Rembert Rechtsanwälte: Michael Schmidt über eine bürgerfreundliche Änderung im Baurecht
Bebauungsplanverfahren sind der Stoff, aus dem die Träume der Kommunalpolitiker sind. In der Regel dürfen sie mitreden, was, wo und wie gebaut werden darf. Das ist in Metropolen wie Hamburg nicht anders als in der Samtgemeinde auf dem flachen Land. Das Umsetzen sowohl der Verfahren als auch der Pläne, so sie denn rechtskräftig geworden sind, ist allerdings ein Thema für die jeweiligen Verwaltungen. Doch wie kommt so ein Bebauungsplan überhaupt zustande – und was genau muss der betroffene Anlieger, der Initiator und der Grundeigentümer wissen, wenn er keine Überraschungen erleben will?
Michael Schmidt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht bei Rembert Rechtsanwälte in Hamburg, sagt: „Im B-Planverfahren ist unter anderem die Beteiligung der Bürger geregelt. Sie haben gleich zwei Mal die Chance, sich detailliert zu Wort zu melden – und sollten das auch nutzen. Hier hat es zudem eine wichtige Änderung gegeben, weil sich der Europäische Gerichtshof eingeschaltet hat.“
B-Plan-Verfahren: So funktioniert es
Ein normales Verfahren läuft beispielsweise so ab: Eine Stadt plant die Ausweisung eines neuen Baugebietes, um mehr Wohnraum zu schaffen. Im ersten Verfahrensschritt wird dazu ein Aufstellungsbeschluss gefasst – Ziel ist es einen B-Plan zu erarbeiten, der als gesetzliche Grundlage für die späte re Bebauung dient. Im zweiten Schritt erfolgt eine öffentliche Plandiskussion, zu der über den Amtlichen Anzeiger und über Stellschilder eingeladen wird. Eingeladen sind alle Interessierten. Die erste Entwurfsplanung wird vorgestellt und dann gilt: Feuer frei für Fragen und Anmerkungen. Die Stellungnahmen werden zu Protokoll gegeben und müssen von der Bauverwaltung abgearbeitet werden. Michael Schmidt: „Das ist die Phase, in der Veränderungen noch gut möglich sind.“
Nach der Plandiskussion und einer Überarbeitung des Entwurfs schließt sich die sogenannte „Beteiligung der Träger öffentlicher Belange“ an – beispielsweise Umweltverbände, die Bahn, Wasserverbände, Stromversorger, die ebenfalls Anmerkungen machen können. Sind auch diese Punkte eingearbeitet, wird der B-Planentwurf öffentlich ausgelegt. Schmidt: „Das dauert in der Regel vier bis sechs Wochen, in denen wieder Stellungnahmen möglich sind. Das ist die zweite große Chance, sich im Verfahren zu äußern. Das heißt: bevor der B-Plan rechtskräftig ist.“
Es folgt eine weitere Phase der Überarbeitung. Bei schwerwiegenden Änderungen kann eine zweite Auslegung angesetzt werden. Geht der Plan jedoch anstandslos durch die politischen Gremien, wird der Feststellungsbeschluss gefasst. Nun wäre Baurecht für das neue Wohngebiet geschaffen.
Das regelt der Bebauungsplan
Der B-Plan regelt unter anderem die Erschließung, die Ausweisung von Baufeldern durch Baugrenzen, Grünflächen, die mögliche Bebauungsdichte (Grundflächenzahl), die erlaubte Anzahl von Geschossen, manchmal schreibt er sogar Klinker, Dachneigungen und die Farbe von Dachpfannen sowie den Umgang mit Oberflächenwasser und die Begrünung (nur heimische Gehölze . . .) vor. Alle Einwender, die sich im Verfahren gemeldet haben, werden schriftlich und begründet über den Ausgang informiert. Bis zu dem Zeitpunkt der Feststellung vergehen im Schnitt zwei bis drei Jahre. Ist der B-Plan rechtskräftig, kann binnen eines Jahres jedoch ein Normenkontrollantrag beim Oberverwaltungsgericht gestellt werden – die allerletzte Chance.
Nach EuGH-Urteil: Das ist neu
Nun zur Gesetzesänderung: Bislang war in der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt, dass ein Normenkontrollantrag nur gestellt werden konnte, wenn zuvor im Beteiligungsverfahren entsprechende Einwendungen formuliert wurden. Wer das versäumt hatte, war aus dem Rennen. Schmidt: „In solchen Fällen konnte man den Mandanten sofort wieder nach Hause schicken – keine Chance.“ Vor dem Europäischen Gerichtshof wurde die deutsche Ausschlussregelung möglicherweise als Disziplinierungsversuch gewertet. Jedenfalls wurde der Paragraf 47 Absatz 2a VwGO 2017 in Folge eines EuGH-Urteils gekippt.
Michael Schmidt: „Jetzt ist es auch ohne vorherige Einwendung möglich, einen Normenkontrollantrag zu stellen, um den B-Plan eventuell noch zu kippen. Beispielsweise weil grundlegende Interessen von Anliegern missachtet wurden.“ Er kennt Fälle aus der eigenen Praxis, in denen das gelungen ist: „Weil zum Beispiel einem Grundeigentümer vorher vorhandenes Baurecht nach Paragraf 34 Baugesetzbuch (BauGB) weggenommen wurde und die vorgeschaltete Abwägung, die zu der neuen Planung führte, dies nicht berücksichtigt hatte.“ Paragraf 34 BauGB regelt das Bauen für innerstädtische Gebiete ohne Bauungsplan.
Grundsätzlich rät Schmidt aber allen von B-Planungen Betroffenen dringend: „Nutzen Sie unbedingt die Chancen, sich im Verfahren zu äußern. Das ist der beste Weg. Und: Bleiben Sie von Anfang an dran. Das heißt, man muss sich aktiv darum kümmern, die Termine und Fristen zu erfahren.“ Seine Erfahrung: „Zumeist werden Anwälte erst eingeschaltet, wenn es viel zu spät ist. Vor allem Gewerbetreibende sollten spätestens dann juristischen Rat in Anspruch nehmen, wenn ein B-Plan in die öffentliche Auslegung geht.“ wb