Bau-Boom führt zu neuen Allianzen in der Finanzwirtschaft – Hamburger Volksbank schraubt Kreditobergrenze hoch.
Eine bessere Kulisse hätte sich Wolfgang Voß, Bereichsleiter Unternehmenskunden bei der Hamburger Volksbank, kaum aussuchen können: Aus dem sechsten Stock der Zentrale an der Hammerbrookstraße fällt der Blick auf eine vitale Stadt: „Schauen Sie aus dem Fenster – sehen Sie die Kräne?“ Damit benennt Voß eine der tragenden Säulen des aktuellen Geschäfts, mit dem Banken und Sparkassen die Phase der Niedrigzinspolitik kompensieren. Und das offenbar mit großem Erfolg, wie Herbert Hagen, Unternehmenskundenberater und Prokurist, Mitte August sagt: „Wir haben unser diesjähriges Ziel von 100 Millionen Euro Neugeschäft bereits erreicht.“ Und Voß fügt hinzu: „Wohlgemerkt: nur im Immobilienbereich.“
Eine neue Liga erreicht
Die Hamburger Volksbank beschäftigt zehn Berater für das „große Kreditgeschäft“, darunter vier Experten für anspruchsvolle Gewerbe-Immobilen und das Bauträgergeschäft. Wolfgang Voß spricht von einem „perfekten Lauf“ im Jahr 2016. Aber er weiß auch: Ein Hochschrauben der Kreditsumme erhöht auch das Risiko. Vor zwei Jahren machte sich die Volksbank deshalb daran, für höhere Einzel-Kreditvolumina Partner ins Boot zu holen. Bei einem Bauprojekt in Bergedorf mit einer Investitionssumme von rund 20 Millionen Euro taten sich dazu drei Volksbanken zusammen – ein Testlauf sozusagen. Die Kooperationsstrategie stand damals am Anfang, heute ist sie eine bewährte Methode und gilt als Erfolgsmodell – allerdings mit anderen Vorgaben. Wolfgang Voß: „So ein Projekt würden wir heute mit zwei Banken machen.“ Auch die selbst auferlegte 20-Millionen-Euro-Grenze gilt nicht mehr, wie er sagt: „Wir nehmen mittlerweile Immobilien-Projekte bis 30 Millionen Euro in die Bücher. Das ist im Bereich der Genossenschaftsbanken eine neue Liga.“
„In die Bücher nehmen“ heißt in diesem Fall: Die Hamburger Volksbank übernimmt als verantwortliches Geldinstitut die volle Verantwortung für die Abwicklung des Geschäfts, holt sich bei diesen Größenordnungen aber Partner hinzu, um das Risiko durch Bürgschaften abzusichern. Diese Partner sind in der Regel andere Genossenschaftsbanken – was dazu führt, dass sich das klassische Geschäft in der zentralen Metropolregion Hamburg zusätzlich ins Umland verlagert. Gemeinsame Projekte mit Partnern in Stade und Lübeck bestätigen diese Entwicklung.
„Wir sprechen miteinander“
Herbert Hagen: „Unser traditionelles Geschäft findet von jeher im Großraum Hamburg statt, reicht durchaus bis Lüneburg im Süd-Osten und Elmshorn im Norden. Bis 15 Millionen Euro sind wir gern allein unterwegs, bis 30 Millionen holen wir uns Partnerbanken hinzu.“ Konkret geht es um die Finanzierung von Projekten im Bereich der Wohn- und Gewerbe-Immobilien, der Nahversorgung (Einzelhandelszentren), des Hotelbaus, der Logistik und des sonstigen Gewerbes. Die Volksbanken haben sich über Jahrzehnte als Partner des Mittelstandes positioniert und sind damit im selben Markt wie die Sparkassen unterwegs.
Der hohe Investitionsdruck im Immobilienbereich löst nun Gedankenspiele aus, die bislang so nicht zu hören waren. Wolfgang Voß: „Wir wissen heute, dass gemeinsame Projekte mit Partnern ein Erfolgsmodell sind. Deshalb hat der Vorstand die Obergrenze unserer Projekte auf 30 Millionen Euro angehoben – eine Grundsatzentscheidung. Es ist einfach Fakt: Im Großraum Hamburg ist derzeit ein hoher Finanzierungsbedarf und ein gutes Geschäft zu machen. Deshalb sind unsere Arme offen – wir würden heute auch gemeinschaftliche Projekte mit Partnern aus der roten Fraktion machen.“ Damit sind die Sparkassen gemeint. Noch hat es so eine Kooperation nicht gegeben, aber Voß sagt: „Wir sprechen miteinander. Die Bereitschaft ist da . . .“
Undenkbare Zeiten
Der Bau-Boom ist zum einen eine Folge der anhaltenden Niedrigzinsphase, zum anderen aber auch in der rasanten Entwicklung der Hansestadt Hamburg begründet. Insgesamt entfachen die deutschen Metropolen hohe konjunkturelle Kraft. Davon profitieren die Banken vor Ort. Eine Prognose, wie sich der Markt langfristig entwickelt, ist zwar schwierig, aber Herbert Hagen sagt: „Wir liegen bei einer zehnjährigen Zinsbindung mittlerweile bei einem Prozent – weniger geht eigentlich nicht mehr.“ Wolfgang Voß ist sich da nicht so sicher: „Wir haben heute eine Situation, die eigentlich nicht denkbar war. Wenn es weiterhin ‚undenkbar‘ bleibt, ist es möglicherweise nicht ausgeschlossen, dass wir demjenigen, der einen Kredit in Anspruch nimmt, noch Geld zahlen, damit wir unsere Belastung aus dem Minuszins reduzieren . . .“
Bei allen Planspielen betonen beide aber auch die Auffassung, dass sich das Kreditgeschäft selbst in Minuszinszeiten im Grunde nicht mehr nennenswert steigern lässt, denn: „Die Prüfung der Finanzierbarkeit von Projekten bleibt ja bestehen. Bei allem, was wir tun, steht immer eine konservativ-solide Berechnung von Chancen und Risiken im Vordergrund.“ wb