Eine Analyse von Henning Hansen, Handelsflächenexperte bei Engel & Völkers Gewerbe
Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten wird in Harburg davon gesprochen, dass der Standort sich wieder zum Oberzentrum im Hamburger Süden entwickeln müsse – dem Ziel also, das gerade auch von Bewohnern aus dem Umland angesteuert wird, weil sie in Harburg Geschäfte und Dienstleistungen finden, die eben nur ein Oberzentrum zu bieten hat. Die Realität ist jedoch eine andere: Trotz vielfältiger Bemühungen und attraktiver Aktionen beispielsweise durch das City-Management, die Betreiber des Business-Improvement-Districts (BID), die Süderelbe AG und die Verwaltung zeichnet sich ab, dass sich die Entwicklung nur sehr schwer umkehren lässt. Was über Jahrzehnte versäumt wurde, kann eben nicht im Handstreich zum Positiven gewendet werden. B&P hat einen Hamburger Experten für die Immobilien- und Standortbewertung unter Handelsaspekten gebeten, die Ist-Situation von Harburg zu analysieren. Henning Hansen, Bereichsleiter Handelsflächen bei Engel & Völkers Gewerbe, hat sich Harburg genau angeschaut und kommt zu dem Schluss: „Es gibt erste positive Ansätze, aber es bleibt schwierig.“
Die positiven Ansätze sieht Hansen in folgenden Punkten:
- Zwei große Textilhandelsketten suchen zurzeit größere Flächen in Harburg, die nur außerhalb des Phoenix-Centers bedient werden können. Im Gespräch sind TK Maxx und Primark.
- Mit Kock & Sack ist ein inhabergeführtes örtliches Einzelhandelsunternehmen mit einem neuen Ladenkonzept für den Handel mit Berufskleidung in die Fußgängerzone Bremer Straße gezogen. Das bringt neue Ideen in den Markt.
- Zunehmend finden sich Eigentümer, die ihre Immobilie grundlegend sanieren oder gar komplett umbauen (Hübner). Gefördert werden diese Investitionen durch die sehr positive Wohnmietentwicklung und Nachfrage von Studenten nach Wohnraum. Hier spielt teilweise auch der boomende Hotelsektor (Hostels, günstige Hotel-Garni-Konzepte) hinein.
- Es wird an Einzelhandelskonzepten für die Harburger Innenstadt gearbeitet, die eine zielgerichtete Angebotsstruktur als Ergänzung zum Phoenix-Center ermöglichen. Stichwort Marktstraße „Lü“ und „Multichannel Harburg“ (siehe auch nebenstehenden Bericht und Seite 7).
Trotz dieser ersten Lichtblicke prognostiziert Hansen noch einen weiten Weg für den Standort Harburg. Nach seiner Einschätzung wird der Veränderungsprozess sehr lange dauern. Zudem sei der Modernisierungsstand der Gebäude entlang der Lüneburger Straße vereinzelt eher unterdurchschnittlich. Hansen: „Ohne eine durchgängige Objektaufwertung ist das Erscheinungsbild der Lagen nicht wirklich zu verbessern.“ Zu lösen sei dies durch eine Synchronisierung der Investitionen sowohl in Gebäude als auch in den öffentlichen Raum. Hansen weiter: „Tendenziell könnten die oberen Geschosse verstärkt zum Wohnen genutzt oder modernisiert werden. Dies würde die Urbanität stärken und Einzelhandelsnachfrage aus dem Umfeld entstehen lassen. Hilfreich wäre zudem als maßgebliche Initialzündung die Ansiedlung eines bekannten Filialisten. Eines Kundenmagneten.
Doch es gibt auch einige Hemmnisse, die einer positiven Entwicklung entgegenstehen. Zum einen benennt der Engel & Völkers-Experte die spezielle architektonische Situation, die sich nur eingeschränkt verändern lassen. Langfristige Problemfälle wie die Harburg-Center-Ruine müssten beseitigt werden, was jedoch durch die problematische Eigentums- und Rechtssituation derzeit erschwert werde. Und: Der bereits genehmigte Ausbau der Verkaufsfläche im Phoenix-Center um weitere 2500 auf dann fast 30 000 Quadratmeter verschärfe den Konkurrenzdruck auf die Einzelhandelslagen im Umfeld des Centers weiter.
Hansens Fazit: „Die Einzelhandelsentwicklung der Harburger City ist weiterhin sehr unsicher, und es bleibt unklar, ob der Fußgängerzone dauerhaft eine eigene Aufwertung gegen die Konkurrenz des Phoenix-Centers gelingen kann.“ wb
Lüneburger Straße in Zahlen
Naheinzugsgebiet: etwa 180 000 Menschen
Passantenfrequenz: 16 000/Tag
Kaufkraft: gering
Leerstände:
aktuell 6 bis 7 Läden
erheblicher Leerstand in den Arcaden
Komplettleerstand Harburg-Center
Fluktuation in den Läden: hoch
Mietpreise/Läden: 15 bis 30 Euro/Quadratmeter
(die geringsten Mieten aller Hamburger Stadtteilzentren)
Business Improvement District:
vorhanden
120 Eigentümer beteiligt
Investitionsziel etwa 680 000 Euro