Der „Wohnsack“- Ist das die Antwort auf das Heizungsgesetz?

Foto: AGVThomas-Falk, AGV-Stade

Thomas Falk, Hauptgeschäftsführer des AGV Stade, spricht von eklatanten politischen Versäumnissen – Er warnt vor dem kollektiven Vertrauensverlust in die Bundesregierung

Zu den vielfach verwirrenden Programmpunkten der „Ampel“ in Berlin zählt das kontrovers diskutierte Gebäudeenergiegesetz, im Volksmund Heizungsgesetz, das nicht nur in vielen Haushalten für angeregten, bisweilen aufgeregten Gesprächsstoff sorgt, sondern auch die Wirtschaft umtreibt, wie Thomas Falk, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Stade Elbe-Weser-Dreieck e.V., im B&P-Gespräch bestätigt. Sein Kommentar zu diesem Gesetzeswerk ist eindeutig: „Offenbar wurde die technische Machbarkeit gar nicht geprüft – und die wirtschaftliche auch nicht. Wenn dann noch nach Vorlage des Entwurfs nur drei Tage Zeit bis zur Verabschiedung im Bundestag bleiben, wundert es ja nicht, wenn das Bundesverfassungsgericht angerufen wird und auf die Bremse tritt.“

Aus Sicht des Arbeitgeberverbandes ist das Heizungsgesetz eher der Kategorie „politischer Aktionismus“ zuzuordnen, denn es stellt insbesondere auch Unternehmen vor fast unlösbare Aufgaben. Falk: „In der jetzt beschlossenen Fassung heißt es nun, dass neue Heizungsanlagen zu 65 Prozent mit regenerativen Energien betrieben werden müssen. An kommunale Wärmeplanungen und damit die Implementierung eines lokalen Wärme- oder Fernwärmenetzes hatte man ursprünglich wohl nicht gedacht.“ Er kritisiert: „Dieses Gesetz ist ähnlich rasant auf den Weg gebracht worden wie damals der Ausstieg aus der Atomkraft. Doch während in Deutschland der Gesamtausstoß von 750 Millionen Tonnen CO2 jährlich sukzessive gesenkt wird, was ja grundsätzlich dringend zu befürworten ist, bauen China und Indien ihre Energieversorgung und damit den CO2-Ausstoß gewaltig aus – auf Basis von Kohle, Gas und Öl. Das heißt: Eine hastige Verwirklichung eines nationalen deutschen Heizungsgesetzes wird keine globale Trendwende schaffen.“

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„Wertevernichtung im großen Stil“

Grundsätzlich hält es Thomas Falk allerdings für richtig, im Kampf gegen den Klimawandel bei der Gebäudeenergie anzusetzen: „Auf diesen Bereich entfällt ein Drittel des Energieverbrauchs in Deutschland. Aber: Das geht nicht von heute auf morgen. Die Politik hat es aus meiner Sicht versäumt, den Bürger bei diesem Thema mitzunehmen. Das wurde beim ersten Entwurf eklatant vernachlässigt. Offenbar hat sich niemand im Wirtschaftsministerium darüber Gedanken gemacht, wie die Folgen so eines Gesetzes sowohl von privaten Haushalten als auch Unternehmen finanziert werden sollen. Natürlich kann man auf die Wärmepumpe setzen, aber die arbeitet in schlecht isolierten Gebäuden nun mal nicht effektiv. Gebäude mit der Energieklasse F und schlechter sind von dem Gesetz massiv betroffen. Hier findet eine Wertevernichtung im großen Stil statt.“ Und: „Die KfW hat jetzt eine Studie veröffentlicht, wonach sich 41 Prozent der Immobilieneigentümer nachhaltige Investitionen zur Energie- und CO2-Einsparungen nicht leisten können. Die jetzt beschlossenen staatlichen Fördermaßnahmen werden dieses Problem alleine nicht lösen können.“ Und Thomas Falk sattelt noch drauf: „In Deutschland fehlen derzeit 60 000 Fachleute aus dem Bereich Heizung und Sanitär. Wie realistisch ist es also, dass ich einen Handwerker bekomme, wenn meine Heizung morgen kaputt ist? Von der Beschaffung neuer Geräte einmal ganz abgesehen.“ Und: „Hinzu kommt die Netzproblematik. Die Stromnetze sind nicht darauf ausgelegt, Wärmepumpen und übrigens auch Wallboxen für das E-Auto im großen Stil mit Energie zu versorgen. Die Bundesnetzagentur erwägt jetzt schon, im Notfall den Strom für Wärmepumpen und Wallboxen lokal zu limitieren, wenn die Nachfrage für die Netze zu hoch wird. Das erinnert mich unweigerlich an den ‚Wohnsack‘, der in den 1970er-Jahren, also zu Zeiten der Ölkrise, als individuelle Aufwärmmöglichkeit propagiert wurde – eine Art Sack aus wärmenden Wolldecken, den man im Haus anziehen sollte, wenn das Öl für die Heizung ausbleibt.“

Bei aller Ironie angesichts der kurzschlussartigen Ampelschaltung sagt Thomas Falk: „Ideologisch getriebene Aktionen dieser Tragweite führen beim Bürger zum Verlust des Vertrauens in die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung. Gravierende Fehler dieser Art zerstören den politischen Frieden. Auch in der Wirtschaft: Befragt man die Unternehmen, so wird der hohe Strom- und Gaspreis als größtes Problem genannt. Es ist ja kein Geheimnis, dass gerade die energieintensive Chemie-Indus­trie ihre Produktion zurzeit gedrosselt hat. Und die USA locken mit deutlich niedrigeren Preisen . . .“ wb

>> Web: https://www.agv-stade.de/

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