INTERVIEW Carsten Matthies über den langen Weg von der ersten Idee
bis zur Einweihung von Nordeuropas größtem überdachten Gartencenter.
Mit einer erheblichen Vergrößerung des Gartencenters geht das Hittfelder Familienunternehmen Matthies in vierter Generation mutig in die Zukunft. Dabei ist Carsten Matthies und den holländischen Planern ein Kunststück gelungen: Trotz der vergleichsweise riesigen Dimensionen hat er es geschafft, die typische Matthies-Atmosphäre an den neuen Standort in Emmelndorf zu transferieren. Stammkunden werden sagen: Mehr Matthies – das kann nur gut sein. Darauf hofft der Geschäftsführer, denn das 20-Millionen-Euro-Investment soll sich schließlich rentieren. Mit Carsten Matthies sprach B&P-Redakteur Wolfgang Becker. Die für den Handel restriktiven Auswirkungen der Corona-Krise waren zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht absehbar.
Wann ist die Entscheidung gefallen, den Betrieb zu vergrößern?
Eigentlich schon vor zwölf Jahren. Damals wollten wir am alten Standort An der Reitbahn anbauen. Unsere Anfrage bei der Gemeinde wurde aber kritisch gesehen, weil der Bebauungsplan keine weitere Bebauung vorsah. Rechts ein Regenrückhaltebecken, links die Autobahn – da ging nichts mehr. Und die Autobahn zu verlegen, ist ja auch eher schwierig . . .
Sie haben Ihren Humor nicht verloren . . .
Dann wurde das Grundstück Gustav-Becker-Straße/Hittfelder Landstraße zum Verkauf angeboten – für die Fläche hatten wir uns vorher schon interessiert. Die Gemeinde bot an, dieses Projekt mit uns zu entwickeln und dort großflächigen Einzelhandel umzusetzen. Das ist nicht so einfach, weil Seevetal eigentlich nur ein Mittelzentrum ist. Da redet der Landkreis dann auch ein Wort mit.
Was war die größte Herausforderung?
Es gab mehrere Punkte im Laufe der zwölf Jahre. Immer wenn wir eine Hürde genommen hatten, kam die nächste. Die aufwändige Verkehrserschließung mit neuer Zufahrt und Kreisel zum Beispiel. Oder das Entwässerungskonzept. Auf diesem Grundstück wurde Emmelndorf-Siedlung entwässert, also musste eine Fläche für ein Regenrückhaltebecken gefunden werden. Dann musste der Eigentümer überzeugt werden, die Fläche an die Gemeinde zu verkaufen. Dann musste das Becken gebaut werden. Jeder Satz bedeutet immer ein bis anderthalb Jahre.
Nun haben Sie sich erheblich vergrößert – wie lässt sich das beziffern?
Wir haben die Verkaufsfläche verdoppelt. Dabei ist unser Sortiment tatsächlich nicht viel umfangreicher geworden, aber wir haben nun mehr Ausstellungsfläche und mehr Fläche für die Wege durchs Haus. So können wir die Ware besser präsentieren und die Kunden besser inspirieren.
Ein hohes Investment für mehr Übersichtlichkeit?
Wir erhoffen uns natürlich eine Umsatzsteigerung. Wir merken zudem, dass das Thema Gastronomie im Einzelhandel sehr stark zugenommen hat. Das ist auch in Zukunft der Dreh- und Angelpunkt.
Besucher können sich hier gut und gerne einen halben Tag lang aufhalten. Sie haben durch den Bahnhof Emmelndorf und zwei Buslinien einen exzellenten Anschluss an öffentliche Verkehrsmittel – so kann sich Matthies quasi zu einem Ausflugsziel entwickeln. Trotzdem: Das Investment ist mit 20 Millionen Euro erheblich – schlafen Sie da eigentlich noch ruhig?
So eine Entscheidung fällt ja nicht von heute auf morgen. Das reift. Wir haben uns sehr viele andere Gartencenter in Europa angeschaut und gesehen, wie das funktioniert, wenn so eine große Fläche vorhanden ist. Und so kommt eine Million zur nächsten. Es soll dann ja auch richtig gut werden. Vor 20 Jahren, als wir aus den alten Räumen meiner Großeltern an der Hittfelder Schulstraße an den Standort An der Reitbahn zogen, war das ein ähnlich großer Schritt. Dem liegen natürlich vielfältige Berechnungen zugrunde. Am Ende hat man einen Businessplan und weiß, dass das funktionieren kann.
Gibt es im neuen Gartencenter etwas, was es woanders nicht gibt?
Unser Alleinstellungsmerkmal ist die Vielfalt. Es gibt kein Gartencenter, das beispielsweise eine so große Motoristikabteilung hat. Oder so eine große Gartenmöbel-Ausstellung. Die meisten Gartencenter kommen von der Pflanze her. Sie haben dann irgendwann auch Dünger und Gartenwerkzeuge verkauft. Aber wir kommen aus dem Landhandel und haben die Pflanze hinzugenommen. Deshalb gibt es so eine Konstellation wie hier europaweit kein zweites Mal. Unsere DNA ist aus unserer Firmengeschichte entstanden – und das Konzept wird weiterhin aufgehen.
Es heißt, das Gartencenter Matthies sei das größte in Nordeuropa?
Es gibt große Center in den Niederlanden, aber das ist ja Mitteleuropa – im Ernst: Wenn wir vom größten überdachten Gartencenter Nordeuropas sprechen, dann ist das haltbar.
Für den Fall, dass Ihre beiden Söhne eines schönen Tages als Vertreter der fünften Generation auch noch mal einen großen Schritt wagen möchten – können sie hier noch erweitern?
Also hier ist es ähnlich wie am alten Standort. Hier ist keine Erweiterung möglich. Aber zwischen den Schritten lagen 20 Jahre – wir können heute nicht mal absehen, wie sich das Geschäft in fünf Jahren entwickeln wird. Das ist schlicht nicht vorstellbar.
Wenn ich so ein großes Haus habe, muss ich es irgendwie mit Leben füllen – was planen Sie, um die Kunden immer wieder zu begeistern?
Wir fangen dieses Jahr erstmal mit gezogener Handbremse an. Meine Frau wurde mal mit den Worten zitiert: Die Show ist der Laden. Wir machen unsere Seminare und Workshops, aber in den kommenden Jahren werden wir ein zusätzliches Programm anbieten. Es gibt bereits viele Ideen.
Wer das neue Haus zum ersten Mal betritt, wird bemerken: Das Gebäude ist überraschend hoch. Warum haben Sie so hoch gebaut?
Der Architekt wollte eigentlich noch einen Meter höher bauen. Wenn man sich die Weite der Möbelausstellung ansieht, dann leiten sich daraus die passenden Proportionen ab – die müssen stimmen. Das alte Haus war übrigens nur einen Meter flacher, wirkte aber ganz anders.
Sie haben auf der Südseite der Dachkonstruktion eine große Photovoltaik-Anlage platziert – wieviel Ihres Strombedarfs können Sie selbst produzieren?
Eigentlich sollte die Strommenge übers Jahr berechnet ausreichen, aber durch Schwankungen ergeben sich Lücken – da müssen wir dann zukaufen. Ich denke, wir werden aber auf 80 Prozent kommen.
Das heißt, Nachhaltigkeit war auch ein Thema bei der Planung?
Ja. Wir sammeln auch unser Regenwasser und nutzen es zum Gießen der Pflanzen und als Löschwasserreservoir. Den ersten Feuerwehreinsatz hatten wir schon, zum Glück ein Fehlalarm. Beim Pizza-Backen war die Brandmeldeanlage ausgelöst worden. Keine Frage: Der Rauchmelder funktioniert . . .
Das Gartencenter Matthies in Zahlen
– 20 000 000 Euro Investment
– 100 Meter Gebäudebreite
– 150 Meter Gebäudelänge-n 14 Meter Höhe am höchsten Punkt
– 17 000 Quadratmeter Verkaufsfläche
– 5000 Quadratmeter Lager
– 400 000 bis 500 000 verschiedene
Artikel
– 200 Sitzplätze im Café
– 500 Stellplätze mit jeweils 2,5 Metern
Breite
– 200 zusätzliche Stellplätze auf
Pendlerparkplatz
– 18 Monate Bauzeit
– 110 Mitarbeiter
– 17 Minuten mit dem Metronom bis
zum HH Hauptbahnhof
– 2 Buslinien