind eher juristischer Art, wenn so eine Seilbahn beispielsweise über Privatgrundstücke führt. Dann wird es kompliziert.“
Drohnen im Testflug
Der ITS-Weltkongress findet bereits in gut zwei Jahren statt – große Schritte werden sich bis dahin kaum realisieren lassen. Mahn: „Aber erste Schritte sind denkbar. Ein Drohnen-Testfluggebiet müsste sich einrichten lassen. Und auch die Ausweisung einer Sondernutzungszone zum Ausprobieren von E-Mobilität dürfte machbar sein. Deshalb müssen jetzt zügig die Rahmenbedingungen geschaffen werden – die technischen für die Elektroausstattung und perspektivisch für ein 5G-Netz zur sicheren Datenübertragung, die politischen durch einen Beschluss der Bürgerschaft und die juristischen für den Betrieb bislang nicht offiziell zugelassener Systeme.“ Ob der E-Tretroller mit Doppelbremsanlage, Blinker, Beleuchtung und Versicherung bis dahin überlebt, steht in den Sternen . . . Von Wolfgang Becker