Goldene Nase? Rainer Kalbe von Hartmann Haustechnik über die wahren Gründe
D er berühmte Goldene Boden, auf dem das Handwerk in Deutschland steht, ist sprichwörtlich zu verstehen. Will heißen: Ein Handwerker hat immer die Möglichkeit, mit seinen Fertigkeiten Geld zu verdienen. In Zeiten des Bau-Booms gerät speziell das Bauhandwerk jedoch zunehmend unter Beschuss – die gute Auftragslage sorge dafür, dass sich viele Betriebe derzeit eine Goldene Nase verdienten. Der Vorwurf: Die Handwerker kassieren kräftig ab, weil es der Markt einfach hergibt.
Rainer Kalbe, geschäftsführender Gesellschafter von Hartmann Haustechnik in Wilhelmsburg und stellvertretender Harburger Bezirkshandwerksmeister, hat für B&P einmal die tatsächlichen Preistreiber zusammengestellt.
- Fachkräftemangel: „Die fehlenden Fachkräfte führen zwangsläufig zu höheren Personalkosten. Zum einen können sie höhere Stundenlöhne verlangen, da der Arbeitsmarkt in vielen Bereichen des Handwerks leergefegt ist. Zum anderen registrieren wir den Trend zur 30-Stunden-Woche. Immer häufiger wollen Bewerber einen Tag weniger arbeiten als üblich. Auch das wirkt sich negativ auf die Kosten aus, da im Zweifel mehr Personal verwaltet werden muss oder aber Überstundenzuschläge anfallen. Überstunden können den Kunden oft nicht weiter in Rechnung gestellt werden.“
- Baustoffpreise: „In manchen Bereichen bekommen wir zwei Mal pro Jahr eine Preiserhöhung um jeweils fünf Prozent. Die Situation ist oft diffus und nur schwer durchschaubar. So drückt beispielsweise die Industrie Preise, indem die Bruttopreise gesenkt werden. Das klingt erstmal gut, doch das Ergebnis: Die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis verringert sich. So wird an der Schraube gedreht.“
- Internet: „Handwerksbetriebe machen in der Regel eine Mischkalkulation zwischen den Lohnkosten und den Materialkosten. Durch die Preistransparenz im Internet weiß der Kunde, wie teuer beispielsweise eine bestimmte Mischbatterie für die Badewanne ist. Während der Handwerker früher einen Aufschlag nahm, ist ihm dies durch die vorgegebenen Preise nicht mehr möglich. In der Folge müssten die Verrechnungslöhne steigen, was wiederum nur schwer zu vermitteln ist.“
- Arbeitsüberlastung: „Nach Jahren des Bau-Booms und auch des Fachkräftemangels sind viele Mitarbeiter in den Betrieben bis an die Grenze belastet. Überlastung und Stress führen zu krankheitsbedingten Ausfällen. Techniker, Meister und Projektleiter stehen teilweise unter einem massiven Druck – übrigens auch, weil die Flut der Verordnungen ständig steigt. Die Krankenstände im Handwerk sind hoch. Das wiederum drückt auf die Kosten.“
- Energieeinsparverordnung: „Gut gemeint, aber schlecht gemacht. Die EnEV verteuert das Bauen deutlich, beispielsweise durch vorgeschriebene Dämmpakete oder Solaranlagen auf dem Dach von Einfamilienhäusern. Das ist in gewisser Weise paradox, denn nun müssen die Häuser regelmäßig belüftet werden. Da das Nutzerverhalten nicht synchron mit der EnEV ist – wer fühlt sich schon in einem pottdichten Haus wohl –, wird zwangsbelüftet. Das führt zu so skurrilen Konstruktionen wie Fenstern mit Dreifachverglasung und einer Lüftungsschiene. Unter dem Strich entsteht für das Handwerk ein Zusatzaufwand durch Planung, Material, Arbeit und Bauüberwachung. Kurz: Es wird schon wieder teurer, zumal ich dafür auch bestimmte Fachleute brauche. Der Personaleinsatz in den Büros der Handwerksbetriebe ist in den zurückliegenden Jahren um zehn bis 15 Prozent angestiegen. Er ist kalkulatorisch in den Stundensätzen der Monteure vor Ort abgedeckt.“
- Baustellenleitung: „Es gibt immer mehr Vorschriften, wie auf Baustellen zu verfahren ist. Beispielsweise das Thema ‚Einweisung der Monteure‘. Sie müssen verständlicherweise auf den neuesten Stand gebracht werden und erfahren, wenn sich bestimmte Dinge ändern. Ein Beispiel ist die Einhaltung der Trinkwasserhygiene. Leitungen dürfen erst kurz vor der Inbetriebnahme mit Wasser gefüllt werden. Dies erschwert deutlich die Dichtheitsprüfungen. Auch muss sichergestellt werden, dass der Leitungsinhalt möglichst täglich durch Spülautomaten oder bestimmte Installationstechniken ausgetauscht wird. Kompliziertere Vorgaben führen zu längeren Einweisungen und zu höheren Kosten.“
- Neue Produkte: „Im Handwerk muss nach dem ‚neuesten Stand der Technik‘ gebaut werden, so steht es in den Verträgen. Alle paar Monate kommen technische Neuerungen auf den Markt. Es ist wie beim Smartphone. Eben gekauft, schon kommt ein neues Modell auf den Markt. Für uns im Bereich Heizung/Lüftung/Sanitär bedeutet das ständige Fortbildungen, Seminare für Meister und Techniker, Fachzeitungen lesen und die Newsletter der Innung studieren. Wir haben einen deutlichen Know-how-Zuwachs zu verzeichnen – was natürlich Zeit und Geld kostet. Da heute sofort ein Gutachter und ein Anwalt eingeschaltet werden, ist es nötig, durch hohe Kompetenz gegenzuhalten, um das zu verhindern.“
- Straßenverkehr: „Das klingt banal, ist aber in Hamburg tatsächlich ein riesiger Kostenfaktor. Wenn 20 Monteure jeden Tag eine Stunde im Stau stehen, sind das im Monat mal eben 400 Stunden à 55 Euro netto – ein Mehraufwand von 22 000 Euro im Monat. In vielen Wohngebieten gibt es keine freien Parkplätze. Wird eine Störung in einem Mehrfamilienhaus gemeldet, kreist der Monteur mit seinem Wagen durch die Siedlung. Parkt er in der zweiten Reihe, bekommt er sofort eine Verwarnung und einen Strafzettel. Auf Baustellen ist es zumeist genauso. Eine Möglichkeit ist es, bei der Polizei eine Sondergenehmigung zu beantragen. Aber das ist so aufwendig und teuer, dass es für Kurzzeiteinsätze wirtschaftlich absolut sinnlos ist. Taxen und Lieferanten dürfen in der zweiten Reihe parken, warum nicht auch Handwerker?“
- Gebäudeautomation: „Eine tolle Sache, aber ebenfalls ein Faktor, der die Kosten hochtreibt – beispielsweise bei der Erstellung von Angeboten. Zum einen müssen Neuerungen bekannt sein, zum anderen muss geprüft sein, ob eigene Steuerungseinrichtungen mit denen bereits vorhandener Systeme kompatibel sind. Das kostet Zeit und bedeutet einen planerischen Mehraufwand, der am Ende über die Handwerkerstunde wieder reinkommen muss.“
- Work Life Balance: „Die Berufsgenossenschaft schreibt einigen Betrieben vor, für bestimmte Mitarbeiter einen Rückzugsraum mit Liege vorzuhalten, um dort bei Stress wieder zur Ruhe zu kommen. Gute Idee, aber kostet Geld.“
Fazit von Rainer Kalbe: „Die höheren Preise im Handwerk entstehen nicht aus einer Laune heraus. Hier wird niemand abgezockt. Es gibt zahllose Faktoren, die dazu führen, dass die Kosten steigen. Wir sehen auch wieder andere Zeiten auf uns zukommen und wollen auch deswegen unsere Kundschaft nicht verärgern. Bei uns wird fair und solide kalkuliert.“ wb