50 Jahre Ingenieurbüro Fröhling & Rathjen: Zwischen Barhocker und Windenergieanlage – Hauptsache, die Standsicherheit ist gewährleistet
Beim Blick auf eine große Windenergieanlage kommt schon mal die Frage auf, warum „so eine große Maschine“ selbst bei Sturm und Orkan so sicher steht. Klar, weil sie ein entsprechendes Fundament hat. Um diese Fundamente geht es häufig, wenn bei Fröhling & Rathjen in Harsefeld das Telefon klingelt, denn das Ingenieurbüro für Tragwerksplanung hat eine ausgewiesene Expertise im Berechnen eben dieser Unterkonstruktion, die der Laie normalerweise nie zu Gesicht bekommt. Ein Drittel des Geschäfts entfallen auf Fundamente für Windenergieanlagen in aller Welt, berichten die Geschäftsführer Christian Fröhling und Thorben Rathjen im B&P-Gespräch – und betonen, dass der Carport von nebenan für sie genauso wichtig ist, wenn es um Standfestigkeit und Sicherheit geht.
Thorben Rathjen: „Als Tragwerkplaner sind wir sehr breit aufgestellt. Der Carport, das Einfamilienhaus, Mehrfamilienhäuser, öffentliche Gebäude wie Schulen und ähnliches, Hallen, Gewerbebauten aller Art – überall ist eine statische Berechnung nötig. Binnen 50 Jahren haben wir mehr als 40 000 Berechnungen geliefert. Tatsächlich reicht unser Themenspektrum vom Barhocker bis zur Fünf-Megawatt-Windkraftanlage.“ Barhocker? Da kommt Senior Hans-Peter Fröhling ins Spiel, der das Ingenieurbüro vor 50 Jahren gründete und sich nun mit der nächsten Generation über das Jubiläum freut: „In der Wandelhalle des Hamburger Hauptbahnhofs sollten festmontierte Barhocker aufgestellt werden. Nun ging es darum, die Anprall-Lasten zu berechnen. Wenn ein Notfall passiert und Menschen flüchten müssen, dann darf so ein Barhocker nicht umfallen und als Hindernis im Weg liegenbleiben. Also haben wir gerechnet. Jede Aufgabe hat ihre Eigenarten.“
Rechteckig, achteckig, rund
Zurück zu den großen Aufträgen aus dem Bereich der Windkraft. Mittlerweile hat Fröhling & Rathjen mehr als 1000 verschiedene Fundamente für ein Vielfaches an Windkraftanlagen berechnet. Christian Fröhling: „Ganz früher waren die Fundamente rechteckig, dann wurden sie achteckig, 16-eckig und schließlich rund. Wie genau das Fundament konstruiert werden muss, ist abhängig von der Größe und dem Gewicht der Bauwerke sowie vom Untergrund. Mittlerweile registrieren wir, dass die Standorte komplizierter werden – das heißt: Der Untergrund ist beispielsweise feucht, breiig oder moorig. Aber alles ist lösbar. Auch die Windkraftanlagen auf dem Hamburger Müllberg in Georgswerder haben Fundamente, die wir berechnet haben. Zurzeit in Planung: Ein Windpark auf einer Tagebauabraumhalde an der polnischen Grenze, unter der Halde werden Kampfmittel vermutet.“
Nicht nur die Windkraftanlagen sind mit den Jahren immer größer geworden, auch die Fundamente mussten sich anpassen und tragfähiger werden. Allein in China stehen rund 20 000 Windräder eines Entwicklungsbüros, deren Fundamente die Harsefelder Spezialisten berechnet haben und deren Gründung teilweise auch von ihnen vor Ort überwacht wurde. Senior Hans-Peter Fröhling war 2010 mit seiner Frau Helga Anna dabei, als der Prototyp eines Fundaments gegossen wurde. Die Expertise für dieses spezielle Fachgebiet geht auf die Anfrage eines Stader Architekten im Jahre 1990 zurück. Der sollte ein Windrad berechnen und bat den Harsefelder Statiker um Hilfe. Der Senior: „Da habe ich acht Seiten Berechnung abgeliefert – und das Prüfamt für Baustatik in Kiel kommentierte nur, so gehe das nicht. Aber dann haben sie uns sehr geholfen. Und so kam alles in Gang.“ Bis heute gibt es nur eine Hand voll Ingenieurbüros, die sich mit Windrad-Fundamenten auskennen.
Diese spezielle Expertise ist allerdings nur ein Teil des Geschäfts. Fröhling & Rathjen arbeiten beispielsweise eng mit bekannten Harsefelder Unternehmen zusammen, denn auch Wohnhäuser müssen statisch berechnet werden. Im Ingenieurbüro an der Schulstraße arbeiten rund 20 Spezialisten, inklusive Tätigkeit in Normenausschüssen. Selbst als das Windkraftthema in Deutschland zeitweise fast zum Erliegen kam, ging diese Delle spurlos an Harsefeld vorüber. Christian Fröhling: „Irgendwo auf der Welt wird immer gebaut. In Indien, in den europäischen Nachbarstaaten, in Asien. Wir hatten auch schon einen Prüfauftrag für einen Windpark, der an den Niagarafällen steht.“ Und: „Viele Länder haben keine eigenen Normen und Gesetze, die den Bau solcher Anlagen regeln. Die greifen dann auf die US-Norm zurück – überraschenderweise selbst dann, wenn sie mit den USA im Konflikt stehen. Wir würden eher die europäischen Normen ansetzen.“ Der umfangreichste Auftrag, den Fröhling & Rathjen jemals auf dem Tisch hatten, betraf ebenfalls das Thema Windkraft – dort flossen 5120 Arbeitsstunden in ein einziges Projekt.
PV-Anlage: Trägt mein Dach?
Ein ganz anderes Feld: Das Büro Fröhling & Rathjen registriert derzeit eine steigende Nachfrage im Zusammenhang mit dem nachträglichen Einbau von Photovoltaik-Anlagen. Thorben Rathjen: „Der Plan ist ja generell gut, aber können die Dächer das überhaupt tragen? Das muss in jedem Einzelfall geprüft werden. Das Gute: Wenn wir ein Gebäude berechnet haben, dann existieren alle statischen Unterlagen in unserem Archiv. Da muss man dann nur reinschauen. In anderen Fällen gibt es diese Unterlagen häufig nicht mehr – dann muss neu berechnet werden.“ wb
Der Vollständigkeit halber: Zum Leistungsspektrum von Fröhling & Rathjen gehören neben Tragwerkplanung für Bauwerke aller Art und dem Thema Gründung von Windkraftanlagen auch die Themenbereiche Sicherheits- und Gesundheitskoordination (SiGeKo), Schallschutz, Wärmeschutz und Brandschutz.
>> Web: www.froehling-rathjen.de