Erik Peuschel (Engel & Völkers) über Kapitalflüsse im Wohnungsbau, sinkende Renditen und coole Locations Und warum Lüneburg eigentlich Schwarmstedt heißen müsste . . .
Regelmäßig berichtet Business & People über die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt im Großraum Hamburg. Als Experte vor allem im Bereich Gewerbe-Immobilien steht dabei Erik Peuschel, Mitglied der Geschäftsführung von Engel & Völkers Commercial in Hamburg, zur Verfügung. Dieses Mal geht es auch um die Entwicklung der Preise im Wohnungsbau – ein sowohl für private Immobilienkäufer als auch Investoren aktuelles Thema. Das Gespräch führte B&P-Redakteur Wolfgang Becker.
Die „Wirtschaftswoche“ vermeldete kürzlich, dass sich Investoren aufgrund der hohen Preise verstärkt aus den Metropolen zurückziehen und lieber in Städten bis 500 000 Einwohner investieren. Können Sie das bestätigen?
Zum Teil ja, aber zum Teil auch nein. Wenn wir mal über größere Investoren mit Investments so ab 15 oder 20 Millionen Euro pro Objekt sprechen, dann geraten sogenannte B-Städte mit bis zu 500 000 Einwohnern zwar zusätzlich in den Fokus, aber der Blick auf A-Städte nimmt überhaupt nicht ab. Nach wie vor ist der Investitionsdruck auf die fünf bis sieben großen Städte in Deutschland hoch. Es gibt eher die Tendenz, innerhalb von A-Standorten in B-Lagen abzuwandern, also in Stadtteilen statt im Zentrum zu bauen.
Was mit dem Flächenmangel zu tun hat . . .
Das ist absolut ein Flächenthema. Deshalb kommen dann Städte wie Hannover und Bremen in Norddeutschland, aber auch sogenannte Schwarmstädte ins Spiel – das sind die Städte, in die die jungen Leute ziehen.
Was wäre denn hier in der Metropolregion Hamburg eine Schwarmstadt?
Zum Beispiel Lüneburg. Universitärer Standort. Attraktive Standortbedingungen für junge Menschen, auch junge Familien. Tolle Anbindung an die ganz große Stadt im Umfeld. Das alles passt auf Lüneburg. Und das sehen wir dort auch – sowohl was den Wohnungsbau als auch die Preisentwicklung angeht.
Im Ranking der teuersten Städte Deutschlands, angeführt von München und Stuttgart, ist Hamburg auf Platz 4 gelandet, hat ebenfalls die „Wirtschaftswoche“ herausgefunden. Eigentumswohnungen sollen demnach im Schnitt 1750 Euro pro Quadratmeter kosten (München: 2850 Euro). Meines Wissens liegen neue Eigentumswohnungen in HH, selbst in Harburg, schon deutlich jenseits der 3000 Euro. Wie bewerten Sie die Zahlen, und wo liegt Hamburg tatsächlich?
Diese Zahlen lassen sich nur erklären, wenn Altbausubstanz eingeflossen ist. Für diese Beträge kann heute niemand mehr bauen. Beim reinen Bauen, ohne Grundstücks- und Nebenkosten, liegen wir heute bei 2000 Euro pro Quadratmeter. Selbst in Bereichen wie Stade und Buxtehude, wo die Preisschraube noch nicht so angezogen ist, liegen wir im Neubausektor bei Kaufpreisen um die 3000 Euro, eher darüber. Ob Hamburg nun Nummer drei oder vier ist – wir sind hier im untersten Neubausegment bei 4000 Euro und das steigt auf bis zu fünfstellig. 5000 bis 7000 Euro ist eher Mittelfeld. Die eingangs genannten Zahlen sind ganz sicher inklusive Altbestand zu bewerten.
Immer wieder wird vor einer Immobilienblase beziehungsweise vor einem überhitzten Immobilienmarkt gewarnt, weil nach wie vor Kapital in die Immobilie fließt. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Blase hört sich so dramatisch an. Dass es ein Auf und Ab gibt, ist klar. Ich denke, wir sind ziemlich weit oben. Aber der Markt in Deutschland ist gesund, unabhängig von der Zinspolitik. Wir haben einen hohen Investitionsdruck, aber auch einen hohen Nachfragedruck. Es kommt also aus zwei Richtungen. Der Flaschenhals ist bei den Flächen zu sehen. Es fehlt Bauland. Blase klingt nach Platzen. „Peng“ – und alles ist weg. Das wird so nicht sein. Die Mieten im oberen und mittleren Segment stagnieren – da ist meines Erachtens nicht mehr so viel Spielraum. Die Preise steigen, die Mieten sind gestiegen, aber die Renditen sind gesunken. Sie liegen im Wohnimmobilienbereich jetzt bei bis zu drei Prozent. Es gibt ein Schlagwort: Die Drei ist die neue Fünf. Früher war eine Fünf-Prozent-Rendite in Ordnung, heute sind es drei Prozent. Aber eben nicht darunter.
Das politisch größte Erdbeben der jüngeren Geschichte ist sicherlich die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Schon wird über das Ende der Nullzinsphase spekuliert. Wie würde sich eine Hypothekenverzinsung von, sagen wir mal, drei bis vier Prozent auf den Immobilienmarkt auswirken – kommt nach dem Boom das große Loch?
Schwierig ist es, wenn man über Anschlussfinanzierungen nachdenkt. Vor zehn Jahren hatten wir Raten um die drei Prozent – wenn die jetzt auf fünf oder sechs Prozent steigen würden, wäre es problematisch. Dann rauscht wie damals in den USA auch die Bewertung der Häuser nach unten. Aber ich sehe diese Gefahr für Deutschland nicht, weil wir keine abrupten Zinsveränderungen haben werden und die Banken mittlerweile ganz stark darauf achten, dass die Finanzierungen solide sind. Die Tilgungen sind wesentlich höher. Bei ein Prozent, wie früher, würde man es heute zu Lebzeiten nicht mehr schaffen, sein Haus abzuzahlen.
2017 ist ein deutsches Wahljahr. Extreme Überraschungen sind vielleicht nicht zu erwarten, aber der forsche Antritt von Martin Schulz als SPD-Kanzlerkandidat ist schon bemerkenswert. Erwarten Sie politische Weichenstellungen (Stichwort: Wohnungsbau-Förderung), die sich positiv auf den Immobilienmarkt auswirken könnten – und wenn ja, welche?
Das würde ich mir wünschen! Es gab voriges Jahr einen Gesetzesentwurf mit dem Ziel, die Gebäudeabschreibungsmöglichkeiten zu verbessern. Die Idee war, in den ersten drei Jahren bereits ein Drittel des Gebäudes schon abgeschrieben zu haben. Das wäre zeitgemäß, zumal wir die erhöhten Standards bei der energetischen Ausstattung haben. Leider ist der Entwurf gescheitert. Das wäre ein Wohnungsbauprogramm, das den gesamten Markt fördert und ihn auch zeitgemäß widerspiegelt. Bei den heutigen Anforderungen an Gebäudetechnik müssen die Objekte eigentlich nach 30 Jahren abgeschrieben sein, so wie sich überall die Zyklen verkürzen. Die langen Abschreibungszeiten sind meines Erachtens aus der Zeit gefallen.
Die letzte Frage betrifft den Markt für Gewerbe- und Büro-Immobilien. Haben wir da eine vergleichbare Situation wie beim Wohnungsbau?
Die Nachfrage ist da, aber es fehlt an Neubauten in den großen Städten. Wir haben eine hervorragende gesamtwirtschaftliche Entwicklung – da ist für diese Sparte noch deutlich Luft nach oben, wenn wir den Einzelhandel in 1A-Lagen mal ausklammern. Es gibt einen anderen wichtigen Aspekt: den war of talents. Unternehmen müssen etwas bieten, wenn sie die guten Leute einstellen und behalten wollen. Da braucht man eine coole Location und muss so etwas wie eine Community vorweisen können. Homeoffice und desksharing, das ist alles schön und gut, aber das Arbeiten im Team, das gemeinschaftliche Vorankommen wird wieder stärker geschätzt. Kurz: Gute Unternehmen brauchen gute Leute und zahlen hohe Mieten bis zu 30 Euro pro Quadratmeter für gute Gewerberäume und Büros. Das ist ein Motivationsthema.