Von Heinrich Wilke.
Wer den sozialen Frieden in unserer Stadt durch Bodenspekulation aufs Spiel setzen will, ist in Hamburg nicht willkommen“, erklärte jüngst SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf. Sein Kollege Dominik Lorenzen von den Grünen nannte Bodenspekulation ein Grundübel in der Stadtentwicklung. Worum geht es? Bei „Spekulation“ handelt es sich um die Erwartung, dass jemand durch eine Entscheidung in der Gegenwart einen Vorteil in der Zukunft haben wird. Das Wort leitet sich aus dem Lateinischen ab, wo das Verb „speculare“ spähen oder beobachten bedeutet (www.helles-koepfchen.de).
Spekulation ist also zunächst einmal ein unverfängliches wirtschaftliches Handeln. Sie ist sogar ziemlich wichtig für eine funktionierende Wirtschaft. Wenn es um Immobilien geht, und hier insbesondere um Wohngebäude, ist die Wahrnehmung aber regelmäßig eine andere. Da wird dann auch schnell mal alles in einen Topf geworfen: Der Grundstückseigentümer, der sein Grundstück aktuell nicht bebauen kann, steht plötzlich genauso am Pranger wie der Hauseigentümer, der seine Mieter mit kriminellen Mitteln loswerden will, um teure Eigentumswohnungen zu verkaufen. Manche, die politische Verantwortung tragen, würden am liebsten alle enteignen, die mehr als fünf Häuser ihr Eigen nennen.
Bitte mal den Ball flach halten und genauer hinschauen! Es gibt in der Tat Investoren, die mit Grundstücken handeln, ohne selbst einen echten Mehrwert zu schaffen. Sie hoffen auf Wertsteigerung durch die allgemeine Preisentwicklung oder kaufen Grundstücke auf Vorrat. Das kann vorübergehend das Ortsbild beeinträchtigen, aber solange sich das Verhalten nicht ausweitet zu einer Bodenblockade, ist es zunächst einmal legitim. Die allermeisten Investoren kaufen jedoch bebaute oder unbebaute Flächen, um sie möglichst zügig zu entwickeln, denn in der Regel tickt die Zins-Uhr im Hintergrund unablässig. Hierbei handelt es sich um eine höchst anspruchsvolle unternehmerische Tätigkeit, bei der echte Werte geschaffen werden.
Vorsicht, Glücksritter!
Leider zieht diese Branche auch Glücksritter an, die vollmundig versprechen, Luftschlösser bauen zu wollen. Wenn es nicht funktioniert, stehen die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung dumm da und müssen ihren Wählern erklären, warum sie sich vor den Karren von Blendern haben spannen lassen. Manchmal reicht aber schon das kleine Einmaleins, um frühzeitig zu erkennen, dass ein Vorhaben unter normalen Rahmenbedingungen nicht umsetzbar ist.
Die Schaffung von Bauland durch Bebauungspläne, städtebauliche Verträge, Erschließung und den Verkauf an Bauwillige ist eine eigenständige, sehr komplexe und volkswirtschaftlich wichtige Wertschöpfung, die ohne eine professionelle Arbeitsstruktur heute nicht mehr zu bewältigen ist. Hinzu kommt, dass diese Tätigkeit nicht ohne Risiko ist, weil sie von vielen externen Ereignissen und politischen Entscheidungen abhängig ist. Grundstücksverkäufer erwarten aber häufig einen Festpreis, in dem sämtliche Chancen und Risiken eingepreist sind. Und schon sind wir wieder im Bereich der Spekulation. Wenn dann nach vielen Jahren Arbeit alles gut gelaufen ist, stellt der Baulandentwickler dem privaten Bauherren, dem unternehmerischen Bauträger und dem Gewerbebetrieb die passenden Baugrundstücke zur Verfügung. Und dann hoffentlich mit einem dem Risiko entsprechenden Unternehmergewinn.
Markt oder Staat – Wer kann es besser?
Manche Kommunen gehen bereits so weit, Bebauungspläne nur noch auf stadteigenen Grundstücken zulassen zu wollen, um Bodenwertsteigerungen selbst vereinnahmen zu können. Aber wird es dadurch auch besser? Oder geht es schneller? Kommunale sowie andere öffentliche Stadtentwickler und Baugesellschaften haben sich jedenfalls in der Vergangenheit nicht immer mit Ruhm bekleckert. Die Bausünden staatlicher, kommunaler oder gewerkschaftseigener Gesellschaften sind auch heute noch Zeugnis einer verfehlten Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik.
Was wir für die Zukunft brauchen: funktionale Mischung, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit, kleinräumige Selbstorganisation, typologische Gliederung und Anpassungsfähigkeit an veränderte Marktbedingungen. Und hierfür sind die Kreativität, die Dynamik und der Unternehmergeist der Privatwirtschaft unverzichtbar – beim Bauland, beim Bauen und bei der Bewirtschaftung.
Stadtentwicklungspolitisch steuern ließe sich bereits vieles allein durch die Parzellenstruktur eines neuen Stadtteils oder Quartiers. Die neuen Grundstücksparzellen sollten nicht größer sein, als es für die Funktion des geplanten Gebäudes erforderlich ist. Sie sollten zudem möglichst einfach zu bebauen sein und für sich allein funktionieren. Die Qualität entsteht dann durch Vielfalt und Wettbewerb. Und auch mittelständische, ortsnahe Unternehmen und Privatpersonen haben dann eine Chance zu zeigen, was sie können.
Und wir brauchen mehr Verständnis füreinander: Auf der öffentlichen Seite darf sich nicht die Haltung durchsetzen, der private Bau- und Immobiliensektor sei ein wilder Tiger, dem man Ketten anlegen müsse. Und die private Seite muss akzeptieren, dass öffentliche Entscheidungsträger unter erheblichem wohnungs- und klimapolitischem Erfolgsdruck stehen. Nur so kann die notwendige Vertrauensbasis entstehen, die wir zur Weiterentwicklung unserer Städte dringend benötigen.