Großeinsatz für „Brückenspechte“

Foto: Wolfgang Becker

Dunkle Wolken über der Hannoverschen Straße: Harburgs nächste Brückengroßbaustelle beginnt im Herbst.

Gut 30 Brücken vor Sanierung

Befragt nach dem Zustand der Hamburger Brücken, lautet die Antwort so: Auf einer Skala von eins (Neuzustand) bis vier (Abriss und Neubau) liegt der Brückenbestand zurzeit bei einer durchschnittlichen Gesamtnote von 2,2, was insgesamt einem befriedigenden Zustand entspricht. Die Masse der Hamburger LSBG-Brücken stamme aus den 50er-, 60er- und 70er-Jahren und komme nun in das Alter, in dem das Thema Lebenszeit akut wird. Heimböckel macht eine plausible Gleichung auf: „In dem Maße, wie damals investiert wurde, muss heute saniert werden.“ Konkret heißt es: Etwa 30 bis 35 Brücken liegen schlechter als die Note drei. Dazu zählt unter anderem das Wahrzeichen des LSBG – die markante Tragseilbrücke, die im Zuge der A1 über die Norderelbe führt. Heimböckel: „Die ist in den kommenden zehn bis
15 Jahren dran.“

Wider den Verkehrsinfarkt

Hinz betont noch einmal: „Unsere Aufgabe ist es, dass die Brücken möglichst ihre Lebenszeit erreichen. Und dass wir nicht die Situation haben, dass plötzlich eine Brücke gesperrt werden muss. Es geht also darum, die Investitionen planbar zu machen.“

Was passiert, wenn etwas Ungeplantes geschieht, konnte Hamburg im Dezember 2014 erleben, als ein Binnenschiffer meinte, sein Ladekran würde noch unter der A1-Autobahnbrücke über die Süderelbe hindurchpassen. In Folge der Havarie – der Mann hatte sich getäuscht – musste die A1 auf der Höhe ein Dreivierteljahr lang gesperrt werden. Mit reichlich Unannehmlichkeiten für Pendler und Fernreisende. Hinz: „Es hätte auch noch viel schlimmer kommen können.“ Die Folgen einer Totalsperrung wären gar nicht auszudenken – das wäre der unvermeidliche Dauerverkehrsinfarkt im Süden der Hansestadt gewesen.

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Die LSBG-Führung ist sich der Lage bewusst: Jetzt ist die Zeit der Sanierung. Krüger rechnet damit, dass pro Jahr 20 bis 25 Sanierungen und Wiederinstandsetzungen auf den LSBG zurollen. Auch die Kosten für den Hamburger Haushalt werden sich erhöhen. Mittlerweile ist ein „Erhaltungsmanagement für Brücken“ aufgesetzt worden – mit dem Ziel, die finanziellen Lasten gleichmäßig auf die kommenden Jahre zu verteilen. Hinz: „Ein Logistikstandort wie Hamburg kann es sich nicht leisten, dass wesentliche Teile der Infrastruktur ausfallen.“ Deshalb sei auch das Thema Schwertransporte ein sensibler Punkt. Hinz: „Pro Jahr gehen in Hamburg 70 000 Anträge auf Schwertransporte ein, wobei ein Antrag aus mehreren Touren bestehen kann. Wir haben hier Schwertransporte von bis zu 300 Tonnen. Das führt zu einem enormen Verschleiß.“

Im Herbst wird es kritisch

Neubauten, so wie jetzt im Binnenhafen realisiert, sind übrigens die Ausnahme. Eher kommt es zu Ersatzbauten wie beispielsweise bei der Klappbrücke am Östlichen Bahnhofskanal (Seite 9). Sobald die saniert und wieder befahrbar ist, kommt die nächste Großbaustelle auf die Harburger zu. Krüger: „Dann ist die Straßenbrücke Hannoversche Straße an die Reihe.“ Sie ist bereits für Lastwagen gesperrt und künstlich verengt. Die Brücke, die mehrere Gleise überspannt, muss komplett abgerissen und erneuert werden. Baustart ist im Herbst 2016. Für Fußgänger wird eine Behelfsbrücke errichtet. Die Baumaßnahme wird mehr als ein Jahr dauern.

150 bis 200 Millionen Euro – so viel Geld gibt der LSBG pro Jahr für Bauvorhaben aus. Allein auf die Brücken und Ingenieurbauwerke entfallen rund 40 Millionen Euro. Sieben Tage die Woche ist der Landesbetrieb rund um die Uhr besetzt – falls es irgendwo zu einem Problem kommt, muss sofort gehandelt werden. So wie kürzlich, als von der A7 oberhalb der B73 Beton-absprengungen herunterfielen. Die aufgeständerte A7 ist mit 3,5 Kilometern übrigens die längste Autobahnbrücke Deutschlands. Die Absprengungen waren ein Fall für die Bauwerksprüfer, gern auch „Brückenspechte“ genannt. Das sind Experten vom LSBG, die in solchen Fällen mit einem spitzen Hammer den Beton überprüfen.

Mit Uhrmacherpräzision

Bei allen Problemen: Brücken seien keineswegs nur ein Thema für Sorgenfalten, betont Hinz. Sondern auch ein Thema, das sehr viel Kreativität freisetze, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Die in den 70er-Jahren gebaute A7-Brücke besteht aus Spannbeton, der mit den Jahren an seine Belastungsgrenze kam. Wer heute genau hinsieht, entdeckt im Seitenbereich dicke Stahlseile. Durch sie wird eine externe Vorspannung der Stahlbetonkonstruktion erreicht, die die Belastungsgrenze deutlich erhöht hat. Heimböckel: „Wir reden hier über Hunderte Tonnen Lasten und gehen an so ein Thema mit Uhrmacherpräzision heran.“

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