So investiert der Eisenbahnbauverein Harburg in den Bestand und in die Zukunft – Gespräch mit Joachim Bode und Alexandra Chrobok.
Der Eisenbahnbauverein Harburg eG ist eine Wohnungsbaugenossenschaft, die sehr rege ist und immer wieder im großen Stil investiert – in Neubauten, in innovative Technik, in Energieeinsparungsmaßnahmen. B&B-Redakteur Wolfgang Becker sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden Joachim Bode und seiner Vorstandskollegin Alexandra Chrobok über die aktuelle Entwicklung, innovative Ansätze und Zukunftsprojekte.
In Hamburg herrscht nach wie vor Wohnungsnotstand. Was tut der Eisenbahnbauverein, um neuen Wohnraum zu schaffen?
Joachim Bode: In diesen Tagen haben wir unseren Neubau in der Friedrich-List-Straße fertiggestellt. Die Mieter ziehen bereits ein. 21 Wohnungen in Passivhaus-Qualität. Ursprünglich als Harburgs erste autofreie Siedlung gedacht, aber zwischenzeitlich ist es höchstrichterlich verboten worden: Deutschen Mietern darf ein Kfz per Mietvertrag nicht mehr verboten werden. Immerhin: Die Wohnanlage ist nur über einen längeren Fußweg zu erreichen. Alternativ haben wir über
80 Fahrradstellplätze geschaffen.
Wie hoch ist die Investition?
Bode: Knapp sechs Millionen Euro.
Wie haben Sie die Vermietung organisiert – gibt es da Wartelisten?
Alexandra Chrobok: Wir haben ein Bauschild aufgestellt – dann geht das relativ fix. Obwohl das Gebäude von der Straße aus gar nicht zu sehen ist. Eine Wohnung ist noch zu haben – weil jemand abgesprungen ist. Aber die Mieten sind mit 9,50 Euro pro Quadratmeter auch extrem günstig. Ein barrierefreier Neubau mit Einbauküche, Parkett, Aufzug und Passivhausstandard – das gibt es sonst nirgends.
Gibt es weitere Planungen?
Bode: Nicht nur Planungen. In Wilstorf, Roseggerstraße 8, entstehen acht Dreizimmerwohnungen mit KFW-40-Standard und Tiefgarage; und in Barmbek Süd haben wir einen Altbau abgerissen und bauen acht neue Wohnungen. Beide Vorhaben haben bereits begonnen. Fertigstellung zum Jahreswechsel 2017/18. Außerdem haben wir uns um eine Fläche in Fleestedt beworben. Wir gucken also auch über die Stadtgrenze.
96 Prozent des EBV-Bestandes von 3232 Wohnungen sind in Harburg – gibt es hier noch weitere Verdichtungsmöglichkeiten?
Bode: Beim Blick aus der Luft entdeckt man noch die eine oder andere freie Fläche. Aber: Wir haben in der Vergangenheit allein 160 zusätzliche Wohnungen durch den Ausbau von Dachgeschossen geschaffen. Und: Bei drei von vier Neubauvorhaben müssen wir bereits heute alte Gebäude abreißen. Es geht also mehr um Abriss und Neubau als um Verdichtung.
Gibt es eigentlich eine Idealgröße für eine Wohnungsgenossenschaft?
Bode: Die liegt irgendwo zwischen 3000 und 5000 Wohnungen. Danach wird es irgendwann zu unpersönlich. In Harburg sind wir in einer glücklichen Situation: Wir brauchen maximal fünf Minuten bis zu unserem entferntesten Mieter. Wenn also etwas los ist, können wir sofort vor Ort sein.
Worin besteht der Kitt zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern beziehungsweise Mietern?
Chrobok: Das fängt schon mal bei unseren Geburtstagsbesuchen bei Mietern ab 80 Jahren an. Wir haben einen Mietertreff, bieten Ausfahrten an, organisieren Veranstaltungen von Bingo bis Theater. Und die Karten sind in der Regel binnen kürzester Zeit weg.
Bode: Es ist schon familiär bei uns. Aber das spiegelt die Entwicklung bei den Wohnungsgenossenschaften, die durchweg ihr Sozialmanagement hochfahren.
Sie haben es im vorigen Jahr geschafft, die erste StadtRAD-Station nach Harburg zu holen. Werden die Räder benutzt?
Chrobok: Die werden immer benutzt. Wenn ich dort nachmittags vorbeigehe, steht von 16 Rädern maximal noch eins da. Die anderen stehen wahrscheinlich alle am Phoenix-Center.
Bode: Eine halbe Stunde ist die Nutzung kostenlos – das machen viele Nutzer, fahren von A nach B und lassen das Rad dort stehen. Nachts werden die Räder von StadtRAD zurückgebracht. Wir haben übrigens auch zwei Elektrofahrzeuge zum Ausleihen, aber StadtRAD hat uns jetzt geraten, ein E-Car gegen ein Hybrid-Auto auszutauschen, weil viele potenzielle Nutzer Angst haben, am Ziel keine Ladestation vorzufinden und womöglich nicht den Rückweg zu schaffen. Das werden wir ab Januar umsetzen.
Thema Bestandsmodernisierung: Wie ist da der aktuelle Stand?
Bode: Wir haben jetzt die ersten überdachten Fahrradhäuser aufgestellt. Diese Unterstände können in Modulbauweise vergrößert werden – und eignen sich auch für das Abstellen von abschließbaren Häuschen für Abfallbehälter. 2016 haben wir das vorletzte Mal E-Heizungen gegen eine Gastzentralheizung ausgetauscht. Und wir haben unseren letzten Altbau mit Außendämmung versehen und zugleich zwölf neue Balkone angebaut. In den vergangenen zwölf bis 14 Jahren haben wir damit 1400 Balkone nachgerüstet. Erstmals haben wir im Bestand einen innenliegenden Aufzug eingebaut – am Reeseberg. 2017 soll ebenfalls am Reeseberg ein weiteres Gebäude mit Aufzug ausgestattet werden – allerdings außen angebaut. Alle anderen EBV-Häuser eignen sich dazu leider nicht.
Wie viel Geld investieren Sie pro Jahr in den Bestand?
Bode: Um die sechs Millionen Euro.
Für Furore hat der Bau der damals weltgrößten Eisspeicherheizung gesorgt. Wie sind Ihre Erfahrungen mit diesem System? Ist die Rechnung aufgegangen?
Bode: Das Konzept war schon revolutionär. 2006 erstmalig zum Patent angemeldet, wir haben es 2011 umgesetzt. Wir hatten den Mietern eine Halbierung der Heizkosten versprochen. Die Technik funktioniert. Wir haben also tatsächlich Eis gesehen. Bei der zweiten Betriebskostenabrechnung, für 2015, sind die Kosten allerdings für manchen Mieter etwas aus dem Ruder gelaufen. Die Rückzahlung war nicht mehr ganz so hoch wie im ersten Jahr. Da hatten wir drei- und vierstellige Beträge zurückerstattet. Für 2015 fiel es dann deutlich niedriger aus – nur noch zwei- und dreistellige Beträge, aber immerhin noch Rückzahlungen. Man muss sagen: Wir haben im Schnitt erheblich höhere Wartungskosten gehabt, und der Betriebsstrom für den Thermalölkessel schlug erheblich zu Buche. Das würden wir künftig anders lösen.
Wollen Sie denn weiter auf Eisspeicher setzen?
Bode: Wir denken darüber nach, eine weitere Anlage zu bauen. Allerdings etwas anders gestaltet, damit die Betriebskosten noch weiter sinken. Wir haben noch
400 Wohnungen mit E-Speicherheizungen im Bestand, die auf Zentralheizung umgerüstet werden sollen. Wir würden dort wieder Eisspeicher bauen, allerdings nicht einen großen, sondern eher vier kleinere, die aber insgesamt mehr Volumen haben. Das ist nötig, um elektrische Wärmepumpen einsetzen zu können. Dafür gibt es dann wieder besondere Spartarife. Kurz: Unsere CO2-Bilanz ist klasse. Die Umwelt freut sich. Wir wollen, dass sich auch die Mieter freuen. Deshalb werden wir im zweiten Projekt auf E-Pumpen umstellen.
Web: www.ebv-harburg.de