AGV Stade: Hauptgeschäftsführer Thomas Falk über Versäumnisse der Vergangenheit und einen verhalten optimistischen Blick in die Zukunft
Bislang war es gar nicht so stark aufgefallen, aber Corona macht die Defizite deutlich: „Wir haben relativ viele Anfragen von Mitgliedern zum Thema Homeoffice und Videokonferenzen. Wer das nutzt, und das tun viele, der erlebt allerdings auch schnell die Breitband-Internetverbindungs-Wüste in unserer Region“, sagt Thomas Falk, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Stade Elbe-Weser Dreieck. „Besonders stark registrieren wir das in der Stader Innenstadt. Jetzt, wo viele Menschen Kontakte online aufbauen, wird etwas deutlich, was uns vorher nicht so extrem begegnet ist.“ Seine Schlussfolgerung liegt auf der Hand: „Diese Krise zeigt uns, dass es jetzt allerhöchste höchste Zeit ist, in die Dateninfrastruktur zu investieren.“
Die vergangenen dreieinhalb Monate waren auch für den Arbeitgeberverband mit Sitz in Stade eine Herausforderung, wie Falk erläutert: „Wir bekamen Kurzarbeit in einem nie gekannten Ausmaß. Selbst Unternehmen, die sich damit noch nie befasst hatten, waren plötzlich betroffen – zum Beispiel das Gesundheitswesen. Das Verschiebung nicht lebenswichtiger geplanter Operationen infolge der verordneten Kontaktsperre führte zu Stillstand. Zeitweise waren einige Arztpraxen in Kurzarbeit. Die Arbeitsverwaltung wurde insgesamt regelrecht überrollt. Allein in Stade wurden etwa 40 Beschäftigte nur für das Thema Kurzarbeit abgestellt, um Anträge anzunehmen, zu prüfen und zu bewilligen.“
Auch beim AGV gab es eine Vielzahl Anfragen von Hilfe suchenden Unternehmern. Mittlerweile scheint sich die Lage jedoch zu entspannen. Falk: „Wir merken, dass die Beratungswünsche rückläufig sind.“ Er hofft nun, dass die geschnürten Hilfspakete ihre Wirkung entfalten und die Wirtschaft nach dem Stillstand wieder Fahrt aufnimmt: „Ein guter Gradmesser sind die Aktienkurse – zum Beispiel von Airbus und MTU. Der Aktienmarkt hat sich selbst in diesen sensiblen Branchen wieder erholt.“ Bedauerlich findet Falk die Tatsache, dass in dem Konjunkturpaket Kaufprämien für Autos mit Verbrenner-Motoren ausgeschlossen wurden: „Für ein Autoland wie Niedersachsen ist das nicht gut. Da stehen Millionen von produzierten Neuwagen mit neuester Motorentechnik auf Halde. Die müssten erstmal abverkauft werden.“
Eine gute Nachricht sei dagegen vom Arbeitsmarkt zu vermelden: „Offenbar zieht die Anfrage nach Arbeitskräften wieder an, nachdem sie im März fast völlig eingebrochen war. In Bereichen der Arbeitnehmerüberlassung, des Handels, des Handwerks und des Gesundheitswesens wird wieder eingestellt. Zumindest gibt es positive Tendenzen.“ Im Gegenzug seien Entlassungen im großen Stil bislang ausgeblieben. Ob sich das im September ändert, weil dann möglicherweise eine Welle von Insolvenzen kommen könnte, wagt Falk nicht zu prognostizieren: „Wer kann das heute schon vorhersehen.“ Vermutlich werde Corona jedoch dem einen oder anderen Unternehmen noch schwer zu schaffen machen, insbesondere dann, wenn die Situation vielleicht schon vor der Pandemie kritisch war. Eines sei aber sicher: „Wir werden uns mit der Frage befassen müssen, wie sich Arbeitsabläufe in Zukunft verändern werden. Da wird einiges übrig bleiben – zum Beispiel Videokonferenzen und Homeoffice.“ wb