Hamburg muss Boden gut machen

Foto: Süderelbe AGHeinrich Wilke || Foto: Süderelbe AG

Eine Kolumne von Heinrich Wilke

Der Bezirk Harburg hat sich viel vorgenommen: Von der Schlacht­hofstraße bis zum hit-Technopark soll sich ein Innovationspark für die Zukunftsbranchen der Stadt entwickeln. In der Harburger Innenstadt sollen Flächen für Wohnungen, Hotels und Kreativwirtschaft mobilisiert werden. Die B73 soll von einer vierspurigen Durchgangsstraße zu einer Achse für neue Mobilität und Urbanität werden. Und ganz nebenbei müssen jährlich 1000 neue Wohnungen auf den Markt gebracht werden.

Im Schulterschluss mit den Landesbehörden denkt der Bezirk heute größer und selbstbewusster als noch vor wenigen Jahren. Um die Klimaziele, den Mobilitätswandel und die Wohnraumversorgung für Menschen mit geringerem Einkommen umsetzen zu können, wird der Werkzeugkasten zunehmend mit schlagkräftigen Instrumenten bestückt, die seit Jahrzenten in der Mottenkiste der Gesetzbücher vor sich hin stauben: Vorkaufsrechte, Schutzsatzungen, förmlich festgelegte Sanierungs- und Entwicklungsgebiete und Grundstücksvergaben über Erbbaurechte.

Die Stadt Hamburg ist immer dafür bekannt gewesen, durch langfristige Aufkäufe eine strategische Bodenvorratspolitik zu betreiben. Besonders für einen Stadtstaat ist es wichtig, dass Baugrund effizient genutzt wird und für neue Entwicklungen mobilisiert werden kann. Pläne für einen 35 Hektar großen Innovationspark Am Radeland in Harburg sind davon abhängig, dass die hierfür notwendigen Grundstücke auch verfügbar sind. Das ist aber wie zum Beispiel im Bereich des östlichen Binnenhafens nicht immer der Fall.

Anzeige

Keine Angst vor Erbbaurechten

Insofern ist es nachvollziehbar, dass Grundstückseigentümer, die ihre Grundstücke spekulativ „liegen lassen“ und auf Wertzuwächse ohne eigene Investitionen setzen, von den Behörden neuerdings mit scharfen und teilweise schmerzhaften Instrumenten malträtiert werden. Mehrfache Eigentümerwechsel bei wichtigen Projekten wie dem Neuländer Quarree oder der New-York-Hamburger-
Fläche zerstören zudem das ohnehin angeschlagene Vertrauen in die Branche.

Gleichzeitig ist die öffentliche Hand aber gut beraten, private Entwicklungsgesellschaften mit ihrem Know-how und ihrem Kapital strategisch und operativ mit einzubinden, um nicht am Markt vorbei zu planen und mehr Geschwindigkeit in die Abläufe zu bringen.

Die Vergabe von Bauland ist die effektivste Methode für eine Stadt oder Gemeinde, Einfluss auf dessen Nutzung zu nehmen und damit ihre klimapolitischen, sozialen und städtebaulichen Ziele zu erreichen. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat ihre Grundstücksvergabe komplett umgestellt auf Erb­baurechte. Verkäufe sollen die Ausnahme bilden. Diese Nachricht war erst einmal ein Schock für die Branche, denn Erbbaurechte gelten als nur schwer finanzierbar und angesichts des vorhandenen privaten Kapitals und niedriger Zinsen als wirtschaftlich äußerst unattraktiv.

Wo bleiben die „Langweiler“?

Anzeige

Bei Wohnungsbaugrundstücken hat der Senat gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft nachgebessert und damit erreicht, dass Erbbaurechtsverträge auch am Ende der Laufzeit für beide Seiten funktionieren. Leider wurde es versäumt, auch für eine Anpassung der gewerblichen Erbbaurechtsverträge zu sorgen. Hier muss der Erbbaurechtsnehmer weiterhin massive Nachteile in Kauf nehmen. Dies ist vermutlich der Tatsache geschuldet, dass es zwar ein „Bündnis für Wohnen“ gibt, in das die private Wohnungswirtschaft ihre Interessen einbringt, nicht aber ein vergleichbares „Bündnis für Gewerbe“.

Wohnungsbau, Innovationspark, wissensbasierte Unternehmen, Klimaschutz, Mobilitätswende – aber wo finden zukünftig eigentlich die weniger spektakulären Unternehmen ihren Standort? Großhandel, Baugewerbe, verarbeitendes Gewerbe, mittelständische Industriebetriebe oder das Transportgewerbe haben immer größere Probleme, überhaupt einen Standort zu finden, an dem sie sich entwickeln können. Die noch wenigen öffentlichen Flächen gelten für diese „Langeweiler“ allgemein als zu kostbar. Unsere Volkswirtschaft ist aber auf diese Unternehmen angewiesen – und diese Unternehmen wiederum auf eine gute Infrastruktur, um im Wettbewerb bestehen zu können. Es wird deshalb Zeit für ein regionales Gewerbeflächenmanagement, das mehr ist als ein Lippenbekenntnis, und wohl auch für ein „Bündnis für das Gewerbe“. Vielleicht braucht es neben
10 000 Wohnungen und 50 Kilometern Fahrradwegen pro Jahr eine weitere, ebenso ernsthaft gemeinte Zielvorgabe für Hamburg, an der sich alle messen lassen müssen: 20 Hektar Gewerbebauland pro Jahr!

>> Fragen an den Autor?
wilke@imentas.de